Altparteien contra Stolzmonat: Deutschland, Deutschland über alles…? Wie mans nimmt!

Michael van Laack

Wenn man die geschmähte erste Strophe des Liedes der Deutschen genauer betrachtet, kommt man zu dem Schluss, dass jene, die die Welt am deutschen Wesen genesen und folglich dieses Wesen über alles gestellt sehen möchten, in unseren Tagen nicht braune oder blaue Farben tragen, sondern rote, grüne, gelbe und schwarze.

Unser Verhältnis zum Lied der Deutschen ist ein Gespaltenes. Viele halten es für ebenso unsingbar wie manches zum Islam, zur Migration, zur “Gendergerechtigkeit” und zum Klimawandel für unsagbar. Andere betrachten es einfach nur als aus der Zeit gefallen, weil es mit „Von der Maas bis an die Memel…“ Grenzen beschreibt, die so schon viele Jahrzehnte nicht mehr existieren.

Manch einer, der sich eher links der Mitte zu Hause fühlt, rechnet es geschichtsvergessen dem faschistischen Liedgut zu, während unsere idealrechten „Freunde“ es entweder absingen, um den politischen Gegner zu provozieren oder gar das Deutschland der Non-Vogelschiss-Periode zu glorifizieren. Also die Sehnsucht nach einem ethno-singularen Deutschland in den Grenzen von 1228: Neapel ist unser!

Wenn man die geschmähte erste Strophe des Liedes (die zweite ist zwar auch keine reine Folklore, hat aber auf den ersten Blick weniger Kontroverses zu bieten) jedoch genauer betrachtet, kommt man zu dem Schluss, dass jene, die die Welt am deutschen Wesen genesen und folglich dieses Wesen über alles gestellt sehen möchten, in unseren Tagen nicht braune oder blaue Farben tragen, sondern rote, grüne, gelbe und schwarze. Wobei Schwarz nur noch ein Supplement darstellt. Was wir aktuell im Bundestag erleben, kann man mit Fug und recht Mosambik-Koalition nennen.

…über alles in der Welt!

Nie wieder Faschismus! Nie wieder darf Deutschland Dominanz zeigen und über Völker herrschen wollen… Deutschland, ein unbedeutender Mosaikstein auf der Weltkarte…

Schon mit der Wunderkinderperiode der 50er des vergangenen Jahrhunderts machten sich diese Pläne und Absichtserklärungen auf ihre kurze Reise zur Makulatur. Wir waren wieder wer – wir wuchsen und wuchsen und wuchsen. Zunächst zum EG- und NATO-Mitglied, dann zum „Best Friend“ der US-Amerikaner, etwas später scheinbar auch der Franzosen. Wir verhalfen Poppers „offener Gesellschaft“ zum moralischen Sieg über Sozialismus und Christentum, mutierten bald zu „Deutschland, einig Vaterland“, erklärten unsere Wirtschaft zum Fundament für den Euro, zum tatsächlichen Banken- und scheinbaren Währungsretter, zum Türkei-, Russland-, China- und Saudi Arabien-Versteher, letztlich zum Land der offenen Grenzen und einem vielfarbigen Leuchtturm in Europas Meer sexueller und religiöser Intoleranz

So weit, so „gut“. – Allerdings: Wenn wir in einem Jahr mal nicht Exportweltmeister sind, hängen die Haussegen nicht nur im Wirtschafts- und Finanzministerium schief. Deshalb muss Deutschland nicht nur bestimmen dürfen, welche Zölle es welchen Staaten gegenüber erhebt, sondern selbstverständlich auch, welche Zölle andere Staaten für deutsche Produkte erheben dürfen und welche Bedingungen in anderen Ländern für die Ansiedlung deutscher Unternehmen zu gelten haben. Verstößt eine Regierung gegen dieses ungeschriebene deutsche Gesetz, bringt sie die „Weltwirtschaft“ in Gefahr und steht im Verdacht, keine Demokratie mehr zu sein; hält sie sich an diese Bedingungen, darf sie auch gern die eigene Bevölkerung inkl. Christen, Frauen und Homosexuelle unterdrücken, selbstverständlich auch Waffen an jeden beliebigen Kriegstreiber und sonstige Diktaturen (Russland ausgenommen) verkaufen. Machen wir als Exportweltmeister schließlich auch.

Wenn es stets zu Schutz und Trutze brüderlich zusammenhält

Nun könnte man einwenden, dieser Vers träfe auf die als Ampel und Opposition getarnte Mosambik-Koalition aber auch mal gar nicht zu. Schließlich schützten diese Parteien die eigenen Grenzen aus mit ein paar warmen Worten so gut wie gar nicht und von brüderlichem (heute mit femininer Tendenz: geschwisterlichem) Zusammenhalt sei doch nun wirklich nichts zu spüren. Diese Parteien würde das eigene Volk spalten, mit ihrem begrifflich undefinierten „Kampf gegen Rechts“ Arbeitskollegen gegen Arbeitskollegen hetzen, Kinder gegen Eltern, Wutbürger und Anständige gegen ewig Gestrige und Islamophobe ausspielen.

Das stimmt selbstverständlich so, aber für diese Parteien existiert Deutschland bekanntlich auch nicht in den Grenzen der Bundesrepublik. Sie denken größer: Deutschland, Europa und die USA als Schutz- und Trutzburg für die vielen Geschundenen aus afrikanischen und asiatischen Staaten. Die Erstgenannten sollen sich brüderlich dem Denken und Handeln der deutschen Regierung des 21. Jahrhunderts anschließen zum Schutz und Trutz gegen jene, die sich der offenen Gesellschaft sowie dem postchristlichen und postdemokratischen Weltethos verweigern.

Wie einst die Volksgenossen unter den gefühlten drei Legislaturen des kleinen Österreichers sollen es jetzt die Glieder der „Zivilgesellschaft“ sein, die brüderlich zusammenhaltend die Steine jener Schutz- und Trutzburg bilden, durch deren Tore jeder in den Burghof schreiten und dort „Gastrecht“ einfordern kann.

Alle politischen Architekten Europas oder den USA, die sich nicht am Bau der Mosambik-Trutzburg beteiligen wollen, fallen – wie einst Albert Speer bei Goebbels und Hitler – in Ungnade. Gegen solche gilt es mit dem anständigen Rest brüderlich zusammenzustehen und sie vor den Mauern der Burg zu halten.

Von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt

Ob Frankreich, Belgien, die Niederlande, ob Osteuropa, Italien oder die skandinavischen Länder: alle sollen politisch in den virtuellen Grenzen des deutschen Gemeinwesens und somit unter seinem Recht leben. Europa ist nichts ohne Deutschland, oder besser: „Europa ist nichts, Deutschland ist allen alles!“ – Ob in Fragen der Ehe für alle, der Migration, des Blicks auf den Islam; ob beim Handel, bei der Atomkraft und der Klimaschutzfrage, bei Abtreibung oder geostrategischen Verteidigungsüberlegungen, in der Finanzpolitik oder beim Autobau: Unsere unmittelbaren Nachbarstaaten und andere uns geographisch nahe liegende Nationen sollen einzig auf Deutschland ihre Blicke richten. Von uns sollen sie alles lernen: postdemokratisches Demokratie-Verständnis, technische Innovation, Utopien, Umgang mit Religionen. Wer uns in alldem nicht folgt, ist neo-undeutsch.

„Von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt – Scholzens Deutschland über alles, über alles in der Welt.“ – Dies ist immer noch und immer klarer der Anspruch. Über viele Jahrzehnte fast unbemerkt zur starken deutschen Eiche angewachsen, deren Krone über weite Teile Europas ihren Schatten wirft.

Nun, da es Widerstände gibt, zeigt das „Deutschland über alles“ wieder seine hässliche Fratze, indem es jene dämonisiert und von den Medien dämonisieren lässt, die sich nicht fügen wollen. Aus „Feinde des Reiches.“ wurden „Feinde der Demokratie“, „Feinde Europas“, „Feinde der freien Welt“, “Gender-Feinde”, “Klima-Feinde”, Ukraine-Feinde.

Die zweite Strophe

„Deutsche Frauen, deutsche Treue / Deutscher Wein und deutscher Sang / Sollen in der Welt behalten / Ihren alten schönen Klang, / Uns zu edler Tat begeistern / Unser ganzes Leben lang.“

Diese Strophe wird der m/w/d-Chor der Mosambik-Fraktion zweifellos nicht singen wollen:

Deutsche Frauen klingt nach der Gefahr weiterer biodeutscher Kinder. Deutsche Frauen mögen blonder sein, aber haben für Deutschland keinen anderen Stellenwert als die wenigen Frauen, die mit den vielen jungen Männern in den hübschen orangefarbenen Schwimmwesten zu uns kommen. Zudem machen die meisten deutschen Frauen nur Ärger, weil sie trotz der 68er-Revolution sexuell deutlich verklemmter sind als eben jene jungen Männer samt deren hobbydevoten Frauen. Denn die Religion, die noch nicht ganz so lange hier ist wie das Christentum, lässt Frauen selbstverständlich größere Freiheiten als die frauenhassenden katholischen Bischöfe und Priester.

Deutsche Treue geht auch gar nicht. Treue hat ja auch was mit Vertrauen zu tun. Wer dem eigenen Volk nicht vertraut (es eher als notwendiges Übel sieht, ohne dass sich nun mal kein Geld erwitschaften lässt, um bunte Träume jeder Art zu erfüllen), wird sich ihm gegenüber gewiss nicht als treu erweisen wollen. Zudem hat Treue einen faden Beigeschmack für alle Hedonisten, die Spaß statt Verbindlichkeit suchen. Auch passt es nicht zu einem Exportweltmeister, treu zu sein. Denn er muss Vertragspartner gegeneinander ausspielen, um maximalen Erfolg zu erzielen. Da ist Treue in Verträgen stets zeitlich zu limitieren. Zudem gilt „Bis das der Tod uns scheidet.“ in unseren tagen weder im privaten noch öffentlichen Bereich für die meisten als erstrebenwertes Ziel.

„Hitlerwein“ in einem Schaufenster in Rom

Deutscher Wein und deutscher Sang Schon ganz OK… aber verkaufen lässt sich das nicht mehr so gut. Wir sind international. Es riecht schon fast nach Rassismus, deutschen Wein und unsere Schlagerfuzzis mehr wertzuschätzen als andere. Zwar geht es der Mosambik-Koalition um „Deutschland über alles“, aber nicht um der Deutschen willen sondern ausschließlich des lieben Geldes wegen.

Deutsche Produkte soll man im Ausland über alles schätzen, im Inland gilt Vielfalt vor Ursprünglichkeit. Nur weil deutscher Wein und deutsches Liedgut schon länger hier ist als anderes, darf es keinen höheren Stellenwert genießen.

Wirtschaftsmacht bleiben und einer kleinen Elite dienen

„Deutschland, Deutschland über alles“. Verwechseln wir das nicht mit Trumps „America First“, dem Austritt von GB aus der EU und mancher Entwicklung in Staaten Ost- und Südeuropas. Während diese und andere Regierungen ihre Tätigkeit nach außen stets auf ihre Bürger, im Innern und deren Wohlergehen abstimmen, ist das „Über alles-Deutschland“ des 21. Jahrhunderts hauptsächlich daran interessiert, Wirtschaftsmacht zu bleiben und einer kleinen Elite zu dienen.

Darüber hinaus will es seine politische Religion, die über kurz oder lang in den Totalitarismus führt, in der Welt verbreiten. Die Bürger im Inneren und somit deren Wohl ist irrelevant. Und eben das ist die Gemeinsamkeit mit den beiden Deutschlands unter Adolf Hitler bzw. Walter Ulbricht und seinen Erben. Die deutsche Nation ist lediglich der Ausgangspunkt für Expansion: damals militärischer und ideologischer, heute wirtschaftlicher und ideologischer.

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