ORA ET LABORA auch mit 60 PLUS?

(www.conservo.wordpress.com)

Von Trucker Ulfried

Meine letzte Reise als Trucker? Der Peter hat mich durchschaut (lol),

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Einschub Peter H.: Ich hatte am 26.6. geschrieben: „@ Ulfried, Theresa: Da schreibt der alte Haudegen doch tatsächlich: „…wohl meine letzte Tour…“

Ha, ha, das hat der liebe Ulfried schon (gefühlt) zehnmal geschrieben, sitzt dann ein paar Tage oder Wochen zuhause, betreibt seine Landwirtschaft — ABER DANN packt´s ihn wieder. Ein LKW muß her, und Ulfried geht wieder auf Tour. Wetten, daß das diesmal auch wieder so kommt!

Ich wünsche Dir, lieber Ulfried, von Herzen Glück, Freude – und bei Deinen Aktivitäten stets auch Gottes Segen!

(Und nun warten wir gespannt, wann sich das Rad erneut dreht…)“

Und wie Sie sehen, liebe Leser, hielt´s den lieben Ulfried diesmal gar nicht lange zuhause. Hier geht sein Bericht weiter:(Einschub P.H. Ende)

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(Ulfried) Ja es ist kein Zuckerschlecken auf den Straßen Europas, doch einmal Trucker – immer Trucker.

Als Senior-Trucker (fast 67, bin Jungfrau) hat es einen eigenen Reiz, immer wieder gebraucht zu werden. Manchmal hab ich das Gefühl; eh Alter, du mußt dich doch mal zur Ruhe setzen. Und dann kribbelt es wieder. Das ist wie eine (kleine) Sucht. Deshalb möchte ich euch hier einen kleinen Einblick geben.

Mein früherer Chef rief an und fragte, ob ich mal wieder ´ne Woche für ihn fahren kann. Okay, ich mach das, und was ich sage, dazu stehe ich. Und so hab ich am Montag einen Mercedes-Actros Sattelzug übernommen und mich auf eine Woche vorbereitet.

Da muß das Bett hergerichtet werden, alles muß verstaut werden, und die Elektronik wird eingerichtet. Die Fahrerkarte wird eingelesen, und dann kommt die Überprüfung vor dem Start. Alles im grünen Bereich. Und dann der Fahrauftrag: Nach Heilbronn Trailer tauschen und dann nach Sint Niklaas (Belgien Ostflandern) abladen. Das sind 560 Km. Dort neue Ladung aufnehmen und zurück nach Heilbronn.

Ich wußte nicht, was mich in Sint Niklaas erwartet, also ob ich dort einen Platz für meine Ruhepause finde. Ich hab‘s riskiert, und Bingo, ich hatte einen tollen Parkplatz gefunden. 11 Stunden Pause, dann bin ich reingefahren in die Firma, und es hat alles ganz toll geklappt auch mit der Rückladung nach Heilbronn.

Hier muß ich erwähnen, warum das mit dem Parkplatz klappen „muß“. Es gibt eine Verordnung der EU über Lenk- und Ruhezeiten. Wenn du deine Lenkzeit überziehst, ist das 28 Tage relevant und du wirst gnadenlos abgezockt. Das geht in die Tausende Euro. Daß du rechtzeitig keinen geeigneten Parkplatz gefunden hast, interessiert die Abzocker nicht, die wollen halt nur mein „Bestes“. Machst du zu früh Pause, schaffst du deine Tour nicht.

In Heilbronn ausgeladen, bin ich zur nächsten Ladestelle in Haßmersheim. Dort leeren Trailer gegen vollen tauschen und nach Niederlande Wolvega. Das ist in der wunderschönen niederländischen Provinz Friesland. Unsere Theresa wird mir recht geben; Die Provinz Friesland in den Niederlanden ist eine der schönsten Gegenden dort, gell Theresa?

Zur Fahrt dahin will ich ein paar Bemerkungen machen.

Der LKW ist ein fahrender Computer. Du bist ständig Satelliten-überwacht. Bei den langen Strecken auf den Autobahnen wird der Autopilot (Tempomat) eingeschaltet. Der hält das eingegebene Tempo und bremst den LKW automatisch (per ACC) ab, wenn der Vordermann bremst. Bergab kann ich zusätzlich den Retarder einschalten in 5 verschiedenen Bremsstufen. Doch auch das ACC- System bremst mich ab, wenn der LKW vor mir verzögert.

Gut, in Niederlande brauche ich das kaum, weil die „Berge“ dort sehr flach sind (lol).

Es ist auch interessant, wenn der Höhenmesser plötzlich „minus“ anzeigt. Dann biste unter Meeresspiegel-Niveau. Das gibt es nur in „Holland“.

In Wolvega habe ich in der Tin-Straat übernachtet.

Die MAUT brauchte ich nicht selbst einzubuchen, das hab ich mit dem Disponenten abgesprochen, und der hat mich per Internet eingebucht.

Punkt acht Uhr Entladung und dann weiter nach Antwerpen in Belgien, das sind 270 Km.

Kurz vor der belgischen Grenze mußt du das Maut-Gerät an Strom anschließen, und dann fängt es an zu notieren. Vergißt du das… Problem mit Douane.

Dann mußt du in der Hafen-Einfahrt Maut bezahlen (mit DKV bspw.), die Schranke öffnet sich und dann 5 Km bis zum Lade- Kai.

Im Antwerpener Hafen von Kallo dann 22 Tonnen Bananen laden und damit nach Stuttgart zum Großmarkt.

Das geht so: Du parkst den LKW auf der Straße vor der Hafen-Einfahrt. Der Hafen von Antwerpen ist riesig. Angekommen an der Ladestelle im Hafen – Check-in! Dann sind Sicherheitsschuhe, Warnweste und Helm angesagt. Du füllst dein Formular mit allen Daten aus (auch den Namen des Schiffes), bekommst einen Code und kannst dann reinfahren. Die Schranke öffnet sich, wenn du den zugewiesenen Code eingibst. Dann Beladung und Papiere im Büro abholen. Dort bekommst du wieder einen Code und damit öffnet sich die Schranke. Jetzt fahre ich zur Hafenausfahrt in Richtung Deutschland (Aachen). Ausgeschildert in flandrisch AKEN. An der Hafen-Ausfahrt dann wieder zahlen („TOLL“) wieder mit DKV. Und dann geht’s langsam, weil Stau. Und das permanent. Bin bis zur A61 (Rheinland-Pfalz) gekommen Ri. Ludwigshafen und Pause 9 Stunden.

6:00 weiter nach Stuttgart. Dort entladen und ab nach Hause. Okay, ich bin Rentner und müsste mir das nicht antun. Ich kann auch mal nein sagen, leider können das die jungen Kollegen nicht.

Doch da ich eingesprungen bin, konnte ein junger polnischer Kollege mal bei seiner Familie sein. Als ich dessen LKW übernahm, öffnete ich die untere Schublade und fand eine Bibel NEUES TESTAMENT in polnischer Ausgabe. Na, das ist doch super! Was kann da schon schief gehen?

Hab in der einen Woche fast 3.500 Km zurückgelegt. Es ist einesteils schön und andererseits Streß. Peter glaubt mir nicht, daß es meine letzte Tour war. Manchmal glaube ich mir selber nicht. Doch meine Maria ist schwer krank und braucht mich jetzt. Leider ist die Rente nicht üppig, die ich nach 50 Jahren harter Arbeit bekomme. Fast wie Almosen. Flaschen sammeln möchte ich nicht. Ich vertraue auf Jesus Christus – fest und unerschütterlich. Kann ja alles nur besser werden. Packen wir´s an???

ORA ET LABORA

Euer Trucker Ulfried

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Kommentar conservo: Lieber Ulfried, danke für Deinen spannenden Bericht. Ich finde es bewundernswert, wie Du Dein Alter meisterst. Andere sitzen zuhause auf dem Sofa, Du „auf dem Bock“.

Dein Gottvertrauen ist unerschütterlich. Auch damit bist Du ein Vorbild.

Ich freue mich mit Dir, daß Du wieder heil zuhause angekommen bist, und wünsche vor allem Deiner lieben Frau von Herzen eine bessere Gesundheit.

Und dann warten wir auf den nächsten Reisebericht…

Liebe Grüße, Peter H.

www.conservo.wordpress.com     28.06.2020
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Conservo-Redaktion