Ukraine / Liane Bednarz: Der Papst unterwirft sich dem Bösen? Komm mal wieder runter!

Michael van Laack

Ich schätze Liane Bednarz sehr. In der Frage der Solidarität mit der Ukraine stehen wir auf derselben Seite. Ihr journalistisches Engagement für dieses geschundene Land und seine leidende Zivilbevölkerung ist bewundernswert. Auch bei der Bewertung der AfD mit Blick auf die Tatsache, dass sich die Bürgerlichen nicht vom Flügel distanzieren wollen oder können und deshalb die ganze Partei sich vorwerfen lassen muss, sie stütze sich Sozialpatrioten nennende nationale Sozialisten, sind wir d’accord.

Und sogar in der Frage (auch wenn sie sich als evangelische Christin eigentlich darüber keinen Kopf machen müsste), dass wir mit Papst Franziskus einen zum Sozialismus neigenden traditionsfeindlichen Befreiungstheologen auf dem Stuhl Petri sehen, der der Kirche mit seinen indifferenten und unnötig zugespitzten Aussagen und Interviews mehr schadet als nutzt, passt zwischen uns gewissermaßen kein Blatt Papier.

Ein vergifteter Tweet

Was Liane Bednarz aber heute (02.10.22) über Twitter verbreitet hat, ist ein sowohl in sich vergifteter als auch den Diskurs vergiftender Tweet; zweifellos geschrieben aus einer gewissen Verbitterung über all jene Putinisten, die die Verbrechen des Faschisten im Kreml negieren oder verharmlosen und der Ukraine zu einem Diktatfrieden raten. Doch eine kluge Frau wie sie darf sich nicht dazu hinreißen lassen, alles und jeden beim Thema Verhandlungen über einen Kamm zu scheren.

Nicht der Papst schreibt auf Russisch, wie Mareile (die ihren Teil des hier abgebildeten Tweets mittlerweile gelöscht hat – Stand. 03.10.22) erklärt, sondern sein Mediateam. Allerdings ist das in der Tat ein Fauxpas, der nicht passieren darf. Richtig ist auch: In seiner Ansprache vom Papst ein Spagat versucht, bei dem man sich auf den ersten Blick nur einen Leistenbruch zuziehen kann, wenn es heißt:

“Betrübt über das unermessliche Leid des ukrainischen Volkes infolge der Aggression appelliere ich mit gleichem Vertrauen an den Präsidenten der Ukraine und fordere ihn auf, offen für ernsthafte Friedensvorschläge zu sein.”

Im Kontext ergibt sich ein anderer Sinn

Man kann diesen päpstlichen Tweet, der Teile seiner Ansprache zum Angelus wiedergibt, aber nicht ohne die vorausgehende Tweets, die ich hier zusammengefasst biete, lesen und verstehen.

Der Krieg in der #Ukraine ist so ernst und bedrohlich geworden, dass er Anlass zu großer Sorge gibt. Im Namen Gottes und im Namen der Menschlichkeit, die allen Herzen innewohnt, erneuere ich meinen Aufruf zu einem sofortigen Waffenstillstand!

Ich bedauere zutiefst die Situation, die jüngst aufgrund weiterer Handlungen, die den Grundsätzen des Völkerrechts widersprechen, entstanden ist. So erhöht sich das Risiko einer nuklearen Eskalation mit unkontrollierbaren und katastrophalen Folgen weltweit.

Man muss Lösungen finden, die nicht gewaltsam durchgesetzt werden, sondern einvernehmlich, gerecht und stabil sind und auf der Achtung des Menschen sowie der Souveränität und territorialen Integrität jedes Landes und der Rechte von Minderheiten basieren.

Mein Appell richtet sich in erster Linie an den Präsidenten der Russischen Föderation und bittet ihn, diese Spirale der Gewalt und des Todes auch um seines Volkes willen zu stoppen.

Brückenbauer, nicht Brückensprenger!

Pontifex heißt Brückenbauer. Als ein solcher muss sich jeder Papst in jeder Situation verstehen und tut es auch. Franziskus macht sich große Sorgen um den Frieden in der Welt. Das darf man ihm nicht absprechen. Doch in der Tat ist da auch eine gewisse Hilflosigkeit, die aus ihm spricht; denn wie NATO, EU und Bundesregierung sieht er zwar das Ziel, aber der Weg dahin liegt für ihn im Dunkel.

Definitiv stellt sich Franziskus nicht auf die Seite des Bösen, um in Liane Bednarz’ Wording zu bleiben. Er fordert die Ukraine nicht zu einem Diktatfrieden auf, sondern ruft lediglich in Erinnerung, was jeder Diplomat sofort unterschreiben würde: sei bereit zu Verhandlungen, wenn ernsthafte Friedensvorschläge auf dem Tisch liegen.

Der Hammer Gottes ist nicht immer das richtige Werkzeug!

Wie alle anderen Menschen weiß der Papst selbstverständlich, dass Putin nicht einmal im Traum daran denkt, sich aus der Ukraine zurückzuziehen.

Was aber erwartet Liane Bednarz von ihm? Dass er mit den gleichen scharfen Worten wie mancher Regierungsschef, Minister oder Mandatsträger oder sie selbst Putin und Russland verurteilt? Das könnte massive Repressionen gegen die ca. eine Million katholischer Christen in Russland zur Folge haben, deren Status schon seit Jahren nicht der allerbeste ist.

Die Äußerungen von Franziskus als vom Hass auf den westlichen Kapitalismus motiviert zu erklären, ist eine Liane Bednarz unwürdige Argumentation, die in der Ukrainefrage jeglicher Grundlage entbehrt und sich aus dem Kontext der Worte des Papstes definitiv nicht ergibt.

Und so bleibt mir zum Schluss nur noch zu sagen: Gut, dass ich niemals erwogen habe, evangelisch zu werden. Denn sonst würde ich heute nicht hier stehen und einen Papst, gegenüber dem ich in theologischen Fragen viele Vorbehalte habe, gegen eine evangelische Christin verteidigen, die sich in dieser Causa mehr als nur im Ton vergreift und die ich deshalb auf diesem Wege bitte, ihren mehr als nur missverständlichen Tweet zu löschen.

*****

Sie lesen gern die Debattenbeiträge, Analysen, Satiren und andere Inhalte,
die wir Ihnen auf conservo bieten?
Dann können Sie unser Engagement hier per PayPal unterstützen: