Volksabstimmung Schweiz: Ein Fall für die Kavallerie

CHGastkommentar von Waldemar Pabst

Manchmal erinnerte es an die Geschichte mit dem kleinen Dorf, das sich dem vereinnahmenden römischen Imperium widersetzte, weil es seine Eigenständigkeit behalten wollte. Die Schweiz und ihre Zuwanderungsabstimmung. Nur dass Gut und Böse die Rollen tauschten. Jedenfalls im unisono Aufschrei von Politik und Medien über ganz EUistan verteilt. Die Aufregung am Tage nach dem 30.01.1933 ist auf dem Kontinent wahrscheinlich eher kleiner gewesen.

Da nur die wenigsten sich die Mühe gemacht haben werden, nachzulesen, was da eigentlich beschlossen wurde und der Einheitsbrei deutscher Medien dies für sich behielt, blieb dem unbefangenen Beobachter der Eindruck, hier hätte ein Land radikal die Grenzen zu gemacht, auf das alle Hungernden und Frierenden dieser Welt von nun vor dem vollen Boot ertrinken müssten, während letzteres sich schnell rudernd aus der europäischen Zivilisations- und Wohlstandsphäre Richtung Bergfestung entfernte.

Nun soll gar nicht der Inhalt der Schweizer Abstimmung Thema sein, darüber lassen sich andere zur Genüge aus. Tatsächlich hat das Land einen Ausländeranteil von 23% und bei knapp 8 Mio Einwohnern eine jährliche Zuwachsrate um 80.000, was auf deutsche Verhältnisse umgerechnet mehr als 800.000 Zuwanderer im Jahr bedeuten würde. Nicht wenige von denen sind Germanen, die auch spezielle Sitten und Gebräuche mitbringen. Zumindest erscheint es legitim, wenn die Menschen dort ihre Identität behalten möchten und dies ihnen wichtiger erscheint, als den Wünschen von Unternehmen zu folgen, die sich ihr Personal lieber frei aus aller Welt zusammen suchen wollen. Darüber zu befinden, ist Angelegenheit der Schweizer und nichts anderes haben sie getan. Ob dies für die Schweiz gut oder schlecht war, bleibt ihr Problem.

Viel spannender sind die massiven hiesigen Reaktionen, vor allem ihr Motiv, die den ganzen Tag auf einen einströmen. Da gibt es Ralf Stegner, der sich in der Rolle des Sozikotzbrockens gefällt und wohl das Twittern erlernt hat. “Die spinnen, die Schweizer!” und “Geistige Abschottung kann leicht zur Verblödung führen”, gab er zum Besten, disqualifizierte nur sich selber, entlarvte seine Wut, dass andere, die nie von ihm gehört haben werden, sich glatt für gegenläufige Ansichten entschieden. Letztlich ragte Stegner nur durch die ihm eigene Primitivität aus den Aussagen der anderen heraus. Mögen sie Schäuble (die Abstimmung würde eine Menge Schwierigkeiten für die Schweiz verursachen), Brok (die Schweiz genießt große Vorteile, weil sie ein Stückchen in die Europäische Union integriert ist) oder gar Möchtegern-EU-Diktator Schulz heißen (der ermahnte gleich die Schweizer, sie könnten nicht nur die Vorteile des großen europäischen Binnenmarktes für sich in Anspruch nehmen).

All diesem gemeinsam ist Arroganz, vor allem die blinde Überschätzung der eigenen Position. Tatsächlich ist die EU des Jahres 2014 ein höchst fragiles Gebilde, das über dem ökonomischen Abgrund tanzt, in der heutigen Form von seinen Bevölkerungen mehrheitlich abgelehnt werden dürfte, gut, dass nicht überall Schweiz ist, dessen überbordende machtgierige Bürokratie unersättlich täglich neue Gängelungsverordnungen ersinnt, um die eigene hochbezahlte Existenzberechtigung zu beweisen, deren Organe, außer dem machtlosen Parlament, allesamt keinerlei demokratische Legitimation aufweisen, dafür aber den Hang zur immer weniger sanften Diktatur immer offener zeigen.

Jetzt kommen einfach die Schweizer, wollen diese EU Bürger nicht schrankenlos in ihrem Land und zeigen vor allem eines, dass dieser tolle Binnenmarkt und seine angeblichen Vorteile gar keine Attraktivität für sie aufweist. Darum die Wut der Berufseuropäer und ihrer Schreiberlinge, der Kaiser ist nackt, jeder weiß es, nur keiner wagt es auszusprechen. Einzig Ukrainer streben zur EU, doch nur, weil sie die Lebensversicherung gegen Putins Expansionismus wäre, was verständlich ist. Politik und Medien überschütten jeden, der das offen sagt, mit Wut und Populismusvorwurf, weisen dem absterbenden Beamtenkraken aus Brüssel die Rolle des europäischen Friedensstifters zu, als würden die SoldatInnen der deutschen Windradrepublik in Regenbogenuniform Frankreichs Alleen bevölkern, mahnte man eine grundlegende Reform Europas an. Die Ausgrenzung jedes Ansatzes, dass der jetzige Weg zur Abgabe von immer mehr Kompetenzen an immer anonymere Brüsseler Behörden der falsche Weg wäre, hat einen antiwestlichen Verein wie die AfD gestärkt und schwächt die CDU, deren Mitglieder nicht zu artikulieren wagen, was sie denken.

Die Schweizer scheren sich ganz öffentlich nicht darum, was ihnen jetzt erspart, pardon versperrt, bleiben könnte. Darum träumt jeder anständige EU-Apostel am Tag danach von Steinbrücks Kavallerie, die die Verhältnisse wieder zurecht rücken würde. Auf dass nicht das Beispiel Schule machte, auch hier Menschen auf die Idee kämen, dass man der EU die Zunge rausstrecken könnte; noch ist die Meinungsfreiheit garantiert, selbst wenn deren Einschränkung das nächste Projekt von findigen Brüsseler Arbeitsgruppen sein mag.

Was lernen wir noch? Volksabstimmungen sind eine Sache für sich. Was bei ihnen herauskommt, ist unberechenbar. Hatte nicht gerade die SED, die jetzt in ihrem grenzenlosen wirtschaftlichen Unverstand nach der Schließung der Grenzen für den Kapitalverkehr in die Schweiz schreit, noch vor kurzem “Mehr Schweiz wagen” gefordert und Volksabstimmungen gemeint? Die Luckes, die jetzt frohlocken, würden sich schnell umsehen, wenn wirklich über alles direkt abgestimmt werden könnte. Wer heute profitiert und erwartungsfroh mehr direkte Demokratie fordert, stößt sich morgen das Näschen. Volkes kurzfristige Meinung ist ein Blatt im Wind, die Väter des Grundgesetzes, die alle noch die Begeisterung der Deutschen für die Nazis selber kannten, durchaus auch von sich selber, haben sie nicht zur Grundlage von Politik machen wollen. Das ist auch gut so!

(http://schwarzoderweiss.wordpress.com/)

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