Der Nazi in meinem Spiegel – Einige Stunden im Leben eines “rechten” Ghostwriters

Michael van Laack

Als ich noch mit David Berger zusammen die Redaktion von Philosophia Perennis leitete, war für jeden Aufrechten und Anständigen klar: Ganz egal, was dieser van Laack schreibt, er ist und bleibt ein Rechter, ein Faschistenfreund, kurz ein “Nazi”. Wenn einem dieser Stempel erst einmal aufgedrückt wurde, hat dieser in sogenannten “sozialen” Netzwerken die Wirkung eines Brandzeichens.

Die Zahl jener, die den Diskurs verweigern, weil du für einen Blog schreibst, den die Medien (nicht der Verfassungsschutz) als verfassungsfeindlich eingestuft haben, steigt von Tag zu Tag.

Zwischen allen Stühlen

Daran hat sich auch in der Zeit nach PP nichts geändert. Doch damit lässt sich gut leben, wenn man sich selbst gewiss ist, als welches politische Wesen man agiert: in meinem Fall als liberal-konservativer Patriot.

So gut kann ich damit leben, dass ich hin und wieder auch gern mal all jene scheinbar bestätige, die mir und vielen anderen in Parteien und Vereinen den Diskurs verweigern, weil ihr Bild von mir (und uns) in Stein gemeißelt ist.

Nun ist die Zeit gekommen, es wieder einmal zu tun. Wieder einmal jene zu bestätigen, die in mir aus unterschiedlichsten Gründen einen Nazi sehen (bereits seit längerem die einen, weil ich Scholz, FFF und die fortschrittlichen Katholiken kritisiere und Teilen der AfD nahestehe; erst seit kurzer Zeit auch die anderen, weil ich mich gegen Corona habe impfen lassen, einigen Teilen der AfD nicht nahestehe und beim Ukraine-Bashing der Putin-Fans nicht mitgehe, sondern es scharf kritisiere.

Im zweiten Teil des folgenden (erstmals 2019 erschienenen) Artikels möchte ich jenen Lesern von conservo, die noch nicht wirklich wissen, ob überhaupt und falls ja in welche Schublade sie mich einsortieren wollen würden, einen kleinen Einblick zu ermöglichen.

MEIN MORGEN, WIE „DEMOKRATEN“ SICH IHN VORSTELLEN

Ordnung und Struktur sind mir sehr wichtig. Da bin ich wie ein Autist. Der Tagesablauf muss vorhersehbar sein, ein gleichbleibender Ritus ist unerlässlich.

Es ist 5:35 Uhr: Mein Wecker reißt mich mit dem Klingelton des Horst Wessel-Liedes aus meinen süßen Träumen. Gerade eben noch stand ich bei der erneuten Machtergreifung –  die meine neurechten Freunde und ich für den 31.01.2023 vorgesehen haben – neben dem Bundesführer und wurde unter dem Festgeläut des Münchener Leibfrauendoms und der jubelnden (weil von der CSU befreiten) Bevölkerung als Reichskirchen-Minister eingeführt…

Nun aber geht es zurück in die Lebenswirklichkeit des Deutschlands von heute, dem ich das Deutschland von gestern vorziehe, weil es eben kein Vogelschiss war, sondern das Potential hat, das Deutschland von morgen zu werden.

Noch nicht ganz von den Nachwirkungen des Traums befreit, bete ich zu Thor um die Wiederkehr des Eismondes. Dann schleppe ich mich mühsam ins Arbeitszimmer. Dort steht – von brennenden 72-Stunden-Grablichtern und seinen Orden umgeben – das Bildnis meines Urgroßvaters, einem Oberst der Fallschirm-Panzer-Division 1 „Hermann Göring“. Die Tagebücher, die er der Familie hinterlassen hat, haben mich den deutschen Glauben gelehrt, aus dem heraus ich auch heute wieder übers Internet die im Dunkel der Demokratie und des undeutschen Christentums schlummernde zukünftigen Volksgenossen missionieren werde.

Es wird Zeit, zurückzuschießen!

Pünktlich um 5.45 Uhr sitze ich dann auf der WC-Schüssel. Bekanntlich wird ab jetzt zurückgeschossen… Nach Verrichtung der Notdurft (ich hätte gestern doch nicht so viel Wein aus den Gauen des Rheinlandes trinken sollen), betrachte ich mein von blonden locken umwalltes Haupt. Und wieder erkenne ich ein paar graue Haare. Na ja… mit 54… aber das muss gefärbt werden. Sonst sehe ich bald aus wie dieser vermutlich dreivierteljüdische Kommunist Hans-Christian Ströbele.

Ich suche meine farbigen Kontaktlinsen, denn braune Augen geht wegen meiner politischen Haltung gar nicht. Wo sind denn diese strahlendblauen Teile? Ich überlege angestrengt. Was hast Du gestern Abend als Letztes getan? Ach ja, die habe ich vermutlich schon in der Bibliothek entfernt, nachdem ich bis 22.30 Uhr 150 Seiten von Alfred Rosenbergs Mythus des 20 Jahrhunderts“ gelesen hatte.  Egal, nicht ganz so schlimm, meine Familie macht sich nicht viel daraus, dass ich augenfarbentechnisch nicht dem arischen Ideal entspreche. Ihnen kommt es auf meine Haltung und mein Vorbild, meine deutschen Tugenden und den unbändigen Drang, die Wahrheit zu sagen, an.

Aus dem Führerbunker in die Bäckerei

So, nun Waschen, Kämmen, Brille aufsetzen, anziehen. Dann ab zum Bäcker und Metzger ein paar Häuser weiter. Hier in einem urbayrischen Dorf, wo die Menschen noch fleißig und anständig sind, öffnen diese Läden schon um 6 Uhr. Ich kaufe einige „Kaisersemmeln“. Der Name gefällt mir zwar nicht sonderlich, weshalb ich auch schon eine Bürgerinitiative gestartet hatte, sie in Führersemmeln umzubenennen, aber die Linksfaschisten von der CSU wussten das dann leider zu verhindern. – Mit dem Hinweis, dass die Semmeln auch schon mal brauner waren, verlasse ich die Bäckerei, kaufe schnell noch ein paar Wiener Würstchen (Deutschländer haben die nicht, aber auch Österreich hat für uns wahre Deutsche bekanntlich eine wichtige Bedeutung) und bereite das Frühstück vor.

Meine Tochter legt mir ein Formular vor. Die „Fridays For Future“ sollen ab jetzt regelmäßig als Halbtagsveranstaltungen der Schule gelten. Dieser Reglung müssen aus versicherungstechnischen Gründen die Erziehungsberechtigte’ zustimmen. „Und…“ frage ich sie „willst Du Dir zusammen mit diesem bunten Dreck einmal wöchentlich die Füße platt stehen?“ Sie schüttelt den Kopf und ihre wunderschönen nicht Greta-konformen Zöpfe schwingen durch die Luft: „Nein Papa, ich gehe lieber jeden Samstag zur Gauveranstaltung „Aktion Lebensborn für Jugendliche!’“ „Brav mein Schatz!“ Sanft streichle ich ihr über die deutsche Mädelstirn. „Dann ab zur Schule! Lass dir vom Ausländerpack nichts gefallen. Und vergiss nicht: Auch deutsche Mädel kennen weder Schmerz noch Mitleid!“

MEIN MORGEN, WIE ER WIRKLICH IST!

Einem Tag Struktur zu geben und so auch den Kindern ein Vorbild sein zu können… Schön wäre das. Aber das lassen mein Job und die ehrenamtlichen virtuellen Aktivitäten kaum zu. An manchen Tagen zwanzig berufliche Text-„Baustellen“ und vierzig Telefongespräche, an anderen nicht einmal ein Viertel davon. Vielleicht ist Autist sein ja doch gar nicht so schlecht…

Der Wecker klingelt um 5.30 Uhr. Jeden Tag! Meistens bin ich rasch wach, denn ich schlafe selten mehr als fünf Stunden und bin doch immer gut erholt. Schnell eine Zigarette am Fenster und noch vor dem Bad E-Mails, Kommentare auf Blogs und FB-Privatnachrichten checken.

Jeden Tag wünsche ich mir, dass diesmal keine Hassmails irgendwelcher linksradikaler Spinner oder auch rechter Deppen dabei sind, die mich zunehmend in den Fokus nehmen, weil ich „die wahren, guten und schönen Rechten“ immer mal wieder offen in Artikeln oder Postings kritisiere.

Und wieder grüßt das Murmeltier

„Mist – sieht leider heute wieder genauso vollgemüllt aus wie gestern“, denke ich mir und sage halblaut zu mir selbst „Vielleicht sollte ich auch mal alle Hass- und Drohmails veröffentlichen, wie das die Spitzenpolitiker tun. Aber wer würde das schon lesen wollen…“

So, nun noch schnell ein kurzes Morgengebet vor den Bildern des hl. Joseph und des hl. Bonifatius in meinem Arbeitszimmer und dann ab ins Bad. Ein flüchtiger Blick in den Spiegel „So sehen heute Nazis aus!“ erkläre ich meinem ungewaschenen und verstrubbelten Spiegelbild, das mir nicht widerspricht. Trotzdem bin ich frustriert, während ich auf dem WC sitze und denke die immer selben Gedanken: Die einen werfen mir vor, dass ich als Christ den christenfeindlichen Islam nicht unterstütze bei seinem Wunsch, hier Heimat zu finden. Andere sind empört, dass ich zwei Väter und ein Kind nicht als „normale“ Familie akzeptieren kann.

Wieder andere sind fassungslos über meine Frauenfeindlichkeit, die werdenden Müttern die Freiheit nehmen wolle, das wachsende Leben unter ihrem Herzen nach Lust und Laune „sozial indiziert“ entfernen zu lassen. Auch, dass ich der Ansicht bin, zu viele Flüchtlinge vor allem aus vollkommen anderen Kulturen würden diese Gesellschaft zerstören, nicht einfach nur spalten. Oder, dass ich daran zweifle, die Welt-Klimarettung könne gelingen, wenn man den Plänen der Grünen in Deutschland bedingungslos folgen würde. – Gemeinsam ist ihnen allen der Vorwurf: DU bist ein Nazi, weil DU all diese Positionen vertrittst; und DU unterstützt eine Nazi-Partei, die AfD!

Und doch gibt es Licht auf dem Weg durch den Tag

Jetzt erst einmal kalt und heiß im Wechsel duschen, um die Gedanken zu vertreiben. Anziehen, Brille auf die Nase und ab zum Bäcker und Metzger im Dorf. Beim Bäcker haben sie seit ein paar Monaten einen neuen Mitarbeiter am frühen Morgen. Er stammt aus Pakistan. Kinderfreundlich und immer zu einem Scherz aufgelegt! Er kennt meine politische Einstellung. Heute Morgen sagt er: „Na Meister, wie viele Politiker in Berlin wirst Du heute wegjagen? Keinen vermutlich, oder? Aber verdient hätten sie es fast alle.“ Wir lachen. Kurz bevor ich den Laden verlasse, ruft er mir in den Rücken: „Und lass dich von den Spinnern nicht fertig machen. Wir wissen, dass Du kein Schlimmer bist. Lass sie reden!“

Das tut mir gut, aber dennoch hat er leicht reden. Am Frühstückstisch reicht mir meine Tochter eine Vorlage der Schule zur Unterschrift: Es geht um den Besuch einer großen Moschee. Die Mädchen müssten ein Kopftuch tragen, wenn sie die Moschee betreten. Die Schulleitung bittet um interreligiöses Verständnis – „Und?“ frage ich meine Tochter „Hast Du überhaupt ein Kopftuch?“ Sie lacht laut: „Ich könnte eins von Oma bekommen oder was kaufen. Aber ich will da nicht hin. Das sollst Du mir unterschreiben. Kopftuchzwang ist voll Nazi!“ Wir lachen.

Ich schreibe ihr kurz was für die Schule: „So dann sieh zu, dass Du wegkommst! Und lass Dich nicht ärgern!“ Sie wird plötzlich ernst: „Du aber auch nicht! – Vor allem nicht von denen, die gar nicht wissen, wie Du in Wirklichkeit bist!“ – Und schon habe ich wieder Kraft für einen neuen Tag, reich an neuen Diskreditierungen!

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