Wird Putin von den eigenen Bluthunden zerfleischt?

altmod*

In der jüngsten Rede Putins zur Lage der Nation war nicht viel Neues zu hören: dass man in der Ukraine (eigentlich) einen Krieg gegen den Westen führe, der Russland erledigen wolle; die Lüge, der Westen habe den Krieg begonnen und der Westen strebe nach „grenzenloser Macht“; die westlichen Länder hätten schon vor langer Zeit damit begonnen, die Ukraine zu einer Art „Anti-Russland“ zu mache.

Die Verantwortung für die Eskalation in der Ukraine liege allein bei den westlichen Eliten, deren Ziel laute, „Russland eine strategische Niederlage zufügen, das heißt, »uns ein für alle Mal zu erledigen“… meint Putin. – Äußerungen eines von einem systematisierten Wahn befallenen Mannes, was eigentlich meint: eines Geisteskranken.

Russland, das Land mit den meisten psychisch auffälligen “Feldherren”

Das erinnert an Lieutenant Commander Philip F. Queeg aus dem berühmten Roman und Film »Die Caine war ihr Schicksal«, eine inzwischen klassische Parabel für einen Paranoiker in Führungsposition. Aber im Fall Putin ist wohl kein Lt. Steve Maryk in Sicht, der den Paranoiker schlußendlich absetzt.

Inzwischen aber hört man aus Russland, der Chef der Söldnertruppe Wagner werfe der Führung und dem Militär vor, dass seiner Söldnertruppe Munition vorenthalten werde. Er prognostizierte für den Kampf um die Stadt Bachmut:

Doppelt so viele von uns werden sterben, bis keiner von uns mehr übrig ist.

Der Chef von “Wagner”, Jewgeni Prigoschin, legte im Streit mit dem Verteidigungsministerium und der Armeespitze noch nach. Prigoschin hatte mehrmals behauptet, in der Stadt kämpften ausschließlich seine Einheiten – und nicht auch die Soldaten der russischen Armee. Später meldete er die Einnahme Soledars, doch das russische Verteidigungsministerium widersprach zunächst und meldete zwei Tage später selbst die Einnahme.

Will Prigoschin Putins Sturz herbeiführen?

Das offensichtliche Versagen des russischen Generalstabs spielt »Putins Koch« in die Hände:

  • »Vor allem bei den im Inland enorm einflussreichen Militärbloggern genießt er inzwischen hohes Ansehen.« scheibt Yannik Schüller im Stern.
  • »Prigoschin macht offenbar keinen Hehl daraus, was er von der Militärführung hält: »Schickt all diese Bastarde an die Front, barfuß und mit Maschinengewehren«, zitierte ihn laut »Los Angeles Times« ein mit Wagner verbundener Telegram-Kanal, nachdem ukrainische Truppen die Stadt Lyman, Teil der russischen Annexionsgebiete, zurückerobert hatten.«
  • Prigoschin selbst »strebt nach mehr Bedeutung«, heißt es auch beim »Institute for the Study of War«.

Dass Wagner nun aus dem Halbschatten getreten ist, legt die Vermutung nahe, dass Prigoschin einen offiziellen Posten im Kreml anstrebt – womöglich als Nachfolger des bei Putin in Ungnade gefallenen Verteidigungsministers Sergei Schoigu. Über seine Firma Concord hatte der Wagner-Chef am Mittwoch ein Statement veröffentlichen lassen, in dem er nicht nur Ramsan Kadyrow, den Machthaber der Teilrepublik Tschetschenien, unterstützt, sondern offenen Schoigu angreift, ohne ihn jedoch beim Namen zu nennen.»

Weitere Gummi- oder Todeszellen-Kandidaten: Ramsan Kadyrow und Igor Girkin

Der tschetschenische Machthaber Ramsan Kadyrow ist seit Beginn von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine einer der eifrigsten Unterstützer von Wladimir Putin. Tschetschenische Truppen unterstützen die russische Armee und Kadyorow war Anfang Oktober von Putin zum Generaloberst befördert worden. Aber, wie man inzwischen weiß, gibt es auch eine große Zahl von Kämpfern aus Tschetschenien, die auf der Seite der Ukraine gegen Russland kämpfen.

Auch der ehemalige russische Geheimdienstoffizier Igor Girkin kritisiert Russlands Kriegsführung im Ukraine-Krieg – und findet eindeutige Worte für Putin. Der „Kopf des Fisches (sei) völlig verrottet“. Girkin repräsentiert den ultranationalistischen Teil der russischen Gesellschaft, den Putin jahrelang durch seine Großmachtrhetorik gestärkt hat.

Hardliner wie Prigoschin und Kadyrow könnten (möchten?) möglicherweise Putin beerben, wenn er über sein Versagen und seine Fehleinschätzungen, in dem von ihm angezettelten imperial-russischen Krieg gegen die Ukraine und den Westen, zu Fall kommen könnte. Auch keine guten Aussichten!

Ist Putin noch der Dompteur oder nur noch ein Zirkusbär?

Aber wird es Putin so weit kommen lassen? Oder wird er deren Köpfe einschließlich den seines »Verteidigungsministers« rollen lassen? Es gibt im Umkreis von Putin noch treu erscheinende Bluthunde wie Außenminister Sergej Lavrov und Dmitri Medwedew, der ehemalige Präsident und jetziger stellvertretender Vorsitzender des Sicherheitsrates der Russischen Föderation.

Putins Personaldecke und sein Rückhalt in den Führungscliquen des nationalistischen Russlands scheinen durchaus dünner zu werden, glaubt man westlichen Geheimdienstberichten aus dem Verlauf des jetzt ein Jahr dauernden Ukrainekriegs.

Ein kriegführender, paranoider Verschwörungstheoretiker im Kreml, ein unfähig geführtes Militär, Söldnertruppen aus Tschetschenien und die sog. Wagner-Truppe, mit jeweils ultranationalistisch geprägten Anführern stellen kein optimistisch stimmendes Szenarium dar, auch wenn das Pack um den Kreml herum ihres sich als unfähig erweisenden, gleichwohl paranoiden Anführers, entledigen würde.

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*) Blogger „altmod“ (http://altmod.de) ist Facharzt und seit Beginn Kolumnist bei conservo.

Einige Zwischenüberschriften wurden von der conservo-Redaktion eingefügt.

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