Pars pro toto (den Teil fürs Ganze nehmen) – eine kurze pandemische Reise von der Verallgemeinerung über die blödsinnige Gleichsetzung bis zur Verschwörungstheorie

ich mache mir die Welt wie sie mir gefällt

Von Helmut Roewer

3.105 Kinder (0-17 Jahre alt) starben in Deutschland in den 2 Jahren, seit wir Corona haben. Davon 21 an oder mit Corona. Davon 10, wo außer Corona keine andere Ursache festgestellt wurde. Das jedenfalls sagen die Zahlen der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie, soeben veröffentlicht, aus. Anders ausgedrückt, sterben in Deutschland etwas mehr als 4 Kinder pro Tag und davon alle 2 Monate eines an Corona. Letztere Zahl beschreibt die amtlich ausgerufene Corona-Seuche unter Kindern. Es ist keine medizinische, sondern eine Frage des gesunden Menschenverstandes, ob man eine solche Sterblichkeit eine Seuche nennt. Die hiergegen ergriffenen „Maßnahmen“ entbehren jeder Begründung und – das erlaube ich mir, als Jurist anzumerken – der Rechtmäßigkeit. (HR-Sudelbuch vom 18.2.2022).

Wenn einer einst nach Sizilien reiste, wird er bemerkt haben, dass das Tanken mitunter Schwierigkeiten bereitete, weil ihn ein Tankwart beim Wechselgeld zu betrügen versuchte – ein beliebter Trick, der davon ausging, dass sich Ausländer bei den Lire-Geldlappen nicht richtig auskannten. Wenn er, der Übertölpelte, nun aber schlussfolgerte, dass alle Sizilianer Betrüger seien, so war sein Ärger zwar verständlich, aber die Folgerung falsch – richtig falsch, sozusagen. Man spricht von einer unzulässigen Verallgemeinerung, auch blödsinnige Gleichsetzung genannt, und der Kundige schüttelt ob solchen Unverstandes empört den Kopf. Doch vermutlich zu unrecht, denn…

Ein Erlebnis fürs Ganze zu nehmen, ist eine ganz normale menschliche Reaktion. Bereits das Kleinkind lernt, der Flamme fernzubleiben, ebenso der zuschnappenden Tür und auch Nachbars angeleintem Hund. Erst allmählich lernt es, was alles zur Kategorie „gefährliches Objekt“ dazu gehört und was nicht. Ein Erwachsener schließlich sollte diese vernünftige Form der Verallgemeinerung beherrschen. Kann er das nicht, tut der Beobachter gut daran, am Verstand des Mitmenschen zu zweifeln. Und tut dieser noch etwas mehr, so sollte man sich Sorgen machen. So zum Beispiel, wenn jener glaubt, dass Türen nur deswegen in die Wände eingelassen seien, damit er sich die Finger klemme. Man spricht in diesen Fällen von Wahn. Wenn der von den Türen Verfolgte dann anfängt nachzuweisen, dass es so wie ihm sehr vielen ergeht, und er hierüber Dissertationen anfertigt, spricht man von einer Verschwörungstheorie.

Der Leser lacht und äußert Zweifel, dass es so etwas Verdrehtes geben könne, doch Vorsicht, wir befinden uns im Nu im Alltag unserer Republik. Nehmen wir einmal an, da geht einer mit seiner Frau – sowas soll es immer noch geben – Arm in Arm spazieren, so tut er etwas, was nach heute herrschender Lesart das Zum-Ausdruckbringen einer staatsfeindlichen Gesinnung ist. Ich weiß schon, der normale Leser winkt ab, vermutlich geht er angesichts der pandemischen Lage von nationaler Tragweite nicht mehr spazieren. …um, na ja, Sie wissen schon. Nur falls der Spaziergänger einen Hund hat, darf er nicht nur, nein, er muss spazieren gehen, schon um nicht als Tierquäler zur Verantwortung gezogen zu werden. Hieraus ist eine erste pandemische Regel abzuleiten: Wer mit Fifi Gassi geht, kann kein Staatsfeind sein.

Nun schauen wir uns den Rest der Spaziergänger an. Sie benutzen ungefragt und ganz ohne Erlaubnis öffentliche Wege und Plätze, deren Zweck nach dem seit zwei Jahren zu unser aller Besten bestehenden Corona-Reglement darin besteht, dass sie leer bleiben, weil sich das von uns mit gutem Grund gefürchtete Virus bevorzugt im Freien aufhält und dort allem Gerede zum Trotz die artistischsten Sprünge von Mensch zu Mensch vollführt. Wenn nun also, wie unser von jedermann geachteter Bundespräsident mit gutem Grund sagt, dass durch eben diese erlaubnislosen Personen der Spaziergang seine Unschuld verloren habe, so kann ihm in Übereinstimmung mit Wissenschaft und Medien nur attestiert werden, dass er recht hat – das schon deswegen, weil er meines Wissens keinen Hund hat, mit dem er spazieren gehen müsste, geschweige denn eine Ehefrau, mit der er das möchte. Hieraus folgt die zweite pandemische Regel: Schau nicht dem Volk, sondern dem Bundespräsidenten aufs Maul, pardon, Letzterem natürlich nur auf seinen repräsentativen Mund.

Dies vorausgeschickt, und um auf das Thema dieses Aufsatzes zurückzukommen, lässt sich sagen, dass diejenigen, die jetzt trotzdem hundlos und erlaubniswidrig spazieren gehen, ab der Personenzahl zwei eine Zusammenrottung begehen, um den Staat zu de-legitimieren. Das stimmt zwar im strengen staatsrechtlichen Sinne nicht, auch weiß die Mehrzahl dieser Zweimann-Zusammenrottungen nicht einmal, was das De-legitimieren bedeutet, sondern sie wollen – sind sie jedenfalls überzeugt – lediglich nachsehen, ob andere auch spazieren gehen. Ja, wo kommen wir denn da hin? Das kann ja jeder sagen. Deswegen wenden wir uns an einen, der es von Amts wegen wissen sollte. Das ist der Chef des Verfassungsschutzes. Der sagt, soweit ich ihn überhaupt verstehe: Wer so zu zweit ohne zugelassenen Zweck in der Öffentlichkeit ist, der de-legitimiert und muss seinerseits, weil er diese staatsfeindliche Bestrebung verfolgt, verfolgt werden. Hieraus folgt die dritte pandemische Regel: Wer nicht folgt, weil gefolgt werden muss, der gehört nicht zu uns.

Einschub für Freunde der Volksmusik: Wer nun glaubt, dass die Aussonderung derer, die nicht dazugehören, Neuland sei, der irrt. 1944 schrieb, ein Jahr vor dem Ende des tausendjährigen Reiches, der Komponist und Textdichter Jens Rohwer unter dem Applaus der Obrigkeit dieses hier:

Wer nur den lieben langen Tag ohne Plag | ohne Arbeit vertändelt, wer das mag | der gehört nicht zu uns …

Ich weiß schon: Geschichte wiederholt sich nicht.

Und jetzt – na endlich – sind wir bei der Verschwörungstheorie angelangt. Man trifft einen auf der Straße, der sagt mit Hilfe seines maskenlosen Mundes: Ich habe die Faxen dicke. Daraus folgt, dass alle, die keine Maske aufhaben, dasselbe sagen und, wenn sie nichts sagen, es meinen. Woraus folgt, dass sie rechts sind, woraus folgt, dass sie rechtsextrem sind, woraus folgt, dass sie Nazis sind, woraus folgt, dass sie mit der Härte des Rechtsstaats bekämpft werden müssen. Und weil sich das absolut aus den Gesetzen der Logik ableiten lässt, aber immer noch nicht von allen begriffen wurde, müssen Mittel aus dem Fonds Kampf gegen rechts dafür eingesetzt werden, dass Wissenschaftler das nachweisen, was sonst jedermann weiß, bis auf die paar, die es nicht zu wissen vorgeben und deswegen beigebracht kriegen müssen. Hieraus ist die vierte pandemische Regel abzuleiten: Die Wissenschaft folgt mit gutem Grund dem, der sie bezahlt.

©Helmut Roewer, Februar 2022

Finsterwalde in Brandenburg an einem Sonntagnachmittag (12.2.2022). Anmerkung: Wer auf dem Dixie-Klo (vorn rechts) saß, ließ sich bis Redaktionsschluss nicht aufklären.