Ein Stück Stoff…

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Thomas Böhm
Thomas Böhm

Von Thomas Böhm *)

Wie groß ist doch das Jammern und Wehklagen der Chefredakteure der „Welt“, als mit Deniz Yücel einer der ihren in die Fänge des islamischen Despoten Erdogan geriet. Ja, es werden sogar Debatten ausgefochten, Kollegenschelte betrieben – so wichtig war den Herren in der Chefetage dieses Thema.

Mein Mitgefühl hat Herr Yücel, auch wenn er ein journalistischer Hassprediger ist. Kein Mensch sollte den islamischen Folterknechten ausgeliefert sein.

Doch das Mitgefühl der Springer-Bosse ist heuchlerisch, zumindest doch recht einseitig. Denn nur wenige Tage nach der Verhaftung von Deniz Yücel durften wir in einem Beitrag über „Mutter Courage“, Marine Le Pen folgendes lesen:

Ein Stück Stoff hat während der Libanon-Reise von Marine Le Pen Unstimmigkeiten ausgelöst. Weil sie kein Kopftuch tragen wollte, brach die Chefin der französischen Rechten ein Treffen mit dem Großmufti ab… (https://www.welt.de/politik/ausland/article162252165/Le-Pen-bricht-Treffen-mit-Grossmufti-ab.html)

So, so. Für die „Welt“ ist das Kopftuch also lediglich ein Stück Stoff. Und wie es sich für linke, bis auf die Knochen islamisierte Journalisten nun mal gehört, werden die „Stoffel“ sogar noch verteidigt:

Ein Sprecher der Dar al-Fatwa, der höchsten sunnitischen Instanz im Land, sagte: „Die Verantwortlichen von Dar al-Fatwa waren überrascht über ihre Weigerung, sich an diese allseits bekannte Regel zu halten.“ Le Pen habe vorher gewusst, dass es nötig sei, bei einem Treffen mit dem Großmufti, der Vorsitzender der Dar al-Fatwa ist, den Kopf zu bedecken. (https://www.welt.de/politik/ausland/article162252165/Le-Pen-bricht-Treffen-mit-Grossmufti-ab.html)

Dass dieses Stück Stoff das menschenverachtende Symbol des Islams schlechthin ist, spielt für die „Welt“ also keine Rolle. Ganz besonders widerlich, weil man weiß, was dieses „Stück Stoff“ in all seinen religiösen Varianten anrichten kann:

Am 11. März 2002 verbrannten in Mekka fünfzehn Mädchen, die versucht hatten, aus einer brennenden Schule zu entkommen. Sie wurden von Mitgliedern der saudi-arabischen Religionspolizei durch Prügel am Verlassen des brennenden Gebäudes gehindert, weil die Mädchen nicht den in Saudi-Arabien für Frauen vorgeschriebenen schwarzen Ganzkörper-Schleier trugen, als sie aus dem brennenden Gebäude zu entkommen versuchten. Die Feuerwehrmänner hätten somit das Haar der Frauen sehen können, was die Religionspolizei, aus Gründen des in Saudi-Arabien gelebten fundamentalistischen wahhabitischen Islams unbedingt, mit allen Mitteln und selbst unter Inkaufnahme des Todes der Frauen zu verhindern suchte. Aufgrund dieses Vorkommnisses wurde nach einem längeren Diskussionsprozess acht Jahre nach dem Vorfall, im Mai 2010, vom Erziehungsministerium erlaubt, dass auch nicht vollständig korrekt gekleidete Frauen von der Feuerwehr gerettet werden dürfen (https://de.wikipedia.org/wiki/Verschleierung_in_Saudi-Arabien).

Daneben bestehen (im Iran, Anm. d. R.) eine Verschleierungspflicht sowie weitere Kleidungsvorschriften für Frauen, die von der Sittenpolizei streng kontrolliert und durchgesetzt werden. Gerade in großen Städten missachten viele Frauen jedoch regelmäßig die engen Vorschriften und tragen beispielsweise ein lose um den Kopf geschlungenes Tuch oder einen engen Mantel. Auch gibt es regelmäßige Proteste gegen diese Sittenpolitik, diese werden aber unterdrückt. Beobachtern zufolge haben sich die Repressionen gegen Frauen seit 2014 massiv verstärkt. Immer wieder werden zudem Säureanschläge auf Frauen verübt, die sich angeblich nicht korrekt kleideten.

Die Islamische Republik Iran geht rigoros gegen Frauen und Männer der iranischen Frauenrechtsbewegung vor. Beispielsweise wurde die Rechtsanwältin Nasrin Sotoudeh u. a. zu fünf Jahren Haft wegen „Verstoßes gegen die islamischen Kleidervorschriften“ verurteilt, da sie in einer im Iran nicht veröffentlichten Videobotschaft kein Kopftuch getragen hatte. (https://de.wikipedia.org/wiki/Frauenrechte_im_Iran)

…Die iranische Polizei hat acht Menschen wegen unislamischer Taten verhaftet. Darunter seien auch mehrere Frauen, die im Internet Fotos von sich veröffentlicht haben sollen, auf denen ihre Haare zu sehen seien, berichteten staatliche Medien. Die Festnahmen sind Teil eines größeren Konflikts um die Zukunft der Islamischen Republik. (http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-05/iran-instagram-models-schleier-strafverfahren-festnahme)

Weil sie in der Öffentlichkeit Hosen getragen hatte, stand die sudanesische Journalistin Lubna Hussein vor Gericht. Ihr drohten 40 Peitschenhiebe. Nun soll sie eine Geldstrafe zahlen, wozu sie aber nicht bereit ist. Sie will gegen die Gesetze im Land kämpfen. (http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/prozess-in-sudan-journalistin-entgeht-peitschenhieben-1854060.html)

Dieser frauenverachtende „Stofffetzen“ hat durchaus Tradition:

Nach einer anderen Überlieferung heißt es, dass Muhammad einmal auf einem Festmahl bemerkte, dass einer der Gäste die Hand seiner Lieblingsfrau Aischa berührt hatte. Sein Herz drehte sich ihm im Leibe um, und bald kamen ihm zahlreiche göttliche Eingebungen, die die Verhüllung der Frauen und insbesondere der Frauen des Propheten zum Inhalt hatten. Hierzu gehören auch Vers 59 der Sure „al-Ahsaab“ (die Verbündeten) und Vers 31 der Sure „an-Nur“ (das Licht).

Eine weitere tradierte Überlieferung besagt, dass die Frauen des Propheten mitunter gezwungen waren, nachts ein stilles Örtchen außer Hauses aufzusuchen. Leider waren sie dabei von Nachstellungen besonders dreister Männer nicht sicher, die versuchten, die Frauen zu belästigen. Deshalb beschwerten sich die Frauen bei Muhammad, worauf die Beschuldigten sich damit herauszureden versuchten, dass sie sich geirrt und die Frauen für Sklavinnen gehalten hätten. Um solchen ‚Irrtümern‘ künftig vorzubeugen, entschied Muhammad, dass freie Frauen sich künftig bedecken sollten, damit man sie so von Sklavinnen unterscheiden könne.

Zwei Jahre nach der Einführung des Hidschab stellte Muhammad eine weitere Regel auf, nämlich dass seine Frauen zu Hause bleiben und von den Männern getrennt sein sollten. Der Hidschab als ‚Sichtschutz‘ und die Verbannung der Frauen aus der Öffentlichkeit (arabisch: Hasr) waren zwei eng zusammenhängende Gebote, die sich ergänzten und rasch an Bedeutung gewannen.

So erwähnt eine Überlieferung, dass Omar, der zweite Kalif, einmal in seinem Hause einer Frau begegnete, die eine Dscholbab, ein weites Überwurftuch trug. Höflich wartete er, bis sie gegangen war, bevor er das Zimmer betrat, in dem sie sich aufgehalten hatte. Er fragte seine Frau, wer das gewesen sei. Als sie ihm erzählte, dass sie die Sklavin einer befreundeten Familie sei, regte Omar sich auf und verbot den Sklavinnen, sich so zu kleiden wie die freien Frauen. Dieses Verbot fand später in ganz Medina Anwendung. Die Anordnung des Kalifen trug zur Verbreitung der Verschleierung – des Hidschab – bei, und führte dazu, dass die Frauen in zwei Gruppen eingeteilt wurden: die Freien, die den Hidschab trugen, und die Unfreien, die ihn nicht tragen durften.

…Nach der islamischen Revolution im Iran und der Eroberung der Macht in Afghanistan durch die Taliban wurde der islamische Hidschab jedoch zum politischen Symbol gegen die westliche Kultur. Der Zwang zur Verhüllung setzte einerseits in vielen islamischen Staaten die Frauen massivem Druck und Repressalien aus, andererseits ist es den Islamisten gelungen, den Hidschab – hier meist auf das Kopftuch reduziert – auch in westeuropäischen Gesellschaften für politische und soziale Störmanöver zu nutzen. (http://www.alischirasi.de/as050126a.htm)

Das „Stück Stoff“ der „Welt“ ist also weit mehr als nur ein Stück Stoff. Es ist das Symbol der Unterdrückung der Frauen dieser Welt, ein Zeichen gegen die Freiheit.

Aber das interessiert die „Welt“ natürlich nicht, schließlich muss Deniz Yücel sich damit nicht herumplagen.

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*) Der Berufsjournalist Thomas Böhm ist Chefredakteur des Mediendienstes „Journalistenwatch“ (kurz: „JouWatch“) und ständiger Kolumnist bei conservo.
http://www.conservo.wordpress.com   22.02.2017
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