Kriegsgeil ist, wer den Opfern eines Angriffskrieges hilft, sich zu verteidigen?

Michael van Laack

Aktuell malen sie ein neues düsteres Gemälde: Deutsche Panzer rollen wieder durch die Ukraine. Sie, das sind hauptsächlich jene Influencer aus der Politik und den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen, die sich Pazifisten, Sozialpatrioten oder Nationalkonservative nennen. Bauernschlau wie sie nun mal sind, malen sie ein Bild, dessen Betrachtung bei vielen Bürgern über 70 Jahre alte Wochenschauberichte in Erinnerung ruft, die sie sich entweder in ihrer Schulzeit im Geschichtsunterricht in Ausschnitten ansehen mussten oder die sie als Interessierte bei History, Phönix oder auf YouTube geschaut haben.

Dass die Assoziationen, die Putins deutsche nützliche Idioten, Sympathisanten oder gar bezahlten oder „ehrenamtlichen“ Freunde dadurch auslösen wollen, komplett irrig sind, können oder wollen augenscheinlich immer mehr Menschen nicht sehen. Denn die Soldaten, die vor über 70 Jahren mit ihren Panzern auf heute ukrainischem Territorium durch die Sowjetunion fuhren und schossen, taten es für den Führer und um des angeblich notwendigen neuen Lebensraums im Osten willen.

Alle sind böse… außer Putin!

Diesmal werden es Panzer aus deutscher Produktion sein, die von mehreren Staaten geliefert unter ukrainischer Flagge durch Land fahren, um jene zu stoppen, die im Auftrag ihres Führers neuen Lebensraum im Westen erobern sollen. Das ist kein kleiner und feiner sondern ein gewaltiger Unterschied, sodass man eigentlich nicht einmal genau hinschauen müsste, um ihn erkennen zu können.

Dieselben Leute sind es, die Deutschland und zahlreichen anderen Regierungen in EU und NATO Kriegsgeilheit unterstellen und sie als Kriegstreiber bezeichnen, weil sie nicht dafür Sorge tragen wollten, dass dieser Krieg schnell an sein Ende käme. Man müsse die diplomatischen Bemühungen verstärken, heißt es. Die Ukraine müsse Konzessionen machen, sagen sie. Putin wäre jederzeit zu Verhandlungen bereit, behaupten ihre Wortführer redundant.

Und die Extremen unter ihnen reden gar davon, Putin habe gar nicht anders gekonnt, als die Ukraine zu überfallen, denn dort habe sich ein Nazi-Regime etabliert, das mit Unterstützung der seit Trumps Abgang wieder sehr bösen USA in wenigen Jahren nach Russland eingefallen wäre. Deutschland sei ein dieser USA höriger Vasall.

Soweit der Stand der aktuellen “Argumentationslage“ der Pseudo-Friedensbewegten und Teilen der Hufeisenparteien „Die Linke“ und AfD, die sich als einzige demokratische Oppositionspartei geriert, aber aktuell zumindest in ihren Spitzen und einem nicht unbeträchtlichen Teil ihrer Mandatsträger dem Kriegsverbrecher und Angriffskrieger Putin nach dem Mund redet. Jenem bedauernswerten Mann, der doch eigentlich nur Frieden wolle, von den Westmächten jedoch schon bald in einen Atomkrieg getrieben werden könnte. – Auch bei der SPD gibt es übrigens einige wenige Akteure dieses Schlages, doch ist hier nicht der Ort, die bis heute auftretenden Kollateralschäden der sozialdemokratischen Ostpolitik zu erläutern.

Woher all diese teilweise menschenverachtenden Haltungen?

Heute fragt der Journalist, Publizist und Medienunternehmer Klaus Kelle auf Twitter:

Wann konkret der Begriff “Kriegsgeilheit” als Argumentationszerschlagungskeule eingeführt und von da an immer häufiger verwendet wurde, lässt sich vermutlich kaum fix machen. Beantworten aber lässt sich sehr wohl die Frage: Was ist die Ursache dafür, dass viele eigentlich kluge Menschen sich – kaum, dass der Krieg ausgebrochen war und die ersten Sanktiönchen verkündet wurden – entweder direkt oder mit pseudointellektuellen Scheinargumenten auf die Seite des Kriegsverbrechers Putin schlugen. Und ebenso läßt sich relativ einfach eine Antwort auf die Frage geben, warum so viele “einfache Bürger” diesen Wortführern folgten. Denn zu beiden Fragen besteht die Antwort nur aus nur einem Wort: Demokratieverdrossenheit.

Die Ära Merkel (von deren Erbe die Ampel-Regierung gern zehrt) hat tiefe Narben hinterlassen: Die ungeregelte Migration mit allen bis heute stets verharmlosten bis verschwiegenen Folgen, der Hype der Klimaaktivisten und ihrer Ideologie, das Verhalten der Kanzlerin bei der Thüringenwahl und der unerträglich von Beginn an massiv diskreditierende Umgang der Politik und der sogenannten Zivilgesellschaft mit der AfD, die unsäglich regierungstreuen und kaum mehr objektiven öffentlich-rechtlichen Sender, ein zumindest zweifelhaft agierendes Bundesverfassungsgericht, ein parteiischer Bundespräsident, zu politischen Vorfeldorganisationen verkommene Kirchen, das Gender-Regime mit der LGBTI-Flagge als neues Hoheitszeichen neben der Flagge der Bundesrepublik Deutschland, der Denkmal- und Bildersturm der BLM-Bewegung samt regelmäßigen Kniefall und einer unerträglichen Gesinnungs- und Rassismusschnüffelei des woken Teils des politischen Establishments sowie seiner willigen Helfer, die in zahlreichen Punkten kaum logisch nachvollziehbare Corona-Politik, die rücksichtlose Neuverschuldung, die Gnadenlosigkeit im Umgang mit Geringverdienern usw. usf.

Vieles ließe sich hier noch anführen neben der durch den Willen der Kanzlerin, die Landtagswahl in Baden-Württemberg zu gewinnen nach Fukushima ausgelöste Energiewende und die Rettung eines kaum mehr rettbaren Euro auf Kosten vor allem der deutschen Steuerzahler. Doch will ich hier nicht zu viele Zeilen mit all diesen Versäumnissen, ideologisch motivierten Entscheidungen und dramatischen Fehlern füllen, sondern erklären, warum so viele Bürger (wenn auch nicht die Mehrheit, so doch eine wachsende Minorität) sich in ihrer Demokratieverdrossenheit, ausgelöst von einer sich unter Merkels Regime peu à peu entwickelnden und unter der Ampel rasch verfestigenden politischen Religion (die in den Totalitarismus führen kann), einem starken Mann wie Putin zugewandt haben.

Putin als Gegenbild merkelscher Arroganz und rotgrüner Dekadenz

Er verkörpert aus ihrer Sicht viele der konservativen und patriotischen Werte, die einst CDU und CSU abdeckten, nach ihrer Reise hin zu den Parteien links der Mitte jedoch brach liegen ließen und nun wohl kaum mehr zurückgewinnen werden. Denn zu lange wurde dieses Feld der AfD überlassen.

Putin steht für einen starken und vor allem auf sich stolzen Staat. Er lässt der Genderideologie keine Möglichkeit, in der Gesellschaft Fuß zu fassen. Er erscheint als ein Verteidiger des Christentums (auch wenn seine Staatskirche mehr durch äußeren Prunk als durch die Verteidigung christlicher Werte auffällt), er ist gegen Abtreibung, gegen erneuerbare Energien und verhindert eine Ausbreitung des Islam im ganzen Russland, (begrenzt eine Durchmischung der Gruppen des Vielvölkerstaats). All das fasst Putin zusammen unter dem nicht völlig unberechtigten Vorwurf an den Westen, dieser sei dekadent.

Russland war und bleibt für viele Konservative und echte Rechte ein Vorbild. daran lassen sie nicht kratzen. Zudem unterstützt er rechte Parteien und Bewegungen in Deutschland, was gewiss auch manch einen “inspirieren” dürfte, Bilder zu malen wie jenes von den nach über 70 Jahren wieder durch die Ukraine rollenden deutschen Panzern.

Das Versagen der Konservativen ist die primäre Ursache der jetzigen Lage

Die meisten Mensch jedoch, lieber Klaus Kelle, die in den sozialen Netzwerken von Kriegsgeilheit und Kriegstreibern schreiben, sind Mitläufer. Nicht unbedingt, aber doch oft sozial aus den verschiedensten Gründen abgehängte bürger die nichts anderes mehr haben, als daran zu glauben, dass dort tief im Osten – in Moskau – ein Retter sitzt, der sie von all ihrer Mühsal befreien und aus ihrem Elend erlösen könnte, wenn man ihn doch nur ließe oder zumindest seine Politik in Deutschland Eins zu Eins umsetzen würde.

Sie halten diesen Diktator für einen besseren Demokraten als jene, die aktuell die politische Religion in unserem Land anführen. Der Ukrainekrieg droht nun dieses Bild zu zerstören. Dagegen wehren sich viele von ihnen, weil sie eben sonst nichts mehr sehen, an dem sie sich orientieren und aufrichten könnten. Staat und Kirchen haben ihr kleines bisschen reale und virtuelle Heimaterde in den vergangenen knapp zwei Jahrzehnten wüst und leer gemacht.

Das alles muss und darf uns selbstverstädnmöoch nicht gefallen, lieber Klaus, denn es ist kein Teil der Lösung, sondern verstärkt das Problem. Doch eines dürfen wir nicht vergessen: Für die aktuelle Gesamtlage sind vor allem die großen alten konservativen Parteien Deutschlands verantwortlich, die über viele Jahre mithalfen, Deutschland in ein rotgrünes Wunderland zu verwandeln. Wir ernten in diesen Tagen die Früchte, die wir säten; oder doch zumindest nicht zu verhindern suchten, dass dieses rotgrün blühende Unkraut unter den guten Samen gemischt wurde und nun alles zu überwuchern droht.

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