Der Hauptirrtum des II. Vatikanums: extra Ecclesiam salus est

(www.conservo.wordpress.com)

von Eberhard Heller *)

Die Frage ist: Unter welchem Prinzip kann man den Gesamtprozeß der           II. vatikanischen Reformen und deren Weiterentwicklung (incl. der entsprechenden Dokumente) subsummieren? Die nachfolgenden Ausführungen zu deren Beantwortung bitte ich nur als gedankliche Skizze, als Stichpunktsammlung zu betrachten und nicht als durchgeführte Abhandlung.

Wenn man die Vorgänge, die von den Reformern initiiert und durchgeführt wurden, über all die Jahre seit 1965 – und das sind inzwischen knapp 40 Jahre! –  verfolgt hat, dann hat sich meiner Meinung nach folgendes Prinzip als zentrales Moment dieses Prozesses herauskristallisiert:

die Aufgabe des Absolutheitsanspruches der katholischen Kirche als Heilsinstitution, einen Anspruch, welcher das bisherige, über 2000 Jahre geltende Selbstverständnis betrifft und welchen die Kirche in ihrer Geschichte gegen alle Widerstände bisher durchgehalten hatte – ein Hauptärgernis für die Freimaurerei.

D.h. die Offenbarung Gottes wird ihres eigentlichen Anspruchs, die einzig gültige Herabkunft der lebendigen Wahrheit, die Inkarnation des absolut Guten und Wahren zu sein, beraubt. Und es wird geleugnet, daß die Kirche die einzig wahre, legitime Trägerin und Verwalterin dieses Glaubensgutes ist. Es geht hier nicht mehr bloß um die Aufgabe einzelner Glaubenssätze, bestimmter liturgischer Formen oder bestimmter moralischer Geltungsansprüche, sondern um eine zentrale Neubestimmung der Kirche im Verhältnis zur Welt und zu anderen Religionen.

Den folgenreichsten Ausdruck dieses Verrates an Gott, an seiner Menschwerdung – “und das Wort ist Fleisch geworden” (Jo 1, 14) – und der von ihm gegründeten Kirche findet man in den immer wiederkehrenden Aussprüchen Johannes Pauls II. “Wir glauben an den gleichen Gott” nämlich Christen, Juden und Mohammedaner, wodurch diese Religionen auf die gleiche Stufe gestellt werden wie das Christentum, womit Gottes Gebot übertreten wird: “Du sollst keine fremden Götter neben mir haben.” (1. Gebot) (Ich habe schon darauf hingewiesen, daß eine solche Aussage eine implizite Apostasie enthält; denn Christus hat gesagt: “Keiner kommt zum Vater außer durch mich” (Jo 14,6), denn: “Wer den Sohn nicht hat, hat auch den Vater nicht!” (1 Jo 2,23), weil ich “der Weg, die Wahrheit und das Leben” bin.

Die Relativierung des Absolutheitsanspruches der Kirche war schon in dem in der Enzyklika “Pascendi dominici gregis” des hl. Pius X. verurteilten Modernismus vorgeformt.

Als bestimmendes Moment wird die Aufgabe des Absolutheitsanspruches der Kirche manifestiert in den Dokumenten des II. Vatikanums. In ihnen schlägt diese Auffassung durch, daß die Kirche nicht die allein seligmachende Heilsinstitution ist. So heißt es z.B.:

“Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime, die den alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat” (“Nostra Aetate”, Art. 3). Ferner: “Der Heilswille umfaßt aber auch die, die den Schöpfer anerkennen, unter ihnen besonders die Muslime, die sich zum Glauben Abrahams bekennen und mit uns  den einen Gott anbeten, den barmherzigen, der die Menschen am Jüngsten Tag richten wird” (“Lumen gentium”, 16. Kap.) Diese leitende Idee mag nicht immer expressis verbis formuliert worden sein, aber sie zieht sich durch die gesamte nachkonziliare Entwicklung wie ein roter Faden.

Man begann den Anspruch, die wahre, einzige, von Gott geoffenbarte Wahrheit zu besitzen und die von ihm gegründete und bevollmächtigte Kirche zu sein, aufzugeben, indem man zunächst deren Wahrheiten relativierte und sie an andere (theologische) Auffassungen anzugleichen bzw. anzupassen versuchte oder sie ganz aufgab. Als Vorläufer dieser Entwicklung kann man rückblickend “Pacem in terris” von Johannes XXIII. ansehen und das Dekret über die Religionsfreiheit, in dem den anderen Religionen Existenzrechte eingeräumt werden.

Bereits die erste große Liturgiereform ist davon erfaßt. Zum Ausdruck kam die Relativierung des Glaubens bereits in der Fälschung der Wandlungsworte im sog. N.O.M., in dem durch das “für euch und für alle” Gottes Heil auf alle bezogen wird, ohne daß der einzelne sich um die Zueignung dieses Heils bemühen muß. Wobei betont werden muß, daß sich Gottes Heilsangebot zwar an alle richtet, aber nicht von allen in Anspruch genommen, ja direkt abgelehnt wird. (Letztlich wird so das Kreuzesopfer, durch das Sühne geleistet wurde und durch welches das Schließen des “Neuen Bundes” mit Gott wieder ermöglicht wurde, überflüssig, weil nicht nur die reale Zueignung geleugnet wird, sondern damit zugleich die Notwendigkeit des Sühnopfers überhaupt.) So gab man den zentralen Grundsatz auf, daß die Messe ein wahres Sühnopfer ist, durch deren Mitfeier mir Heil zufließen kann, nicht muß (!) – darum: pro multis, d.s. die vielen, die das Opfer mitfeiern und die sich die Früchte dieses Opfers zueignen wollen -, zugunsten der Vorstellung von einer Allerlösungslehre, die der Opferteilnahme (im eigentlichen Sinne) nicht mehr bedarf, weil alle – pro omnibus – schon im Heil stehen. Der Begriff des Opfers wurde aufgegeben zugunsten eines Gedächtnismahles, das ja auch von allen anderen – und das hieß damals – auch von den Protestanten mitvollzogen werden konnte. Nicht umsonst wirkten sechs protestantische Theologen an der Fassung des sog. Novus Ordo Missae mit, und Roger Schütz, damaliger Prior von Taize, sagte, er könne sich vorstellen, nach dem N.O.M. auch das (protestantische) Abendmahl zu feiern.

Diese Allerlösungslehre findet ihre Ausprägung in der ersten Enzyklika Johannes Pauls II. “Redemptor hominis” seine vorerst feste Formulierung. Das “für euch und für alle” wird in einen Begründungszusammenhang gestellt: weil alle Menschen erlöst sind, darum seid auch ihr (Christen) erlöst. Aus dem “für euch und für alle” wird im Umkehrschluß: weil für alle, darum auch für euch. Diese Auffassung enthebt selbstverständlich diese ‘Kirche’ ihrer bisherigen Pflicht, Propaganda zu betreiben, zu missionieren, weil auch die anderen Religionen (legitime) Heilswege sind, und man beschreitet eben ‘bescheiden’ den Heilsweg, den man traditionsgemäß als den (kulturell) angemessensten hält, eben den ‘christlichen’. Darum kann man gegen die fundamentalistisch eingestellten, intransingenten Christen schreiben: “Jene (Religionen), die sich diesen legitimen Ansprüchen [des Konsens] widersetzen, sind dazu verurteilt, sich zu reformieren oder zu verschwinden.” (s.u.)

Diese Religionsrelativierung ging mit einem fortschreitenden Synkretismus weiter und erhielt ihren ersten Höhepunkt im Treffen in Assisi vom 27.10.1986 (dem dann die weiteren sog. interreligiösen Treffen folgten bis hin zu dem Treffen in Aachen im September dieses Jahres), wo unter Führung dieser Reformer sämtliche Religionsführer (Judentum, Islam, Hinduismus, Buddhismus usw.) unter Betonung ihres Glaubens eingeladen werden, um am Friedensprozeß und der Entfaltung der “Kultur der Liebe” (Johannes Paul II.) am Schicksal der Menschheit mitzuwirken. Man überlege einmal, welch immense Bedeutung man inzwischen dem Buddhismus und seinem Vertreter, dem Dalai Lama, beimißt, der auf keiner dieser interreligiösen Veranstaltungen mehr fehlen darf! (N.b. wie diese “Kultur der Liebe” in concreto ausschaut, kann man an dem unglaublich belasteten Verhältnis der islamischen Welt gegenüber dem angeblich christlichen Westen ablesen.) Die Morde islamischer Fanatiker an Christen ‘belohnt’ Johannes Paul II. damit, daß er den Koran, in dem die Tötung der Christen empfohlen wird, küßt –  eine Geste, die jeder Muslim nur als Unterwerfung unter den Vormachts- und Absolutheitsanspruch des Korans verstehen kann. Einen größeren Skandal kann man sich kaum vorstellen!

Inzwischen wurde sogar die Eröffnungssure aus dem Koran ins offizielle, modernistische Schott-Meßbuch übernommen: Am Donnerstag der 12. Woche im “Jahreskreis” heißt es dort: “Im Namen Allahs, des Gnädigen, des Barmherzigen. Preis sei Allah, dem Herrn der Welten, dem Gnädigen, dem Barmherzigen, dem Herrn am Tage des Gerichts.” (zitiert nach UVK 33. Jahrg. Heft 3, Mai/Juni 2003, S. 186)

Am Ende dieser Selbstaufgabe steht die völlige theologische Beliebigkeit, die Indifferenz, ja der totale Verlust katholischer Identität. Durch die Anerkennung der anderen Religionen als gleichwertig, als gleichberechtigt, als gleich gültig, wird das Christentum gleichgültig.

Es wird dadurch in den Bereich des bloß subjektiven Vorstellens verbannt, wird zum bloß idealistischen Moment degradiert, dem jegliches objektive Sein fehlt. Gott ist nicht mehr das absolute Sein, sondern wird bloßes Moment des vorstellenden Subjekts, ‘Gott’ verkümmert letztlich zum bloßen Gefühl. Wojtylas ‘Erfolg’ bei der Jugend dürfte darin zu suchen sein – wenn ich das richtig sehe -, daß er durch seine Appelle an ein religiöses Gefühl eine diffuse Gottesidee vermittelt, von der keine wirklichen Verbindlichkeiten im Handeln ausgehen. Hier zeigt sich, was Pius X. meinte, als er in der Enzyklika “Pascendi dominici gregis” schrieb:

“Hätte jemand sich die Aufgabe gestellt, die Quintessenz aller Glaubensirrtümer, die es je gegeben hat, zusammenzutragen, so hätte er es nicht besser machen können, als es die Modernisten getan haben. Ja, sie sind weiter gegangen als alle und haben (…) nicht bloß die katholische, sondern alle Religion vollständig vernichtet.”

Darum ist es – systemimmanent – unverständlich, zwischen Protestanten und Reformern von ‘trennenden’ Momenten zu sprechen, die eine “volle Kirchengemeinschaft noch nicht” (sic!) zulassen würden, wo doch jeder einfache Gläubige längst nichts mehr vom “Trennenden” hört noch weiß, weshalb die Forderung nach der Schaffung einer einzigen Institution in seinen Augen nur konsequent wäre. Warum denn noch zwei ‘Kirchen’?

Die Auffassung der Aufgabe des Absolutheitsanspruches der Kirche kommt auch in folgendem Eingeständnis eines französischen Reformers überdeutlich zum Ausdruck. Pater Claude Geffre OP, Professor am Institut catholique de Paris, Dekan der theologischen Fakultät von Saulchoir, Direktor der Ecole biblique von Jerusalem, schreibt in “Le Monde” vom 25. Januar 2000: “Beim II. Vatikanischen Konzil entdeckte und akzeptierte die katholische Kirche, daß sie nicht das Monopol der Wahrheit besitzt, daß sie ihr Ohr für die Welt öffnen muß, daß sie sich nicht nur durch andere religiöse Traditionen belehren lassen muß, sondern auch durch die Neulesung der grundlegenden Rechte des menschlichen Gewissens. Alle Religionen müssen sich für diesen universellen Konsens öffnen. Alle werden aufgerufen durch das Bewußtsein der Rechte und der Freiheit des Menschen. Jene (Religionen), die sich diesen legitimen Ansprüchen widersetzen, sind dazu verurteilt, sich zu reformieren oder zu verschwinden. Sich zu reformieren bedeutet in diesem Zusammenhang zuzulassen, daß die Öffnung gegen die Forderungen des modernen menschlichen Bewußtseins nicht im Gegensatz steht zur Treue zum Inhalt ihrer Offenbarung”.

Die hier skizzierte Wirklichkeit als Umsetzung reformerischer Ideen bedeutet die Aufgabe des eigentlichen Auftrags der Kirche, nämlich Trägerin und Hüterin der geoffenbarten göttlichen (Heils-)Wahrheit und Verwalterin der ihr anvertrauten Gnadenmitteln (Sakramenten) zu sein. Mit der Aufgabe ihres Absolutheitsanspruches beraubt sie sich zugleich jeglicher Autorität – ein Autoritätsverlust, der sich auch inzwischen in der gesellschaftlichen Einschätzung der ‘Kirchen’ widerspiegelt. Aber in groben Zügen wird dies nicht nur von uns so gesehen, sondern auch von Christen, die den Schritt, sich von dieser Institution zu trennen, noch nicht vollzogen haben.

Gegen die Aufgabe des Wahrheitsanspruches (und damit auch verbunden das Wesen der Exklusivität) setzen wir dagegen die zentrale Glaubenswahrheit: Gott hat sich geoffenbart, hat in der zweiten Person, in Jesus Christus, dem “Wort”, Fleisch angenommen, seine Kirche gegründet als Institution des Heils: “extra Ecclesiam nulla salus” und durch seinen Sühnetod sein Erlösungswerk vollendet.

Diese Wahrheit haben wir Sedisvakantisten zwar behauptet, ohne jedoch die Kirche als Institution wieder aufzubauen bzw. diesen Wiederaufbau jemals ernsthaft im Blick gehabt zu haben. Es ist also überhaupt kein Verdienst, daß verschiedene Bischöfe und Priester, die sich als Kleriker der katholischen Kirche ausgeben, die sogar noch das Etikett “Sedisvakantist” bevorzugen, den angeblich “wahren Glauben” predigen bzw. die gültigen Sakramente spenden, ohne zugleich an die Legitimität ihres Engagements zu denken, die nur von der autorisierten und autorisierenden Kirche kommen könnte, denn all diese Aktivitäten leiden unter dem sektiererischen Vorzeichen, nicht angeben zu können oder zu wollen, woher man das Mandat bekommen hat, priesterliche Vollmachten auszuüben. (Nb. ich bin immer wieder überrascht, welcher Naivität man gerade bei jüngeren Klerikern angesichts solcher Fragen begegnet. Sie behaupten für die Kirche zu arbeiten, ohne sich darum zu kümmern, wo denn diese überhaupt real existiere bzw. wie ihre Existenz reanimiert werden könnte.)

Sieht man einmal von den angemaßten ‘Gralshütern’ des Glaubens ab, die zwar die Realitäten richtig sehen, aber den Zustand nicht wirklich verbessern (wollen), so gibt es auch in der Reform-Kirche Gruppierungen, die der formulierten Position: Aufgabe des Absolutheitsanspruches der Kirche, sicherlich zustimmen (können). Abgesehen von jenen Econern und jenen Mitgliedern der Petrus-Bruderschaft, die aus ideologischen Gesichtspunkten über gewisse Grundbefindlichkeiten des Desasters in der von ihnen als Kirche ausgegebenen Institution hinwegsehen möchten, gibt es in beiden Gruppen viele (Kleriker), die im Grund genommen unsere Einschätzung teilen, aber wegen fehlender Unterstützung von unserer Seite nicht (mehr) den Mut finden, ihre Stimme öffentlich zu erheben. Ich denke aber auch an konservative Reformer, die das Scheitern vom II. Vatikanum inzwischen offen (in schriftlicher Form) eingestehen, so z.B. der ehem. Weihbischof Ziegelbauer.

All diese Kräfte könnten von ihrer Position aus zumindest an der Verbreitung der Grundwahrheit mitarbeiten, daß nämlich die Kirche die einzig wahre, von Gott gegründete Heilsinstitution ist, auch wenn sie den desolaten religiös-theologischen Zustand und die davon dependierende Beurteilung der kirchlichen Situation noch nicht oder nur teilweise überblicken. (N.b. daß diese Strategie nicht unbedingt erfolglos sein muß, soll folgende Tatsache belegen: inzwischen schreiben eine ganze Reihe von Autoren für die EINSICHT, die sich erst langsam an unsere eigentliche Position annähern, die aber in unserem Engagement und unseren Argumenten einen nicht unbedeutenden Beitrag zur geistig-geistlichen Durchklärung einer höchst komplexen Situation leisten, die hauptursächlich mitverschuldet ist durch die Pervertierung jener Institution – der Kirche -, die eigentlich qua Institution die Wahrheit und die Moral beherbergen sollte. (Weil sie das nicht tut, wird die allgemeine Konfusion noch gesteigert bzw. die Gesellschaft wird, weil sie diesen Wandel nicht sieht, durch die Kirche auch in gesellschaftlich relevanten Fragen in die Irre geführt). Weiterhin wird nachvollzogen, daß deshalb nur durch die Aufdeckung der Irrtümer im theologischen Bereich auch Fehlentwicklungen im gesellschaftlichen Bereich zu verstehen und zu beheben sind.

Unter dem Aspekt der Gegensteuerung könnte man auch noch die Erklärung “Dominus Iesus” sehen, die die Handschrift von ‘Kard.’ Ratzinger trägt. Ich weiß, daß viele den Kopf schütteln und meine Naivität belächeln werden, wenn sie diese Behauptung lesen, aber man muß trotzdem sehen, was auch im Lager des Gegners abläuft, ohne dabei in der Tat so naiv zu sein, um zu meinen, Ratzinger sei ins Lager der Rechtgläubigen gewechselt. Immerhin hat er von den wirklichen Revolutionären im eigenen Lager wegen der genannten Erklärung viel Kritik erfahren. So konnte sich der eben zum ‘Kardinal’ erhobene Prof. Kasper nicht enthalten, sie als “störend” für den ökumenischen Dialog zu bezeichnen, um damit jene Institution zu desavouieren, der er doch gerade seine Ernennung verdankte.

In diesem Zusammenhang verweise ich noch einmal, auf das, was Vittorio Messori im “Corriere della Sera” schrieb: “Einzig der ideologische Schematismus treibt noch angemaßte ‘Experten der vatikanischen Angelegenheiten’ dazu, Johannes Paul II. als Bannerträger der ‘konservativen Rechten’ und als Feind der ‘progressiven Linken’ darzustellen. In Wirklichkeit weiß, wer die aktuelle kirchliche Situation kennt, schon seit langem, dass genau das Gegenteil zutrifft. Es sind nicht mehr nur die Lefebvrianischen Scharen, die ihn des Modernismus, der Häresie, der blasphemischen üblen Nachrede auf die Geschichte der Kirche beschuldigen. Innerhalb der Kongregationen, Sekretariate, Institute des katholischen Apparates nehmen Unbehagen und Verdacht zu. Das schon dicke Beschwerdebuch füllt sich jeden Tag mit neuen Anklageführern. Es ist kein Geheimnis, dass, als Johannes Paul II. in einem Konsistorium von seinem Wunsch sprach, für die “Schuld” seiner Vorgänger um Vergebung zu bitten, der Großteil der Kardinäle die Idee zurückwies.”

Was ich will, verehrte Leser, ist, Ihnen damit vor Augen zu führen, daß die Reformer keineswegs einen monolithischen Block bilden, an dem vorgetragene Informationen abperlen wie Wasser von einer Regenhaut. Es ist eine Frage der Sensibilität, in Diskussionen dort mit treffenden Argumenten einzugreifen, wo sich zeigt, daß unsere Mitmenschen offen von negativen Erfahrungen berichten, die sie im religiösen Bereich gemacht haben.

Die Selbstaufgabe der Kirche, die sich symbolisch vielleicht am besten im Kuß des Korans von Johannes Paul II. zusammenfassen läßt, ist so eklatant, daß man es auch Personen vermitteln kann, die theologisch weniger sattelfest sind, die aber noch gewisse Vorstellungen und Ansprüche, die die Kirche zu stellen hätte, nicht ganz vergessen haben. Außerdem ist der Autoritätsverlust der ‘Kirchen’ längst ins Bewußtsein unserer Gesellschaft eingedrungen.

Darum unterstützen selbst Manager und Chefs großer Konzerne die Bemühungen um die Reanimation spirituellen Lebens, weil gesellschaftlich notwendig, von dem sie annehmen, daß sie noch katholische Ideen widerspiegeln. Wegen dieser geistigen Leere bescheinigt auch der als konservativ eingestufte Kard. Scheffczyk, emer. Professor für Dogmatik an der Universität München, der von der “Selbstzerstörung der Kirche spricht”, den Gläubigen, die an all diesen Glaubensverfälschungen in Zweifel an dieser ‘Kirche’ geraten, ja an ihr verzweifeln: “Man muß realistisch und mit tiefem Mitempfinden zugeben, daß heute zahlreiche Christen sich verloren, ratlos und sogar enttäuscht fühlen.” (“Theologisches”, Juli 02)

Unsere Pflicht ist es, darauf hinzuweisen, daß eine Kirche, die aufhört, darauf zu bestehen, die geoffenbarte Wahrheit exklusiv zu vertreten, keinen Anspruch auf Autorität hat (die ja nur aus der Verantwortung für die Wahrheit und deren Verbreitung legitimiert werden kann). Bei uns liegt es, angesichts des weitgehenden Versagens der Kleriker, deren ursprüngliche Aufgabe der Wiederaufbau der Kirche gewesen wäre, zumindest interessierte Personen anzusprechen, sie über das wahre Wesen der Kirche aufzuklären, daß sie Trägerin der absoluten Offenbarungswahrheit ist, daß aber die ‘Konzils-Kirche’ diesen Auftrag  schmählich verraten hat.

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*) Dr. Eberhard Heller ist verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift „Einsicht“        (www.einsicht-aktuell.de)

www.conservo.wordpress.com    10.06.2020   
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