“Der Feelgood Manager” oder: Semantischer Schwachsinn in der Berufswelt

altmod*

„Job Title Bullshit“ – Willkommen in der schönen neuen Berufswelt! Ich habe diese ersten Worte gewählt, um den Leser in den Fachjargon, in dem man sich bewegen wird, gleich einzustimmen. Es geht um die (moderne) Berufswelt und die damit verbundenen, nicht nur sprachlich- semantischen Bescheuertheiten.

Wer mag es bezweifeln, wir leben in einer Zeit einer allenthalben grassierenden, auch ideologischen Bescheuertheit. Bescheuertheit ist ein fast sinnverwandte Bezeichnung für praktizierten „Bullshit“. Bullshit, aus dem Amerikanischen kommend und für „Blödsinn“, „Unfug“, auch „hohles Geschwätz“ stehend.
Mit der Übernahme unzähliger amerikanisch-englischsprachiger Begrifflichkeiten haben wir auch deren Bescheuertheit übernommen.

Verwüstung der Sprache aus “ethischen” Gründen

Bescheuertheit ist ein Syndrom. Es kennzeichnet neben einem bestimmten Typus von Menschen auch Zustände, die durch solche Menschen bestimmt werden. Im Blick auf unsere Zeit, wer mag es bestreiten, hat Bescheuertheit eine durchdringende Kraft. Wo sie an der Macht ist oder die Ordnungsdeutungen gesellschaftlicher  Gruppen dominiert, kann sie ganze Gesellschaften verwüsten. Bescheuertheit ist nicht nur eine Befindlichkeit von Menschen, sondern zugleich eine soziale Mechanik und maßt sich auch »ethische Prophetie« (Max Weber) an.

Wie lässt sich nun Bescheuertheit in dem von mir gefundenen Zusammenhang – Berufe und deren Bezeichnung – phänomenologisch näher bestimmen? Ein probates Verfahren ist der Vergleich quasi Tür an Tür. Wie man zum Beispiel auch die Bedeutung des Bullshits im Kontrast zu seinem Eigentlichen präzisieren kann. Ich will diesmal mit dem Neusprech in unserer (modernen) Berufswelt versuchen.

Vor Jahren habe ich im Zusammenhang mit „Bullshit“ mich schon mit einem Star-Journalisten und dessen bezeichneter Spitzenfunktion im Medienbereich beschäftigt, mit dem Kommentarchef“. Was ist das? Auf Normal-Deutsch?
Der oberste bezahlte Lügenbeutel einer Zeitung!

Wunschberufe

Einer Statistik zufolge hat die deutsche Jugend folgende Wunschberufe:

Die Mädchen wählen in folgender Rangfolge: Ärztin (15,6 Prozent), dann Lehrerin (9,4 Prozent), Managerin/Geschäftsfrau (5 Prozent), Anwältin/Juristin (4,6 Prozent), Krankenschwester/Hebamme (4,5 Prozent) – Die Jungen haben folgende Präferenzen: Ingenieur (7,7 Prozent), Manager/Geschäftsmann (6,7 Prozent), Arzt (6 Prozent), Informatiker (5,5 Prozent), Profisportler (4,9 Prozent).

Bei beiden Geschlechtern sind dann noch Polizist und Architekt gefragt. Maurer, Bäcker, Metzger, Schreiner, Kfz-Mechaniker usw. erscheint nicht mehr in den Wunschvorstellungen unseres Nachwuchses. Gut, dass „Bänker“ oder „Politiker“ gleichwohl nicht gefragt erscheinen. – Das klingt (fast) alles sehr vernünftig und ohne Bullshit-Verdünnung in den Köpfen junger Menschen.

Schöne neue Berufswelt

Aber es fällt schon auf, dass die Benennung „Manager/Managerin“ weit oben steht.
Manager – das Wort kommt aus dem Englischen von „to manage“ = „handhaben, bewerkstelligen, leiten“. Die Begriffe Manager und Führungskraft werden häufig synonym verwendet, denn mit dem Begriff „Manager“ kann eine durchaus unterwertig angesehene Funktion aufgewertet werden. Am bekanntesten wurde der Hausmeister, der zum „Facility-Manager“ nobilitiert wurde.
Wer möchte denn nicht gerne auch „Art Director“ sein – was immer das auch ist.

Hier eine Liste von dem, was einem heute alles an „Manager“ begegnen kann:

  • Supply Chain Manager
  • Conversion Manager
  • Content Manager
  • Category Manager
  • E-Sports-Manager
  • E-Commerce Manager
  • Marketing Manager
  • Social Media Manager
  • SEO Manager
  • SEA Manager
  • IT-Security Manager
  • Feelgood Manager

Besonders gefällt mir der „Feelgood-Manager“, was immer der auch macht oder welche Qualifikation man dafür braucht, es klingt doch „good“ und den braucht es wohl in diesen besch… eidenen Zeiten.
Wenn man unter den Tätigkeitsbeschreibungen für die einzelnen „Manager“-Eigenarten nachforscht, stößt man unweigerlich neben einigen sachlichen Hinweisen auf nichts als argumentierendes „Bla Bla Bla“. Passend zu den Menschen, die sich im Beruflichen, privat oder in den Medien bevorzugt mit solchen Auszeichnungen schmücken und auftreten. Hängt das auch damit zusammen, dass Deutschland angeblich einen Nachholbedarf bei der „digitalen Transformation“ hat?

Auch mit 18 kann man schon Senior sein

Auch der „Consultant“ (Berater, Fachberater) ist beliebt, denn das Consultant-Unwesen dominiert bereits seit langem Wirtschaft und Politik (Kinsey, Roland Berger, Deloitte etc.). Und man kann dort bereits im zarten Alter unter 30 zum „Senior-Consultant“ aufsteigen. Ohne jemals etwas gearbeitet, auf die „Beine gestellt“ oder eine Sache konkret einfach vielleicht wissenschaftlich und – besonders denn – praktisch durchdrungen zu haben.

Da gibt es auch „Spezialisten“ wie den „Salesforce Consultant“ oder den „Data Consultant“. Zum Consultant gesellt sich auch der gerne der „Partner“ und der heißt im „Dumb English“ genauso, z.B. der „Human Ressources Partner“. Oder dann der Coach – „Agile Coach“. Designer sind auch gefragt („Customer-Experience-Designer“, „Webdesigner“).

Und was gibt es noch alles:

  • Market Research Analyst
  • virtuelle Assistent
  • Mobile Developer
  • Site Reliability Engineer
  • Customer Success Specialist
  • Data Scientist
  • DevOps Engineer
  • Chief Digital Officer
  • Utility Engineer
  • Robotik Engineer

Es fehlt in diesem Quatsch-Haus noch der/die „Influencer/in“, anscheinend für manche Heranwachsende und Arbeitsscheue der Traum-Beruf heute schlechthin, Traum zahlloser, unbedarfter Fanten, vorwiegend weiblicher Gattung. Könnte man den Beruf der Hebamme zeitgeistangepasst nicht zur „Personal Escape Room Assistant“ pimpen, um ihn noch attraktiver zu machen?

Mach Dich selbst zum Chief Manager

Die deutsche Sprache ist für die meisten Zeitgenossen, die (nicht nur) unser Konsumverhalten über die Medien katalysieren wollen, wohl nicht reichhaltig genug und so wurde der schlichte Weinkellner zum Sommelier, der Kaffee-Aufbrüher zum Barista. So mancher Bäcker hat sich inzwischen zum „Brot-Sommelier“ erhoben und es gibt Metzger, die sich derweil „Fleisch-Sommelier“ schimpfen, um dem „Wasser-Sommelier“ dasselbe reichen zu können.

Jeder Knilch mit bestimmten Neigungen kann sich heute so ausgeben, denn diese „Berufsbezeichnungen“ sind nicht etwa von der Handwerks- oder Handelskammer geschützt oder brauchen erlernt – im wahrsten Sinn des Wortes – werden.

Wann begann dieser Stuss?

Ich erinnere mich, wie ich einst zu einem „Important Local Player“ in „Healthcare Systems“ ernannt wurde und folgende Einladung zu einem „Specialist event“, einem „topaktuelle(n) Healthcareforum zum Thema „Mikro- und Makromobilität von Patientendaten“ erhielt und ins „CBC-Customer Briefing Center der Firma C.“ eingeladen wurde; vor etwa 15 Jahren war das.
Eigentlich gleichgültig, wann das begann. Es hat uns erreicht und mit dem dazugekommenen, bescheuerten „Gender-Speech“ will man uns nicht nur sprachlich globalisieren.

Willkommen in der schönen neuen Welt!

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*) Blogger „altmod“ (http://altmod.de) ist Facharzt und seit Beginn Kolumnist bei conservo.

Dieser Artikel wird auch auf seinem Blog erscheinen, vermutlich unter einer anderen Artikelüberschrift. Auch einige Zwischenüberschriften stammen von der conservo-Redaktion.

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