Chinas Griff zum Hamburger Hafen: Scholz verstärkt die Fehler Merkels

Peter Helmes

Während Merkels Kanzlerschaft wurden die Wirtschaftsbeziehungen zwischen China und Deutschland weiter ausgebaut. Menschenrechte wurden bei den Reisen der Kanzlerin eher diskret adressiert. Seit Jahren ist China unser wichtigster Handelspartner in der Welt – und wir sind für die Volksrepublik der wichtigste in Europa.

Welche Gefahr darin steckt, machten Vertreter der deutschen Geheimdienste erst vor wenigen Tagen in ungewöhnlich drastischen Worten bei einer öffentlichen Anhörung durch das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags deutlich. Dort sprach der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Bruno Kahl, zunächst über den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Dann aber rechnete er mit der deutschen China-Politik ab. Obgleich von einem „zur Globalmacht aufsteigenden autokratischen China“ eine erhebliche Bedrohung ausgehe, seien die deutsche Politik und Gesellschaft zu vertrauensselig gewesen und hätten sich „in eine schmerzhafte Abhängigkeit“ begeben.

Auch der Präsident des Bundesverfassungsschutzes, Thomas Haldenwang, machte in der Anhörung klar, daß er China für die größte Gefahr hält: „Russland ist der Sturm, China ist der Klimawandel.” Es ist nicht Haldenwangs erste Warnung. Bereits zuvor hatte er in einem Interview mit dem Südwestrundfunk gesagt: „Langfristig gesehen könnte sich China auch zum Gegner Nummer eins entwickeln.“

Olaf Scholz hat schon wieder ein „Machtwort“ gesprochen

Er wollte die Beteiligung des chinesischen Terminalbetreibers Cosco am Hamburger Hafen auf alle Fälle durchdrücken. Der sozialdemokratische Regierungschef hatte dabei nicht nur sechs Ministerien und die Opposition gegen sich. Auch aus den Sicherheitsbehörden und  ebenso aus der EU-Kommission wurden die Warnungen vor China immer lauter.

Scholz scheint Merkels Fehler fortführen zu wollen

Der Fall des Hamburger Hafens ist dafür ein Lehrbeispiel. Dessen Terminalbetreiber HHLA (gehört mehrheitlich der Stadt Hamburg) wollte 35 Prozent des Containerterminals Tollerort an die staatliche chinesische Reederei COSCO verkaufen. Da es sich um kritische Infrastruktur handelt, mußte die Bundesregierung den Erwerb jedoch genehmigen. Nach Informationen von WDR und NDR wollte das Kanzleramt von Anfang an die Genehmigung erteilen.

Das chinesische Staatsunternehmen COSCO (China Ocean Shipping Company) ist eine der größten Reedereien der Welt und betreibt selbst Containerterminals. Ursprünglich (seit Mitte 2021) war mit der Hamburger Hafengesellschaft HHLA vereinbart, daß COSCO eine Beteiligung von 35 Prozent an einem der Hamburger Terminals übernehmen soll – am Containerterminal Tollerort (CTT). An der HHLA ist wiederum die Stadt Hamburg mit 69 Prozent beteiligt.

COSCO spinnt immer meh Fäden und wartet geduldig im Handelsnetz

Der CTT ist der kleinste von vier Containerterminals im Hafen. Insgesamt wurden in der Hansestadt im vergangenen Jahr 8,7 Millionen Standardcontainer umgeschlagen, davon am CTT 1,2 Millionen. COSCO und HHLA haben eine langjährige wirtschaftliche Beziehung, seit 40 Jahren fahren COSCO-Schiffe das Terminal von HHLA an.

Eine chinesische Beteiligung am Hamburger Hafen wäre nicht die erste in Europa. COSCO hält bereits Minderheitsbeteiligung in den Häfen von Rotterdam, Amsterdam, Bilbao, Valencia und Istanbul. Im Zuge der Finanzkrise hat die Reederei den griechischen Hafen Piräus übernommen, zunächst ebenfalls aus einer Minderheitsbeteiligung heraus. Für die Hafenanlage hatte 2019 die Europäische Investitionsbank COSCO einen dreistelligen Millionenbetrag für den Ausbau zur Verfügung gestellt.

Scholz´ Morgengabe für China

Die Entscheidung mußte in dieser Woche vom Bundeskabinett getroffen werden. Der Bundeskanzler wollte die Beteiligung unbedingt, da er schließlich in der nächsten Woche zum ersten Mal als Bundeskanzler nach China reist. Scholz wollte deshalb keinesfalls eine  Untersagung akzeptieren, sondern die Beteiligung am Hamburger Hafen sollte sozusagen als Morgengabe in sein Reisegepäck.

Aber unserem Land erweist der Bundeskanzler mit diesem Regierungsstil gleich in mehrfacher Hinsicht einen Bärendienst. Zum einen gibt er sein Kabinett der Lächerlichkeit preis. Wenn es darauf ankommt, haben sie nichts zu sagen. Zum anderen verweigert er – wie so oft – ganz einfach eine öffentliche Begründung für seine Haltung. Und zum dritten: Dieser Erwerb an der Terminalgesellschaft berührt zutiefst die Sicherheitsinteressen unseres Landes.

Immerhin bekommt der chinesische Staatskonzern mit dieser Beteiligung Zugang zu wesentlichen Daten des Frachtverkehrs im Hamburger Hafen. Und das exakt zu dem Zeitpunkt, an dem die Kommunistische Partei in China ihren aggressiven Ton in der Außenpolitik erneut verschärft und mit einem Krieg gegen Taiwan droht.

Bundeskanzler Olaf Scholz wird Anfang November mit einer Wirtschaftsdelegation nach China reisen. Die Einigung innerhalb der Regierungskoalition gilt als wichtiges politisches Signal an China. Konsequenterweise hatte Scholz beim EU-Gipfel Kritik an der geplanten chinesischen Beteiligung am Hamburger Hafen zurückgewiesen.

Nächstes Problem: Ausbau der Erneuerbaren Energien

Völlig offen ist auch die Frage, wie sich die Abhängigkeit von China beim Ausbau der erneuerbaren Energien verhindern läßt. Vermutlich gar nicht. Über 90 Prozent aller Solarzellen, die in Deutschland verbaut werden, kommen aus China.

Das Bundeskabinett hat gestern, wie von Scholz geplant, die Beteiligung der chinesischen Staatsreederei Cosco an einem Container-Terminal im Hamburger Hafen gebilligt. Damit hat die Bundesregierung allerdings nur grünes Licht für einen Kompromiß gegeben: Statt der geplanten 35 Prozent soll COSCO nur einen Anteil von 24,9 Prozent erhalten. Formal bekommt der chinesische Staatskonzern damit kein Mitspracherecht in Strategiefragen. Die Skepsis in einigen der beteiligten Ministerien, unter anderem dem Wirtschaftsministerium und dem Außenministerium, war und bleibt aber groß.

Zu dieser Entscheidung drei Kritikpunkte:

  • Sie verstärkt die Abhängigkeit von China
  • Sie bestärkt die Führung in Peking in ihrer Überzeugung, daß ihre Politik der Einschüchterung funktioniert
  • Sie isoliert Deutschland in Europa, wo keiner versteht, daß sich ausgerechnet das größte Land der EU von einer Abhängigkeit in die nächste stürzt, zum Schaden der gesamten Union

Die Europäer spielen einmal mehr mit

Bleibt noch zu ergänzen, daß nicht allein Deutschland naiv war und ist. Viele europäische Länder erlaubten den Chinesen schon, Betriebe und Infrastruktur unter ihre Kontrolle zu bringen (was den Europäern in China verwehrt bleibt). Deshalb konnte Cosco im Fall Hamburg mit der Verschiebung des Geschäfts in andere Häfen drohen. So aber sollten die Europäer sich nicht gegeneinander ausspielen lassen.

Bundeskanzler Scholz brüskiert damit nicht nur FDP und Grüne, er agiert auch gegen den Rat von Wirtschaftsexperten, die auf mehr Distanz und auch Härte gegenüber China drängen. Zu schnell ließ sich Scholz da auf die Spielregeln eines Regimes ein, das uns die Regeln aufzwängen will.

Warnung in den Wind gepfiffen

Der Erwerb von Anteilen am Containerterminal Tollerort durch die chinesische Staatsreederei COSCO erweitert den strategischen Einfluß Chinas auf die deutsche und europäische Transportinfrastruktur sowie die deutsche Abhängigkeit von China unverhältnismäßig

heißt es in einer mir vorliegenden Protokollnotiz, die das Auswärtige Amt im Kabinett einbrachte. Nach Informationen aus Regierungskreisen schlossen sich auch die FDP-geführten Ministerien sowie das Bundeswirtschaftsministerium der Notiz an. Doch das alles prallte an Scholz´ Sturheit ab.

So sprach u.a. sich Justizminister Marco Buschmann (FDP) gegen den Teilverkauf aus. Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen hatte mit Blick auf den COSCO-Einstieg vor neuen Abhängigkeiten gewarnt. Man habe gelernt, „dass Abhängigkeiten von Ländern, die dann möglicherweise ihre eigenen Interessen in diese Abhängigkeiten hineinspielen, also uns dann erpressen wollen, nicht mehr nur ein abstraktes Phänomen sind, sondern – Gas/Russland – Realität in dieser Welt sind“. Habeck betonte: „Wir sollten diese Fehler nicht wiederholen.“

Mit dem Einfluß der KP sinkt die Verlässlichkeit der Unternehmen

Vor Gefahren für die kritische Infrastruktur in Deutschland warnte ebenfalls Omid Nouripour, Co-Vorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, und betonte im Dlf, daß durch den Teilverkauf der chinesische Staatskonzern COSCO zu viel Kontrolle und zum Beispiel Einsicht in kritische Unterlagen erhalten würde. Außerdem könne der Konzern dann darüber entscheiden, ob taiwanesische Frachter in Hamburg andocken dürften oder nicht. Auch warnte Nouripour vor einer möglichen Einflußnahme durch den chinesischen Staat: „Es gibt eine große Reihe an Beispielen für Firmen, die sehr verläßlich waren, bis die KP China und die Staatsführung beschlossen hat, jetzt nehmen wir mal Einfluß.“

Peking würde umgekehrt niemals zulassen, was Cosco in Hamburg erreicht hat. Das Regime macht Firmen, die im Reich der Mitte aktiv sind, das Leben schwer. Der Fall Cosco müßte deshalb Anlaß sein, auf nationaler wie auf europäischer Ebene eine Strategie im Umgang mit China zu finden.

Ein Blick auf das Handelsvolumen

Mit einem Gesamtvolumen von 246 Milliarden Euro ist China Deutschlands wichtigster Handelspartner. Der Anteil am Außenhandel mit China hat sich seit 2002 verdreifacht, von 3,8 auf 9,1 Prozent.

Indien, der andere große Markt, gilt noch nicht als Ersatz. Klar ist, daß ein Ende des Handels mit China oder gar ein Wirtschaftskrieg wirtschaftliche Schäden für Deutschland nach sich ziehen würde. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt würde um 0,5 bis 0,8 Prozent sinken, weil vor allem High-End-Produkte nach China exportiert werden: Autos, Elektronik und auch Vorprodukte.

Die Bundesregierung hat eine neue China-Strategie angekündigt, die Diskussion um die COSCO-Beteiligung zeigt, daß dies notwendig und drängend ist. Erst im September hatte Außenministerin Annalena Baerbock davor gewarnt, gegenüber China die gleichen Fehler zu begehen wie bei Russland. Doch Scholz scheint unbelehrbar!

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