Iran-Updates: I. Lässt Europa die Iraner im Stich? – II. Irans Agenten in Deutschland

(www.conservo.wordpress.com)

Von Adrian F. Lauber *)

I. Lässt Europa die Iraner im Stich?

Guy Millière, Professor der Pariser Universität, geht mit Europas Politikern hart ins Gericht.

„Führer in Westeuropa wissen ganz genau, was das [iranische] Mullah-Regime ist, was seine Ziele und seine Aktivitäten sind. Sie wissen, dass es der weltgrößte Sponsor des islamischen Terrorismus ist. Sie wissen um den desaströsen Zustand der iranischen Gesellschaft und der Ökonomie, aber sie ziehen es vor, sich blind und dumm zu stellen. Wie es scheint, sind die Verträge, die sie mit den Mullahs unterzeichnet haben, um mehr Geld zu bekommen, alles, woran sie denken. Das Leiden der Iraner, das Chaos, die Massaker und die Zerstörung, die das Regime zu verantworten hat, das alles kümmert sie nicht. Sie wissen, dass der Atom-Deal von dem sich selbst kontrollierenden Regime ständig verletzt wird (…) Ihnen ist bewusst, dass das Regime Verbindungen zu Nordkorea hat und dass beide globale Bedrohungen sind. (…)

Die Chefdiplomatin der EU, Federica Mogherini, hat heuchlerisch „alle beteiligten Parteien“ dazu aufgerufen, „auf Gewalt zu verzichten“, als ob es eine moralische Gleichwertigkeit zwischen den unbewaffneten Protestlern und Milizen mit Kriegswaffen gäbe. Währenddessen wurden Protestler in iranische Gefängnisse gesperrt und zu Tode gefoltert.“

Ist das nicht süß, wie sie strahlt? Federica Mogherini und der iranische Außenminister Mohammad Javad Zarif (Mehr News Agency)

Weitere Kritik an konkreten Politikern, die auf das iranische Volk zu pfeifen scheinen, ist in unten verlinktem Artikel zu finden.Millière hat leider Recht.

Obwohl ich nicht ganz sicher bin, ob führende europäische Politiker von heute wirklich so gut informiert und so schlau sind wie er schreibt. Einige davon halte ich für ignorant und für doof genug, dass ihnen tatsächlich nicht klar ist, womit sie es zu tun haben.

Ob sie nun ignorant oder tatsächlich von zynischer Gleichgültigkeit sind, darüber will ich jetzt nicht weiter spekulieren. Tatsache ist jedenfalls, dass führende europäische Politiker deutlich gemacht haben, wo ihre Prioritäten liegen. Die US-Administration hat wenigstens mit neuen Sanktionen auf die Ereignisse im Iran reagiert. Das ist noch nicht genug, aber ein Anfang. In Washington scheint man die vom iranischen Regime ausgehende Gefahr begriffen zu haben. In den europäischen Hauptstädten weht aber ein anderer Wind.

Nein, europäische Unterstützung allein hätte das Mullah-Regime natürlich nicht gleich morgen zu Fall gebracht. Noch haben sich die Mullahs vorerst behaupten können. Noch funktioniert der repressive Apparat, der sie an der Macht hält.

Noch waren die Protestler, die gegen das Regime aufgestanden sind, zu wenige und die Islamischen Revolutionsgarden stehen noch immer zum Schutz des Regimes bereit. Ca. 3.700 Regime-Gegner wurden verhaftet2 – mehrheitlich junge Leute unter 25 –, über zwanzig wurden getötet.3

Der Widerstand im Iran wird weitergehen müssen und die von Amotz Asa-El beschriebenen Verfallserscheinungen des Regimes sprechen dafür, dass er auch weitergehen wird.4

Einstweilen hat sich die Mullah-Diktatur behaupten können, aber hoffentlich nicht mehr für lange Zeit. Immerhin haben sich die jüngsten Proteste schon in 141 Städte und 31 Provinzen ausgebreitet. Das Potenzial, das Regime zu beenden, lässt sich bestimmt noch aktivieren.

Eine Erhebung dieses Ausmaßes hat es in der Geschichte der Islamischen Republik noch nicht gegeben. Selbst die aufsehenerregenden Proteste gegen den damaligen Präsidenten Ahmadinedschad im Jahr 2009 beschränkten sich größtenteils auf die Hauptstadt Teheran.

Dieses Mal haben wir es mit einem landesweiten Aufruhr zu tun und der Protest richtet sich nicht nur gegen einzelne Politiker oder gegen das iranische Wahlverfahren, es geht gegen das Regime selbst. Die Parolen der Protestler waren diesbezüglich eindeutig. Sie haben genug von der Repression und davon wie die Mullahs das Geld der Nation für ihre expansionistische Außenpolitik und für fremde Dschihadisten verschleudern, statt sich um die Nöte der eigenen Leute zu kümmern. „Tod dem Diktator!“, dieser Ruf erklang auf den Straßen und richtete sich gegen den obersten Führer des Iran, Ayatollah Ali Khamenei.

Das Regime ist nicht reformierbar. Grundsätzliche Reformen würden das Fundament seiner Macht derart erschüttern, dass es wahrscheinlich nicht überleben würde. Die Mullahs und die Revolutionsgarden werden ihre Pfründe nicht freiwillig preisgeben.

Auch an der Außenpolitik wird sich nichts ändern. Das Regime folgt einer totalitären, messianischen Erlösungsideologie. Es sieht sich einem göttlichen Auftrag verpflichtet, die Islamische Revolution in die Welt hinaus zu tragen. Immer wieder spricht der oberste Führer Khamenei vom Kampf, der gegen Amerika geführt werden muss, von der heranbrechenden Endzeit5 und von Israel, das vernichtet werden muss.6 Die Islamische Revolution von 1979 war nur als Anfang einer länderübergreifenden Erweckungsbewegung gemeint – und inzwischen ist das Regime stark genug, den Export dieser Revolution tatsächlich in Angriff zu nehmen. Der Export der Revolution soll dabei helfen, die Rückkehr des verborgenen zwölften Imams zu beschleunigen, der die Herrschaft des Islam dann weltweit durchsetzen wird.7

Aber unter der Oberfläche bröckelt es. Gerade weil das Regime unfähig ist, Grundsätzliches zu verändern, wird auch der Widerstand weitergehen. Allerdings wird das Regime nicht kampflos aufgeben. Möglicher Weise werden die Revolutionsgarden noch mehr Macht an sich ziehen, um das Überleben des Regimes sicherzustellen.

Es wäre besser, wenn der Widerstand aus dem Westen aktiv unterstützt würde, denn der Sturz des aggressiven Mullah-Regimes, das mit Hilfe der von ihm finanzierten Dschihadisten eine Vormachtstellung in der islamischen Welt einzunehmen versucht und das den jüdischen Staat Israel auslöschen will, somit die Stabilität der ganzen Region und mindestens mittelbar auch uns bedroht, wäre nicht nur für das iranische Volk gut, sondern auch für den Westen und Israel.

Doch die europäischen Politiker klammern sich an ihre schönen Geschäfte und an den Atom-Deal, obwohl dieser aufgrund von Lücken und bedenklichen Bestimmungen keineswegs sicherstellen kann, dass das Mullah-Regime keine Atombomben in seinen Besitz bringt.8

Auch auf die Zusammenarbeit des Iran mit Nordkorea hat Dr. Millière richtiger Weise hingewiesen. Die gibt es tatsächlich. Es ist unstrittig, dass Teheran und das sonst weitestgehend isolierte Stalinisten-Regime in Pjöngjang auf militärtechnologischem Gebiet zusammenarbeiten. Die beiden Regimes kooperieren seit langem.9 Bei einem Besuch Kim Yong-nams, des Vorsitzenden des Präsidiums der Obersten Volksversammlung Nordkoreas, im Jahr 2012 wies Ayatollah Khamenei auf gemeinsame Ziele und Interessen der beiden Staaten hin. „Die Islamische Republik Iran und Nordkorea haben gemeinsame Feinde, weil die arroganten Mächte [soll heißen: die USA und ihre Verbündeten] keine unabhängigen Regierungen dulden.“, sagte er.10 Khamenei hatte einmal im Jahr 1989 – damals noch als iranischer Präsident – Nordkorea besucht. (Das Regime behauptet, dass der Staatsgründer Ruhollah Khomeini von Khameneis erfolgreicher Nordkorea-Reise so angetan gewesen sei, dass er ihn seitdem als seinen Nachfolger gesehen habe.11 Noch im Jahr 1989 starb Khomeini und Khamenei wurde vom Expertenrat zum Obersten Führer gewählt.)

Diese zwei Regimes begreifen sich selbst als Teil einer Achse des Widerstands gegen den Weltaggressor Amerika. So jedenfalls sieht ihr Propaganda-Narrativ aus.

Umstritten ist allerdings, ob Nordkorea dem Iran aktuell beim Bau von Atomwaffen Hilfe leistet. Bekannt ist aber, dass Nordkorea und der Iran Syrien beim Bau eines Atomreaktors geholfen haben, der 2007 von Israel in einem Präventivschlag zerstört wurde.12 Unser Wissen ist lückenhaft, aber ich halte das Risiko für absolut real, dass Iran mit nordkoreanischer Hilfe die Bombe erlangt.

Europäische Politiker, die sich über das iranische Regime noch irgendwelche Illusionen machen und mit ihm weiterhin freundlich tun wollen, verhalten sich unsagbar dumm und unmoralisch.

II. Irans Agenten in Deutschland

Das Mullah-Regime hat seine Spitzel und Schützlinge in diverser Herren Länder. Da gibt es nicht nur die Hisbollah, die in Süd- und Mittelamerika präsent ist und mit Hilfe dortiger Drogenkartelle tonnenweise Kokain u. a. nach Europa verkauft, um sich zu finanzieren.13

Agenten des Iran sind auch in Deutschland aktiv.

In diesen Tagen hat die Bundesanwaltschaft in vier Bundesländern – Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Bayern und Berlin – Razzien gegen mutmaßliche Agenten des Iran eingeleitet. Diese Männer, deren Wohnungen und Geschäftsräume durchsucht wurden, sollen Angehörige der Quds-Einheit der Islamischen Revolutionsgarden sein und israelische Angriffsziele in der gesamten Bundesrepublik ausgespäht haben.14 Festnahmen hat es laut n-tv bisher nicht gegeben.15 Über etwaige Haftbefehle soll der zuständige Ermittlungsrichter in Karlsruhe noch entscheiden.

Die Quds-Einheit, die von Generalmajor Qassem Soleimani befehligt wird, ist für Auslandsoperationen, den Export der Islamischen Revolution und die Unterstützung Iran-treuer Dschihadisten-Milizen zuständig.

Dass Spitzel und Mittelsmänner des iranischen Regimes in unserem Land präsent sind, ist nicht neu.

Laut Verfassungsschutz hat der Iran im Jahr 2016 zweiunddreißig Mal versucht, über in den Vereinigten Arabischen Emiraten, der Türkei und China ansässige Tarnfirmen verbotene Technologie aus Deutschland zu beschaffen, die für den Bau ballistischer und atomar bestückter Raketen genutzt werden könnte.16

Nicht zum ersten Mal wurde vor den Beschaffungsversuchen des Mullah-Regimes gewarnt, von denen zum Glück etwa 90 Prozent scheitern.17 Trotz des Atom-Deals stelle der Iran weiterhin den „Bearbeitungsschwerpunkt in der Proliferationsabwehr“ dar, warnte der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz im Sommer 2016. „Proliferation“ ist der Fachbegriff für die Beschaffung und Weitergabe von Technologie für Massenvernichtungswaffen.

Das ist auch so ein Beispiel dafür, wie zweifelhaft es ist, dass der Iran den dubiosen Atom-Deal von 2015 tatsächlich einhält. Was, wenn mit solchen Mitteln versucht wird, den Deal zu umgehen und sich das für den Bau von Atombomben notwendige Material anderweitig zu beschaffen?!

Unseren Außenminister Sigmar Gabriel ficht das freilich nicht an. Er verteidigt den Atom-Deal und biedert sich weiter den Mullahs an.18

Quellen:

  1. Gatestone Institute, 17.1.2018: „Europe’s Betrayal of the Iranian People“ by Guy Millière https://www.gatestoneinstitute.org/11750/europe-iran-betrayal
  2. CNN, 9.1.2018: „3,700 people were arrested during Iran protests, lawmaker says“ by Sheena McKenzie http://edition.cnn.com/2018/01/09/middleeast/iran-protests-3700-arrested-intl/index.html
  3. Al Arabiya English, 13.1.2018: „The grim repeat of torture, deaths in Iranian prisons after protests“ by Reza Shafiee https://english.alarabiya.net/en/perspective/features/2018/01/13/The-grim-repeat-of-torture-deaths-in-Iranian-prisons-after-protests.html
  4. Audiatur Online, 10.1.2018: „Die Wahrheit über die Unruhen im Iran“ von Amotz Asa-El http://www.audiatur-online.ch/2018/01/10/die-wahrheit-ueber-die-unruhen-im-iran/
  5. Fox News, 7.11.2011: „Why Iran’s Top Leaders Believe That the End of Days Has Come“ by Joel C. Rosenberg http://www.foxnews.com/opinion/2011/11/07/why-irans-top-leaders-believe-that-end-days-has-come.html
  6. Press TV, 6.12.2017: „Ayatollah Khamenei: Palestine will at last be freed“ http://www.presstv.com/Detail/2017/12/06/544668/Iran-Palestine-Ayatollah-Khamenei
  7. The Tower Magazine, Issue 20, November 2014: „Is ISIS Distracting Us from a More Serious Iranian Threat?“ by David Daoud http://www.thetower.org/article/is-isis-distracting-us-from-a-more-serious-threat/
  8. Siehe meinen Artikel „Die Mullahs und die Bombe“ und die beigefügten Quellen https://www.conservo.blog/2017/11/13/die-mullahs-und-die-bombe/
  9. Foreign Policy, 23.7.2014: „A North Korean in Iran“ by Olli Heinonen, Simon Henderson http://foreignpolicy.com/2014/07/23/a-north-korean-in-iran/  Foundation for Defense of Democracies: „The Iran-North Korea Nuclear Nexus: Unanswered Questions“ by Ali Alfoneh and Scott Modell (January 2016) http://www.defenddemocracy.org/content/uploads/documents/Iran_DPRK.pdf     The Daily Beast, 11.8.2017: „North Korea’s Deadly Partnership With Iran“ https://www.thedailybeast.com/north-koreas-deadly-partnership-with-iran    National Review, 31.8.2017: „The North Korean Axis of Middle East Proliferation“ by Matthew R. J. Brodsky http://www.nationalreview.com/article/450997/un-report-north-korea-syria-iran-relationship-extensive-long-standing                                            The Washington Times, 28.11.2017: „Iranian-North Korean talks raise specter of cooperation on military, ballistic missile technology“ by Guy Taylor https://www.washingtontimes.com/news/2017/nov/28/fresh-concern-over-possible-iran-north-korea-nucle/
  10. Khamenei.ir, 1.9.2012: „Leader Meets with Chairman of North Korean Assembly“ http://english.khamenei.ir/news/1683/Leader-Meets-with-Chairman-of-North-Korean-Assembly
  11. The Office of the Supreme Leader: Biography http://www.leader.ir/en/biography
  12. Audiatur Online, 20.9.2017: „Operation Obstgarten: Vor 10 Jahren bewahrte Israels Luftschlag die Welt vor syrischen Nuklearwaffen“ von Marcel Serr http://www.audiatur-online.ch/2017/09/20/operation-obstgarten-vor-10-jahren-bewahrte-israels-luftschlag-die-welt-vor-syrischen-nuklearwaffen/
  13. Siehe meine Iran-Updates vom 13.1.2018: https://www.conservo.blog/2018/01/17/iran-updates-trump-ein-ayatollah-im-krankenhaus-und-narkoterror/
  14. Focus Online, 16.1.2018: „Sie sollen israelische Ziele im gesamten Bundesgebiet ausgespäht haben“ https://www.focus.de/politik/deutschland/polizei-stuermt-wohnungen-iranischer-agenten-israelische-ziele-im-gesamten-bundesgebiet-ausgespaeht_id_8306083.html
  15. n-tv, 16.1.2018: „Bundesanwaltschaft jagt iranische Agenten“  https://www.n-tv.de/politik/Bundesanwaltschaft-jagt-iranische-Agenten-article20234119.html
  16. Fox News, 9.10.2017: „Iran attempted to buy nuclear technology illegally 32 times, German agency says“ by Benjamin Weinthal http://www.foxnews.com/world/2017/10/09/iran-attempted-to-buy-nuclear-technology-illegally-32-times-german-agency-says.html
  17. Der Tagesspiegel, 4.7.2016: „Iran will mit allen Mitteln die Atombombe“ von Frank Jansen http://www.tagesspiegel.de/politik/verfassungsschutz-iran-will-mit-allen-mitteln-die-atombombe/13829050.html
  18. n-tv, 11.1.2018: „EU stellt sich hinter Atomabkommen mit Iran“ https://www.n-tv.de/politik/EU-stellt-sich-hinter-Atomabkommen-mit-Iran-article20226263.html

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*) Der bekannte Blogger Adrian F. Lauber ist seit November 2017 regelmäßig Autor auf conservo.

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