Guttenberg: Neustart für die Union?

Ein beschwörender Appell!

 Es war eigentlich ein schöner Tag im Mai 1970. Aber dichter Nebel hatte sich über Deutschland gelegt. Willy Brandt & Genossen waren dabei, die deutschen Ostgebiete zu verkaufen, das Deutschlandkonzept des Westens aufzugeben und sich der sowjetischen Hemisphäre anzunähern. „Wandel durch Annäherung“ hieß das Konzept, das Egon Bahr für die SPD und Willy Brandt ausgearbeitet hatte. Ein Mann jedoch hatte den sozialistischen Träumen im deutschen Bundestag ein klares Nein entgegengeschleudert: Karl Theodor Freiherr von und zu Guttenberg. Schon in den späten 1950er Jahren griff er erbost die Sozialdemokraten an, die nach seiner Meinung zu einem „Sturmlauf gegen Adenauers Westpolitik“ angetreten waren. Wehners Deutschlandplan tat ein Übriges, um den fränkischen CSU-Politiker zu erzürnen. Trotz Guttenbergs Warnungen ermöglichten die deutschen Wählern jedoch am 28. September 1969 eine sozialliberale Koalition, die den Verzicht auf die deutschen Ostgebiete durch die „Ostverträge“ zu verantworten hatte. In der besagten Bundestagssitzung an einem Mittwoch im Mai 1979 rechnete der von Muskelschwund schwer gezeichnete zu Guttenberg mit der Ostpolitik Brandts, Bahrs und Wehners in einer großen Rede ab, seiner letzten bedeutenden Rede. Er zeigte auf, welche Brücken es in der Politik geben kann und wo es für ihn keine mehr gibt – ein beschwörender Appell aus Vaterlandsliebe. Mit schweißbedeckter Stirn, mühsam seine Kräfte sammelnd, aber hart in den Sachargumenten geißelte er mit scharfen Worten den Ausverkauf deutscher Interessen durch die Sozialisten. Eine der bedeutendsten Reden, die je im Bundestag gehalten wurden. (Sie wurde später, auf Schallplatten gebannt, hunderttausendfach verbreitet.) Den aufbrausenden Applaus am Schluß seiner Rede konnte zu Guttenberg kaum noch wahrnehmen. Seine Freunde Rainer Barzel und Leo Wagner mußten ihn mehr tragen als stützen, als er von der Tribüne zu seinem Abgeordnetensitz strebte. Die Tragik der erkennbaren Krankheit und die unvergeßliche Tapferkeit des Redners erschütterten damals auch seine politischen Gegner. Nur der Zyniker Herbert Wehner verspottete ihn, infam und taktlos, in einem Zwischenruf an seine Kollegen: „Gebt ihm mildernde Umstände!“ Später sagte zu Guttenberg über seine Rede: „Das war das Mindeste, was ich für mein Vaterland tun konnte.“ 1972 stimmte er mit wenigen anderen Unionspolitikern gegen den „Grundlagenvertrag“. Zu dieser Sitzung mußte er auf einer Bahre ins Plenum gebracht werden. Wenige Tage später verstarb er. Disziplin bis zum Ende. Reiner Modernisierungswahn Auch heute ist Deutschland wieder in Gefahr, wenn auch anderer Natur. Krise der Finanzwelt, Griechenland-Stütze, wild wuchernde europäische Bürokratie-Krake, Verlust unseres Wertesystems – das seien nur einige Schlagwörter. Der deutschen Politik-Klasse scheint der Kompaß abhanden gekommen zu sein. Gesucht wird ein Mann (oder eine Frau) mit Prinzipien, Grundsatztreue und einer klaren Orientierung. Dazu später mehr. Angesichts der drängenden Probleme unserer Gesellschaft reicht bloßes Moderieren, reichen plakative Bekenntnisse zu deutungsvollen Begriffen wie der „neuen“ sozialen Marktwirtschaft oder der „Öffnung der Gesellschaft“ nicht aus. Wenn mit „neu“ mehr Staat und mit „Öffnung“ die Absage an die abendländischen Kultur- und Moralvorstellungen gemeint ist, ist es Zeit zur Umkehr, zur Rückbesinnung. Es ist erschreckend zu sehen, wie widersprüchlich und scheinbar werte-ungebunden die derzeitigen konzeptionellen Ansätze in den wesentlichen Politikfeldern unserer Bundesregierung – bei der Opposition ist es nicht besser – zu sein scheinen. Es sieht so aus, daß CDU und CSU schon soweit sozialdemokratisiert sind, daß eine Koalition mit der FDP schon von daher nicht funktionieren kann. In 15 von 17 Landtagswahlen hat die Union unter Merkels Vorsitz nur verloren, die letzten beiden Bundestagswahlen sowieso. Die Bundeskanzlerin wird offensichtlich nur noch dafür geachtet, wie sie ihre Macht behauptet, aber niemand weiß mehr wozu. Dabei hatte es die Kanzlerin und Parteivorsitzende Merkel doch so gut gemeint. Sie wollte die Union öffnen für mehr Integration, für eine neue Familienpolitik, mehr Umwelt- und Klimabewußtsein usw. Die „Normal-Ehe“ zwischen Mann und Frau wird bald zur Minderheit gehören, Migranten werden nicht dazu verpflichtet, sich zu integrieren. All das wurde und wird von den Deutschen nicht goutiert, weil sie nicht wissen, für was die Union und die Kanzlerin noch stehen. Ihre „Reformen“ folgen eher einem Modernisierungswahn, als daß sie greifbare Verbesserungen für unsere Gesellschaft zeitigen. Den Zugewinnen dieser „neuen“ Gesellschaftsschichten stehen massive Verluste in der Mitte, bei den konservativen Wählern, gegenüber. Das Ergebnis: Die Basis der Union wird nicht breiter, sondern schmaler. Merkels CDU öffnet sich „neuen Wählerschichten“ und steuert verblendet auf 30 Prozent zu. Kleine Klientelgruppen wie „Schwule und Lesben“ oder „Deutsch-Türkisches Forum“ werden gehätschelt, Konservative – „Rechte“ darf man schon gar nicht sagen – hingegen schikaniert, beschimpft oder ausgegrenzt. Wer „modern“ sein will, wählt lieber gleich „grün“. Und wer dem Trend nicht folgen will? Ja, der wählt eben mangels Orientierung nicht mehr Union, sondern die Stimmenthaltung. Bundesweit haben sich so rund 40 Prozent der Wähler im Lager der Nichtwähler gesammelt. Es fällt Merkel und ihrem Führungspersonal offenbar immer schwerer, die geistigen Grundlagen einer christlich-demokratischen Partei zu benennen und danach zu handeln. Überspitzt formuliert: Wäre Merkel der SPD beigetreten, wäre sie eventuell auch Kanzlerin geworden, aber die SPD würde noch regieren. Bitter für die Konservativen, besonders die Katholiken in der Union, ist die Feststellung, daß in der Spitze der Union zunehmend eine Bindungslosigkeit an lebenslängliche Normen um sich greift. Ob Embryonenschutz, Schutz des ungeborenen Kindes, würdiges Altern, Ehe und Familie, Treue oder andere Werte wie z. B. Schutz vor dem Schuldenstaat – auch in der Unionsspitze scheint man darauf verzichten zu können. Die Scheidung vom Ehepartner gehört zur Mode. „Die Familienpolitik der CDU ist für mich eine Bankrotterklärung. Nicht weil sie verschiedene Lebensformen toleriert, sondern weil sie die tradierte Form der Familie als Maß, als normatives Ziel aufgegeben hat“, schreibt Karl Feldmeyer, einer der profiliertesten deutschen Journalisten (1971-2004 Redakteur der FAZ). Auf den Schultern von Zwergen Planbarkeit, Verläßlichkeit, Prinzipientreue – diese Werte bestimmen zuvörderst die Gemeinsamkeiten konservativer Denkmuster im „bürgerlichen Lager“. Und sie sind Menschen der Tat, des eigenverantwortlichen Handelns. Sie fordern vom Staat nur feste Rahmenbedingungen für ihr Wirtschaften und wollen nicht alimentiert werden. Sie finanzieren ihre eigene Altersversorgung – besonders mit Wohnungseigentum -, wollen aber nicht alle Jahre wieder mit neuen „Sanierungsideen“ beglückt werden. Sie kaufen sich ein Auto und wollen nicht hören, daß sie damit nicht mehr in die Städte fahren dürfen. Sie fordern ein faires Steuersystem und erleben staatliche Abzocke. Dies ist die offene Flanke im Profil der Union – fehlende Verläßlichkeit. Die aber zeigt sich nicht dadurch, daß der Fraktionsvorsitzende im Interview das Wort „konservativ“ aussprechen kann, ohne dabei vor Scham rot zu werden. Zugegeben, es ist ein Problem unserer Zeit, aber eben auch der CDU, daß materielle Werte offensichtlich ideelle Werte verdrängt haben. Konservatismus ist das Gegenteil dessen. Materielle Werte müssen (wieder) durch ideelle Werte als Richtschnur des Handelns ersetzt werden. Die Beliebigkeitspolitik der Parteien allgemein, der Union im besonderen, muß dringend abgelöst werden durch eine Orientierung an Überzeugungen, festen Institutionen, Vernunft und Weitsicht. Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Standfestigkeit – damit zeichnen sich Konservative aus. Nur wenn sich unsere Gesellschaft und unsere Politik wieder darauf besinnen, kann aus einem in Lethargie verfallenden Wohlfahrtsstaat eine Bürgergesellschaft entstehen, in der die Bürger auf die eigenen Kräfte vertrauen. Eine Union der Beliebigkeit wird diese Rückbesinnung nicht schaffen. Festzustellen ist hingegen ein eindeutiges Führungsversagen Merkels. Die versprochene Steuerreform besteht aus höheren Steuern, die versprochene Gesundheitsreform aus steigenden Beiträgen; über die Laufzeit von Atomkraftwerken wird munter gestritten wie auch über ein Sparprogramm, und über die Bundeswehrreform sowieso. Wo man hinschaut, ist die Koalition zerstritten, und auch zwischen CDU und CSU geht die Schere immer mehr auseinander. Merkel hat viel Führungspersonal verschlissen. In der CDU gibt es kaum noch achtbare Führungskräfte. Sie steht auf den Schultern politischer Zwerge. Merkel hat viele „Pofallas“ um sich versammelt, aber Profiliertere verprellt, weil sie Konkurrenten nicht duldet. Nun steht sie fast ganz alleine da. Und genau in dem Moment, in dem sich alle Macht auf sie zu konzentrieren scheint, ist ihre Ohnmacht am größten. Die Verzwergung der Union zeigt sich auch bei ihr selbst. Verzweifelt stöhnt Hermann Gröhe, CDU-Generalsekretär und führender Repräsentant der Zwergen-Liga, in einem Schreiben an alle CDU-Mitglieder: „…die Außendarstellung der christlich-liberalen Koalition führt zu Frust in unseren Reihen, und wir müssen dringend zur Geschlossenheit zurückkehren…“. Auf der Suche nach Profil In CSU und CDU gibt es fast nur noch schwache Gestalten. Der Hinweis auf die noch schwächeren Figuren der Oppositionsparteien kann darüber nicht hinwegtäuschen. Das Problem wird zunehmend sichtbar. Schwache Gestalten machen nicht nur schwache Politik, sondern versuchen gerne, Stärkere wegzumobben oder kaltzustellen. Ein solches Treiben erlebt gerade – dies sei ohne falsches Pathos festgestellt – der neue „Stern“ am Unions-Himmel, Karl-Theodor zu Guttenberg (Vorname mit Bindestrich), ein Enkel des legendären Karl Theodor zu Guttenberg (ohne Bindestrich). Im Unterschied zu den vermeintlichen „Enkeln“ in der SPD zeigt dieser wirkliche Enkel Guttenbergs Profil, Charakter, Charme. Einem Heer von Opportunisten setzt er Standvermögen und Prinzipientreue entgegen. Er verkörpert alle guten Tugenden eines Adeligen, ist dabei aber durch und durch bürgerlich. In atemberaubend kurzer Zeit hat er Karriere gemacht, aber bei jeder Station Spuren hinterlassen und Durchsetzungsfähigkeit gezeigt. Gerade auch dann, wenn er sich einer Mehrheit beugen mußte. Immer ist bei dem jungen zu Guttenberg klar, daß er eine Position hat. „Rum-Eiern“ – eine beliebte Politikerhaltung – wird man bei ihm nicht feststellen können. Guttenberg agiert souverän; er kennt offenbar keine Angst, schon gar nicht vor der Kanzlerin. Natürlich macht er dabei Fehler, aber er steht dazu. Und er hat Mut. Als es darum ging, dem kränkelnden Opel-Werk Staatshilfen zu geben, sagte Guttenberg – erst wenige Wochen zuvor zum Wirtschaftsminister ernannt – „nein“ und forderte eine „geordnete Insolvenz“. Damit stellte er sich nicht nur gegen die Opposition, sondern auch gegen die eigene Kanzlerin. Er unterlag in diesem Streit, zeigte Größe und trug das von ihm nicht akzeptierte, aber von der Mehrheit im Kabinett gewollte Modell mit. Gerade die Stärke, diese seine Haltung den Bürgern ganz klar verständlich zu machen, brachte ihm hohe Sympathiewerte ein, höhere als die der Kanzlerin. Besonderen Mut benötigte zu Guttenberg im Falle der maroden „Arcandor“ („Quelle“). Die „Quelle“ hatte ihren Sitz im fränkischen Fürth. Auch Guttenberg ist Franke und Bayer, wie sein Parteichef Horst Seehofer. Der forderte natürlich Staatshilfen für Arcandor. Diesmal stemmte sich zu Guttenberg mit Erfolg dagegen, obwohl Tausende von Arbeitsplätzen verloren gingen. Mit Subventionen läßt sich nach seiner Überzeugung die Marktwirtschaft nicht überlisten. Zweidrittel der Deutschen stimmten ihm zu und lehnten Staatshilfe für Arcandor ab – gegen den CSU-Vorsitzenden Seehofer. Ein neuer Ton in der Politik: für seine Überzeugungen kämpfen. Die Bürger erkannten ganz offensichtlich den neuen Politikstil, den der Baron verkörpert: Er nennt die Dinge beim Namen, steht zu seinen Entscheidungen und lehnt das übliche Taktieren der Parteiklüngler ab. „Damit“, schreibt die Wochenzeitung „Focus“, „erhielt er über Nacht Kultstatus“. Er beweist die gleichen Tugenden, die ihm sein Großvater Karl Theodor vorgelebt hatte. Er selbst bleibt dabei zwar selbstbewußt, aber bescheiden. Rückendeckung für unsere Soldaten Als er nach der Kundus-Affaire zum Verteidigungsminister ernannt wurde, erringt er einen weiteren Erfolg. Er stellt bald fest, wie es um die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr steht. Forderungen nach mehr Waffen sind allerdings unpopulär. Zu Guttenberg macht sich aber in Afghanistan selbst ein Bild und beschreibt den dortigen Einsatz unserer Soldaten als das, was sie wirklich leisten: Sie stehen in einem Krieg. „Krieg“? Dieses Wort hatte doch bis dahin jeder Vorgänger Guttenbergs vermieden, ja so getan, als ob die Deutschen im Norden Afghanistans quasi als 5. Kolonne des Technischen Hilfswerks arbeiteten. Hatten unsere Politiker nicht die ganze Zeit mit verbalen Verrenkungen („Auslandseinsatz“) das Wort Krieg zu vermeiden versucht? Krieg! Das bedeutet aber auch kriegsfähiges Waffenmaterial. Und das bekamen dann unsere Soldaten, wenn auch längst noch nicht genügend. Größe zeigte Guttenberg, als er verletzte Bundeswehrsoldaten aus Afghanistan heimholt und sie, weil wegen des Ascheregens in Island Flüge ausfielen, mit einem Kleinbus über die Straßen des Balkans heimfuhr. Mehr noch: Nach dem Tod sieben deutscher Soldaten bewies zu Guttenberg Anstand und Aufrichtigkeit. Er hielt die Hauptrede bei der Trauerfeier für die getöteten Soldaten, nicht die Bundeskanzlerin. Seine Rede endete mit einem beeindruckenden Bekenntnis: „Eine meiner kleinen Töchter, der ich versuchte, diesen Karfreitag und meine Trauer zu erklären, fragte mich, ob die jungen Männer tapfere Helden unseres Landes gewesen seien, und ob sie stolz auf diese sein dürfte. Ich habe beide Fragen nicht politisch, sondern einfach mit Ja beantwortet.“ So setzt Guttenberg neue Symbole, macht die Politik wieder ein Stück ehrlicher. Politiker fast aller Parteien, Grüne und SPD voran, haben einst den Afghanistan-Einsatz beschlossen und unsere Soldaten ohne ausreichende Vorbereitung in dieses Land abkommandiert. Gedankt haben es unseren Kämpfern bis heute nur wenige. Guttenberg aber stellt sich offen hinter unsere Truppe und gibt ihr auch moralisch Halt. Die „Bild-Zeitung“ berichtet von der Front, „die Bundeswehrsoldaten in Afghanistan feierten Guttenberg wie einen Rockstar“ und zitiert einen Leutnant: „Wir machen diesen Job für ihn“. Neider und Intriganten Zuviel Anerkennung für den jungen Minister? Manche scheinen das zu glauben und greifen in das erprobte Neid-Arsenal: Schon die Ernennung zum Verteidigungsminister wurde in weiten Kreisen als Ziel angesehen, Guttenberg die Gelegenheit zum Glänzen zu nehmen. Doch der „Stern Guttenberg“ will nicht verblassen. So greift denn Kanzleramtsminister Roland Pofalla tiefer in die Schmutzkiste: Er bestellt ohne Wissen des Verteidigungsministeriums (aber mit Wissen Merkels?) ein Rechtsgutachten beim Innen- und Justizministerium zu einer politisch heiklen Frage im Kunduz-Untersuchungsausschuß. Das war ein Affront! Selbst der SPD-Wehrexperte Rainer Arnold stellte sich vor den Verteidigungsminister: „Diese Durchstechereien haben das Ziel, Guttenberg zu beschädigen.“ Für viele politische Beobachter ist Pofalla auch derjenige, der bei den Beratungen der Koalition im Bundeskanzleramt über die Sparvorschläge im Bundeshaushalt zu Guttenberg ein „Rumpelstilzchen“ genannt hat. Und das Kanzleramt setzt noch eins drauf: Merkel selbst baut im Kanzleramt ein Gegengewicht zum Verteidigungsministerium auf. Die „Gruppe 22“ der Abteilung für die Belange der Bundeswehr soll alle für den Afghanistaneinsatz relevanten Informationen bewerten. Für die anstehende Reform der Bundeswehr wird die Gruppe 22 eigene Konzepte erarbeiten. Das mag alles „normal“ und zulässig sein. Aber da wird viel Vertrauen verspielt. Alle die Hofschranzen um Merkel – und vielleicht gar sie selbst – hat Guttenberg jedoch bei der Frage der Wehrpflicht ausgetrickst, und zwar völlig legitim. Natürlich muß auch der Verteidigungsetat seinen Beitrag zu den Haushaltskürzungen leisten. Doch bei der Bundeswehr brennt es unter dem Dach. Die Truppe krankt schon lange an fehlendem Material, die Einsatzbereitschaft ist höchst gefährdet. Trotzdem tritt Verteidigungsminister zu Guttenberg vor das Kabinett und verkündet als erster der Minister, er wolle einen bedeutenden Beitrag zum Sparen leisten. Da in der derzeitigen Formation der Bundeswehr weiteres Sparen jedoch nicht möglich sei, helfe nur eine Reduzierung der Truppenstärke und die Abschaffung der Wehrpflicht. Das saß! Ein Tabubruch. Guttenberg hatte die heilige Kuh der Politik angefaßt: die allgemeine Wehrpflicht. Aber Guttenberg kalkuliert ganz kühl: Wenn weitere Streichungen in seinem Etat nicht möglich sind, muß eben genau diese Grundsatzfrage gestellt werden. Jetzt liegt der Ball beim gesamten Kabinett, in der gesamten Koalition. Guttenberg schiebt vor allem seinen Gegnern den Schwarzen Peter zu und zwingt sie dazu, zu sagen, woher die Milliarden für die Fortsetzung des Wehrdienstes kommen sollen. Doch weiter Wehrpflicht? Dann bitte mit mehr, nicht mit weniger Geld. In einer verkürzten Wehrdienstzeit von sechs Monaten kann man keine Soldaten vernünftig ausbilden. Aber man bindet dringend notwendige Ausbildungskapazität für den Einsatz an der Front. Das geht nicht. So zeigte der „Minister-Lehrling“ Guttenberg, was Sache ist. Jetzt muß die Chefin entscheiden – und vertreten -, was sie will. Guttenberg hat seinen guten Willen gezeigt. Ein besonderes Glück Guttenbergs ist, daß er wirtschaftlich unabhängig ist. Auf der 800-jährigen Tradition seiner Familie aufbauend, kann er es sich leisten, Widerspruch einzulegen, wo er das für richtig findet. Er ist unabhängig, auch mit einem der besten Bundestagswahlergebnisse in seinem Wahlkreis. Seine Gegner sind alarmiert und versuchen, ihm zu schaden. Aber die Freundesstimmen nehmen zu. Und Konservative wittern Morgenluft. Jeder fünfte deutsche Wähler könnte sich vorstellen, eine neue konservative Partei zu wählen. Mit seinen Tugenden, mit seiner Gradlinigkeit, mit seinen politischen Überzeugungen und mit seiner Standfestigkeit beweist sich „KT“ – so nennen ihn Familie und Freunde – als wahrer Konservativer. Emnid-Chef Klaus-Peter Schöppner wagt eine Prognose: „Wenn die Konservativen mit Politikern wie Roland Koch wieder Wirtschaftskompetenz, wie Friedrich Merz offene Argumentationsfreude, wie Karl-Theodor zu Guttenberg Modernität und wie Joachim Gauck Wertehaftigkeit verkörpern würde, könnten sie auf Anhieb 20 Prozent der Wähler gewinnen.“ Und für die, die die Über-Migration Deutschlands nicht übersehen wollen: Mit Necla Kelek, einer engagierten, aber islamkritischen Türkin wären auch die „Neubürger“ einzubinden. Der „Focus“ vom 27. Juli 2010 ergänzt: „Jedes europäische Land hat eine oder mehrere Parteien rechts von der Mitte – warum nicht auch Deutschland? Längst werden die wichtigen nationalen Debatten von rechts angezettelt. Eine bürgerliche Apo formiert sich gegen das erstarrte Parteiensystem. Entsteht daraus eine neue Partei?“ Man stelle sich vor: Eine neue Partei mit z. B. folgenden Führungskräften: Roland Koch (Parteivorsitz), Friedrich Merz (Wirtschaft), Joachim Gauck (Innen), Thilo Sarrazin (Soziales), Paul Kirchhof (Finanzen), zu Guttenberg (Außenpolitik/Bundeswehr). Eine solche Partei hätte gewiß Potential für mehr als 20 Prozent! Die CDU müßte sich „warm anziehen“. Und SPD/Grüne? Keine Antwort auf die Fragen der Zeit!

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