Französ. Präsidentschaftswahl II: Zwei Gewinner! Auch zwei Sieger?

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Macron hat zwar gewonnen, aber Frankreichs Probleme bleiben – und damit die großen Probleme Europas!

Von Peter Helmes

Nun feiern sie, „die“ Franzosen! Siegestrunken jubilieren sie über den „neuen Kennedy“, als ob es nach der Wahl keine Fragen und Probleme mehr gäbe.

Wieder nüchtern, dürften sie bald feststellen, daß zum Feiern überhaupt kein Anlaß ist. Zugegeben, ich gönne den Gewinnern die Freude über das Ergebnis: Macron ist der neue Präsident Frankreichs, und Marine Le Pen hat mit elf (!) Millionen Stimmen (etwa ein Drittel) die bisher höchste Stimmenzahl auf sich vereinigen können. Das war´s dann aber auch mit dem Jubel.

Die ganze Wahrheit – schonungslos dargestellt – zeigt sich in einer Kurzanalyse:

Mehr als ein Drittel der Wähler hat für Le Pen votiert. Ein Viertel hat sich komplett verweigert. Hinzu kommt die seit 1969 höchste Stimmenthaltung. In der französischen Präsidentschaftswahl ging es letztlich vor allem um die Frage, wie weit es der „Populismus“ – ich könnte es auch „Volksnähe“ nennen – in Europa, ja sogar im gesamten Westen bringen kann. Der erstaunliche Erfolg Marine Le Pens steht symbolisch für das Scheitern der etablierten Parteien und des politischen Systems, das kaum noch imstande ist, die Probleme des Landes zu lösen.

Noch klarer: Fast die Hälfte der französischen Wähler ist den Verheißungen Macrons nicht gefolgt. Also: Die Hälfte der Franzosen zweifelt daran, daß es in Frankreich anders oder gar besser werde. Es wurde noch einmal deutlich, welch tiefer Riß durch Frankreich geht. Die Anhänger Le Pens sowie die Unterstützer Mélenchons und Hamons sind gegenüber Macrons Werten feindselig eingestellt.

Das ist aber weniger eine Kluft zwischen dem rechten und linken politischen Lager. Vielmehr handelt es sich um eine Spaltung in völlig unterschiedliche Einstellungen bezüglich der Frage, wie sich Frankreich künftig gegenüber der übrigen Welt verhalten soll. Daher hat der Ausgang der Wahl auch globale Auswirkungen. Die Anhänger Le Pens sowie die Unterstützer Mélenchons und Hamons sind gegenüber Macrons Werte feindselig eingestellt.

Front National – eine nicht zu leugnende Konstante

Und zur ganzen Wahrheit gehört ein Zweites: Viele haben Macron gewählt – nicht aus Begeisterung für den Kandidaten, sondern um Le Pen und ihren Front National zu verhindern. Keine gute Ausgangslage für den neuen Präsidenten!

Da klingt es wie das Pfeifen im Wald, wenn sich die linken Gazetten jetzt – sich gegenseitig auf die Schulter klopfend – an Le Pen abarbeiten. An Dummheit nicht zu überbieten: Die Frankfurter Rundschau vom 8.5.: „Der Wähler hat der Rechtspopulistin Marine Le Pen eine Absage erteilt.“ Das ist blinde Stimmungsmache gegen eine Frau, die gerade ein eindrucksvolles Wahlergebnis eingefahren hat. Der Front National hat mit seinem Ergebnis nämlich nicht nur bestätigt, daß er eine konstante politische Kraft ist, sondern auch eine Partei, die weiter wächst.

Zur nüchternen Analyse gehört auch die Feststellung, daß Marine Le Pen nicht in allem unrecht hat. Manche Probleme beschreibt die Chefin des Front National zutreffend. So ist es etwa bei Le Pens Argumentation zum Euro. Sie hat im Präsidentschaftswahlkampf wieder und wieder gesagt, daß Unternehmen aus Frankreich und südeuropäischen Ländern durch den Euro stark an Wettbewerbsfähigkeit verloren haben, während Deutschland der große Gewinner sei. EU-Politiker, Journalisten und Ökonomen tun diese Argumentation oft als nationalistisches Gerede ab. Das ist schade. Denn es ist an der Zeit, über den Euro undogmatisch zu sprechen.

Und ein Blick nach Ost:

In den Hauptstädten Mittelosteuropas herrscht eher Bestürzung denn Enthusiasmus. Wenn man Macrons Weltbild und die Rolle Frankreichs in der europäischen Politik betrachtet, wird sein Wahlerfolg zu einem mittel- und osteuropäischen Problem werden. Denn Macron erklärt offen, daß er sich für ein Europa verschiedener Geschwindigkeiten stark macht. Eine EU mit zwei Geschwindigkeiten, in der z. B. Polen am Rande stünde.

18 Juni – Tag der Wahrheit

Der „Tag der Wahrheit“ rückt unerbittlich näher: Im Juni (11. und 18.6) stehen die Wahlen zur Nationalversammlung (vergleichbar dem Bundestag) an. Es gehört keine prophetische Gabe dazu vorauszusagen, daß es in der nächsten Nationalversammlung viel schwieriger werden wird, als dies bisher schon war. Mélenchons radikale Linke lehnt jede Zusammenarbeit mit den Sozialliberalen („en marche!“) Macrons ebenso strikt ab, wie alle zusammen niemals eine Le Pen akzeptieren werden. Und wenn die Rechten in Frankreich sich politisch immer mehr in die Mitte bewegen, werden sie der französischen Politik ihren Stempel aufdrücken. Wenn es so weitergeht, werden sie spätestens in fünf Jahren an die Macht kommen.

Macron, der neue Staatspräsident, wird er es keineswegs leicht haben. Denn er hat versprochen, dafür zu sorgen, daß sich Frankreich weiterentwickelt. Einen Staat mit 65 Millionen Einwohnern kann man aber nicht ohne schmerzhafte Entscheidungen vom wirtschaftlichen Stillstand befreien. Und bei dem Versuch, solche Entscheidungen umzusetzen, sind in der Vergangenheit schon mehrere französische Präsidenten gescheitert.

Die öffentliche Erleichterung darüber, daß uns Le Pen im Elysée-Palast erspart geblieben ist, sollte uns daher nicht dazu verleiten, den Wahlsieg Macrons in ein flammendes Votum der Franzosen für Europa umzudeuten oder gar in ein Stopp-Signal für populistische Bewegungen in Europa (Rh. Post).

Fünfte Republik auf wackligen Beinen

Und weiter: Wenn es Macron nicht gelingt, in der Nationalversammlung starke und verläßliche Partner zu finden und/oder seine „Bewegung“ als Partei zu etablieren – erinnert sei an de Gaulles Bewegung, aus der weiland die „Gaullisten“ entstanden sind –, wird er kaum etwas durchsetzen können, da er im Parlament abhängig von der Unterstützung anderer wird. Also wird er versuchen, sich mit „Verordnungen“ bzw. Erlassen durchzuschlängeln. Kein gutes Rezept! Die „Fünfte Republik“ dürfte nach dem 18. Juni auf sehr wackligen Beinen stehen.

Die Parteien scheinen samt und sonders auf die nächste Präsidentschaftswahl zu stieren. Sie wissen, wenn Macron scheitert, kommen neue Chancen – allen voran für Le Pen. Will heißen, so wie es derzeit aussieht, hat Macron keine allzu großen Chancen sich zu profilieren und zu etablieren. Er ist, so scheint´s, zur Schwäche verurteilt. Nebenbei bemerkt hat dann das Land in den letzten Jahrzehnten praktisch alles durchgespielt, was die Politik hergibt: von links bis sozialdemokratisch, von konservativ bis parteilos.

www.conservo.wordpress.com   8.5.2017
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