Warum schottet sich die Weltmacht China ab?

(Brasília - DF, 13/11/2019) Presidente da República Popular da China, Xi Pinping. Foto: Alan Santos/PR

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Von Dieter Farwick, BrigGen a.D. und Publizist

(Brasília – DF, 13/11/2019) Presidente da República Popular da China, Xi Pinping. Foto: Alan Santos/PR

Es ist außergewöhnlich, dass sich eine Weltmacht wie China von der Welt abschottet. Alle Verbindungen nach außen sind abgebrochen. Das gilt auch für die sonst offenen Internet- und Telefonverbindungen. Die chinesische Führung wird über geheime Verbindungen verfügen.

Die Welt rätselt über die Hintergründe, die China zu seiner Abschottung geführt haben. Die chinesische Führung muss schwerwiegende Gründe für diese einschneidende Entscheidung haben.

Die USA und die EU warnen China vor einer Eskalation.

Ein einseitiger Abbruch der Verbindung nach außen mindert den Einfluss auf das weltweite Geschehen – und den Zugriff auf Informationen aus dem Ausland.
Das Verhalten Chinas wirft Sorgen und Fragen auf.

Was können das für Gründe sein?

Hat es etwas mit der Corona-Pandemie zu tun? Oder mit machtpolitischen Problemen mit anderen Staaten? Oder gibt es Probleme in der chinesischen Führung? Ist etwas mit Xi Jinping und seiner Gesundheit?
Will China der Welt etwas verbergen? Was will China verbergen?

Angesichts der weltweiten Spannungen wäre gegenseitige Transparenz angesagt – nicht Geheimhaltung und Intransparenz. Gegenseitiges Vertrauen ist Grundlage weltweiter Stabilität.

Hier wird der Versuch unternommen, über mögliche Hintergründe nachzudenken.

Gibt es in China Probleme mit der Corona-Pandemie?

In den letzten Jahren hat es in China wiederholt in unterschiedlichen Provinzen lokale und regionale Epidemien gegeben, die zu örtlichen und regionalen Shutdowns geführt haben, über die China wenig nach außen dringen ließ. Die Ursache für die Epidemie und spätere Pandemie Ende 2019/ Anfang 2020 wird weltweit kontrovers diskutiert. Untersuchungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in China haben zu keinem klaren Ergebnis geführt.

Der anfängliche Verdacht, dass der Ursprung der Epidemie in der Stadt Wuhan lag, ist nicht ausgeräumt worden. Es war die Vermutung, dass die Epidemie auf dem Viehmarkt im Stadtzentrum von Wuhan oder in einem Labor in der Nähe des Viehmarktes ausgebrochen ist. Fest steht jedoch, dass die zuständigen chinesischen Behörden die Meldung dieses Vorfalls an die WHOI um einige Tage verzögert haben, was die weltweite Warnung und erste Gegenmaßnahmen um diese Tage verzögert hat.

Bei den Untersuchungen der WHO in Wuhan waren chinesische Behörden wenig hilfreich. Es stellt sich die Frage, ob Folgeuntersuchungen der WHO in Wuhan stattfinden. Über die Zeitachse wird es schwer werden, neue Erkenntnisse zu gewinnen.

Sollte es tatsächlich zu weiteren schweren Ausbrüchen der Epidemie/Pandemie in China gekommen sein, könnte dies zu einem umfassenden Lock-Down geführt haben, mit dem die chinesische Führung Zeit gewinnen wollte.

Natürlich sind dies spekulative Überlegungen, die hoffentlich zeitnah belegt oder verworfen werden müssen. Die chinesische Führung ist am Zug.

Gibt es Probleme mit Xi Jinping – dem „Kaiser von China“?

Der starke Mann hat selbst ein politisches Erdbeben ausgelöst – eine kleine „Kulturrevolution 2.0“.

Er hat sich offenbar Sorgen um die Führungsrolle „seiner“ Partei gemacht in seinen Positionen als GenSek der KpChina, als Vorsitzender der Zentralen Militärkommission und – last but not least – als Staatspräsident der Volksrepublik China. Seine „Gegner“ sind die milliardenschweren Wirtschaftsbosse, die mit ihren Riesenkonzernen in der Politik eine sehr wichtige Rolle spielen.

In den Augen von Xi Jinping haben sie die führende Rolle der KpCh geschwächt und ihren Einfluss verstärkt. Einige Wirtschaftsbosse, die China wirtschaftlich nach oben gebracht, aber die Macht des „Kaisers“ nach dessen Beurteilung bedroht haben, sind aus dem öffentlichen Leben verschwunden. Das gilt auch für Jack Ma, dem Gründer des Riesenkonzerns Alibaba.

Die Riesenkonzerne werden zerschlagen.

Unter diesem „Kampf“ hat das Wirtschaftswachstum Chinas und anderer Staaten bereits gelitten, die besonders auf einen ertragsreichen Tourismus angewiesen sind. Das „Wirtschaftswachstum“ ist in China der „sensible“ Gradmesser für die Stabilität der Regierung und der Gesellschaft – eine Art gegenseitiger Verpflichtung: Die Gesellschaft verhält sich ruhig, wenn sie angemessen an dem Fortschritt in China teilhaben kann, wie es in den letzten 50 Jahren der Fall war. Sollte dieser Fortschritt durch die Regierung vernichtet werden, werden vorhandene Probleme – wie z.B. die Totalüberwachung – vermutlich eskalieren.

In den letzten Tagen zeichnet sich das Ende des riesigen chinesischen Immobilienkonzern Evergrande ab. Die chinesische Regierung weigert sich, dem hochverschuldeten Riesenkonzern aus der Patsche zu helfen.

Die nächste Bewährungsprobe steht bereits vor der Tür:

Die olympischen Spiele – vom 4. bis 20. Februar 2022 in Peking – sind für China von großer Bedeutung. Die Beweggründe der Entscheidung, die Spiele für ausländische Besucher zu sperren, sind nicht ganz klar. Es kann sein, dass die Furcht vor Demonstrationen ausländischer Besucher eine Rolle gespielt hat – nach dem Motto: Keine ausländischen Besucher – keine Demonstrationen. Ob dieses Kalkül aufgeht, werden wir in zwei bis drei Monaten erleben.

In diesen Tagen erfolgte der erste Querschuss durch die Vereinigten Staaten, die sich für einen „diplomatischen Boykott“ der Spiele entschieden haben. Das bedeutet, dass keine hochrangigen Politiker und Diplomaten die Spiele besuchen werden. Die nächsten Tage und Wochen werden zeigen, ob und wie China und andere Staaten auf diesen Boykott reagieren werden. Bisher haben sich Australien und Großbritannien dem „diplomatischen Boykott“ der USA angeschlossen.

Sollten die Olympischen Spiele von China abgesagt werden oder im Chaos enden, wäre dies für das Ansehen der Weltmacht China ein schwerer Schlag. Sie würde ihr zweites Bein – „Soft Power“ – verlieren.

Die Welt bleibt in Unordnung

Es ist nicht nur die Corona-Pandemie, die die gesamte Welt im Griff hat. Nahezu alle Staaten mussten durch wiederholte Lock-Downs und Ausfälle von Lieferketten Einbußen im Wirtschaftswachstum hinnehmen – auch durch Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit.

Sollten sich die Befürchtungen der Experten bewahrheiten, dass das neue Virus Omicron besonders gefährlich und ansteckend ist, werden die betroffenen Staaten finanziell und wirtschaftlich weitere Verluste hinnehmen müssen.

Dazu kommen politische Herausforderungen – wie z.B. die massive Einschleusung von Flüchtlingen durch Russland und Belarus auch unter Zerstörung von Grenzbefestigungen an der Grenze zu Polen. Polen verteidigt die Außengrenze der EU mit Sicherheitskräften – und wird jetzt von der EU gelobt. Die EU hat es nicht geschafft, eine gemeinsame Regelung zu erreichen.

Russland hat an der Ostgrenze der Ukraine starke Streitkräfte in Aufmarschräume verlegt.

Putins Begründung, dass die NATO Truppen in die Nähe der ukrainisch-russischen Grenze verlegt habe, ist absurd. Die NATO-Staaten haben sich verpflichtet, keine permanente Dislozierung von NATO-Truppen an der Grenze zu Russland vorzunehmen. An NATO-Übungen nehmen „rotierende Verbände“ teil – keine ständigen. Das weiß die Führung Russlands durch seine „hautnahe“ Überwachung der Übungen.

Noch ist es unklar, ob es sich um einen Bluff Putins oder um Angriffsvorbereitungen handelt. Die nächsten Tage und Wochen werden Klarheit bringen.

Die Ergebnisse der Tele-Konferenz zwischen Biden und Putin sind im Detail noch nicht bekannt.

Angesichts der „Eiszeit“ zwischen den USA und Russland ist die Tatsache, dass dieses Gespräch überhaupt stattgefunden hat, ein Hoffnungsschimmer. Dieses Gespräch sollte Anfang 2022 auf neutralem Boden mit den Präsidenten beider Staaten fortgesetzt werden.

Bis dahin versuchen die USA, Russland auf allen verfügbaren Kanälen zum Rückzug aus dem grenznahen Raum zu bewegen.
Die Forderungen Putins, dass die NATO eine Mitgliedschaft der Ukraine ausschließt, sind unrealistisch.

China droht mit einer Wiedereingliederung von Taiwan – mit chinesischer Waffengewalt.

China bezeichnet „Taiwan“ als „ abtrünnige Provinz“ und spielt damit mit dem Feuer. Die USA und starke Verbündete haben sich wiederholt öffentlich zum Beistand Taiwans ausgesprochen.

Nach dem überhasteten Abzug der USA aus Afghanistan stellt sich die Frage, wie verlässlich diese Beistandserklärungen sind.

Die USA und ihre Verbündeten müssen zeitnah ihre Verpflichtungen zum Beistand Taiwan glaubwürdig erneuern, um China von einem Angriff gegen Taiwan abzuschrecken.

China muss erkennen, dass ein Angriff gegen Taiwan einen Krieg in Asien und einen Weltkrieg auslösen kann. Ein „großer“ Krieg wird Chinas Aufstieg zur Weltmacht auf Augenhöhe mit den USA gefährden.

Alle sicherheitspolitischen Provokationen bedrohen den Weltfrieden – über 2022 hinaus.

Russland praktiziert seine bewährte „ hybride“ Kriegsführung. Die Drohkulisse, die Putin aufbaut, soll die westlichen Demokratien destabilisieren. In Deutschland hat er schon einige Erfolge erzielt. Etliche Deutsche unterstützen die Politik Putins offen. Sie wollen nicht erkennen, dass er ein menschenverachtender Diktator ist, der auch einen Kampf gegen die Demokratien führt, die seiner Diktatur überlegen sind.

Die neue 3-er Koalition in Deutschland hat systemische Nachteile gegenüber der Ein-Mann–Politik Putins, der seine Stärken gegen die Schwächen der deutschen Demokratie eiskalt ausnutzt.