Die Arroganz der Macht oder: „Der Staat bin ich“

Der tiefe Fall der Deutschen Bank 

„Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich´s völlig ungeniert“. Treffender hätte Wilhelm Busch die aktuelle Lage des größten deutschen Bankhauses nicht beschreiben können. Hilmar Kopper, Rolf Breuer, Josef Ackermann, Anshu Jaim und Jürgen Fitschen – das sind die Namen, die für den rapiden Verfall des Ansehens der Deutschen Bank stehen. Sie gehört mit ihrer schieren Größe (mehr als 100.000 Mitarbeiter in über 3.000 Filialen und zwei Billionen Bilanzsumme) weltweit zu den wenigen „Systembanken“, die für die Erhaltung des gesamten Finanzsystems Verantwortung tragen – und notfalls vom Staat gerettet werden müßten. Vertrauen ist eigentlich das wichtigste Kapital einer Bank, und das ist beim größten deutschen Finanzinstitut akut gefährdet.

Vertrauen wird auch nicht durch (auf den ersten Blick kleinere) Fehlentscheidungen geweckt, wie den Deutschen Konservativen und derem Vorsitzenden Siegerist nach Jahrzehnten tadelloser Geschäftsbeziehung von heute auf morgen sämtliche Konten zu kündigen, auch die privaten, und erboste Freunde der Konservativen mit dem Hinweis abzuwimmeln, man sage dazu nichts, weil alles unter das Bankgeheimnis falle. Mit solchen Akten vorgeschobener political correctness wird Vertrauen vernichtet.

Zurück zum Vorstand der Deutschen Bank: Für Hilmar Kopper waren ein paar tausend pleitegegangene Mittelständler und deren Verluste in erheblicher Millionengröße „Peanuts“ – die Menschenverachtung in Person. Sein Nachfolger, Rolf Breuer, zerschlug in der ihm typischen (bestgekleideten) Arroganz mit einer einzigen vorlauten Bemerkung die Hoffnung auf Rettung des Leo Kirch-Imperiums und wird dafür jetzt kräftig Schadenersatz zahlen müssen – was vermutlich die Kasse der Bank ihm abnehmen wird.

Sein Nachfolger Josef Ackermann „erarbeitete“ sich das zweifelhafte Etikett des „Mannes mit dem Victory-Zeichen“, mit dem er sich anläßlich des Prozesses wegen der Pleite des Mannesmann-Konzerns im „Wörterbuch der Kapitalismus-Kritik“ einen bleibenden Platz an vorderster Stelle sicherte. Kaum ein Mann steht so wie Ackermann für das Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit in der Finanzwelt. „Ackermann verhöhnt das Gericht“ war der Tenor nahezu aller Medien am nächsten Tag. Das Photo mit Ackermanns Siegeszeichen dazu zeigte die fleischgewordene Arroganz der Macht. Und wieder typisch Ackermann: Er interpretierte das Photo als Scherz und äußerte dann den entlarvenden Satz: „Deutschland ist das einzige Land, in dem diejenigen, die Werte schaffen, bestraft werden.“ Das war stillos, zynisch – und einfach dumm. So avancierte Ackermann zu einer Ikone des Raubtier-Kapitalismus – bis heute.

Hohle Sprüche, leere Worte

Ackermanns Nachfolger waren vor einem Jahr angetreten u. a. mit dem Versprechen eines „Kulturwandels“ im Unternehmen und tönten:

„Wir wollen, daß alle unsere Kollegen mit Ehrgeiz dabei sind, aber wir wollen auch, daß sie dabei geleitet werden von einem Kompaß, der ihnen immer die Richtung vorzeigt und diesen Performancedruck nie ausarten läßt in ein Verhalten, das wir hinterher bedauern.“

Wie meinten die Herren das mit dem Kompaß denn? Steuerhinterziehung, Geldwäsche, versuchte Strafvereitelung, krumme Geschäfte mit CO2-Emissionsrechten, Manipulationen am Bank-zu-Bank-Zinssatz Libor, Kreditvergabe für Ramschimmobilien in den USA mit dem Ruin Tausender kleiner Existenzen… – das sind Vokabeln aus den derzeit laufenden Ermittlungen gegen die Deutsche Bank und auch ihren Vorsitzenden Fitschen. Ist das etwa der neue „Kompaß“? Die Rechtsrisiken aus diesen Geschäften schätzt die Bank intern selbst auf 2,5 Milliarden (!) Euro.

500 Polizisten stürmten im Auftrag der Staatsanwaltschaft die Bankgebäude und sicherten Berge von Unterlagen, wobei bald der Vorwurf fiel, die Bank habe wichtige Unterlagen rechtzeitig vernichtet oder verschwinden lassen. Fünf Mitarbeiter der Bank sitzen nun in Haft, Fitschen inklusive. Da hat er gewiß Zeit und Muße, über den „neuen Kompaß“ nachzudenken. Währenddessen meldete die Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf Ermittlungsakten, „kriminelle Machenschaften eigener Angestellter im Handel mit Verschmutzungsrechten“ seien der Bank schon seit Ende 2009 bekannt geworden, sie habe aber „versäumt, intern durchzugreifen“. War es das mit dem „neuen Kompaß“?

Fragwürdiges Verständnis von Rechtsstaat

Fitschen, ganz offensichtlich in derselben Arroganz gebadet wie seine Vorgänger, beging einen entscheidenden Fehler. In völliger Fehleinschätzung politischer Korrektheit griff er zum Telefon und beklagte sich beim hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier über die Razzia. Staatsanwälte unterstehen zwar dem Weisungsrecht des Justizministers, aber es wird niemanden geben, der in einer solchen Situation seine Beamten zurückpfeifen würde. Logisch, daß auch der erfahrene Jurist Bouffier sich daran hält und Fitschen abblitzen ließ. Der Vorstandschef der Deutschen Bank AG demonstrierte mit seinem verunglückten Versuch, die Politik einzuspannen, daß ihm offensichtlich das rechte Verständnis von und der nötige Respekt vor einem Rechtsstaat fehlt. Das Verhalten Fitschens ist so hilflos wie der Anruf eines Verkehrssünders bei seinem Bürgermeister, er möge bitteschön das „Knöllchen“ vernichten.

Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil, dachte sich Unionsfraktions-Vize Michael Meister und warnte: „Niemand steht in Deutschland über dem Rechtsstaat. Herr Fitschen macht den Eindruck, daß er das nicht verstanden hat.“ Klaus Nieding, Vizepräsident der DSW (Schutzvereinigung für Wertbesitz) wurde ebenfalls deutlich: „…Natürlich ist dies ein weiterer Vertrauensverlust. Der Bürger bekommt den Eindruck, die Deutsche Bank steht außerhalb des Gesetzes…“

Derweil stimmte besagter Fitschen das Klagelied der unschuldigen Bank an: Es habe „eine verheerende Wirkung auf das Außenbild des größten deutschen Kreditinstitutes, wenn Bilder und Berichte von bewaffneten Polizisten in der Bank um die Welt gingen“. Mal ´was von Ursache und Wirkung gehört? Da klingt ein Satz seines Vorgängers Ackermann wie Hohn: „Kein Geschäft ist es wert, den guten Ruf der Bank aufs Spiel zu setzen.“ Recht hat er – aber nicht behalten.

Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Roland Berger, vielfach geschätzter und überschätzter Unternehmensberater mit besten Verbindungen zu Politik und Wirtschaft, verteidigte die beiden Deutsche Bank-Vorsitzenden: Jain sei „geprägt von seiner Religion, Leistung, Verantwortlichkeit, Anstand und persönlicher Bescheidenheit“, Fitschen „beweist seit Jahrzehnten, daß Bankgeschäft, Moral und Anstand keine Gegensätze sein müssen…“ Deshalb, setzte Berger nach, brauche die Deutsche Bank „gerade jetzt das Vertrauen der Deutschen. Sie hat es verdient.“ Gerade jetzt? Der Generalstaatsanwalt in Frankfurt sieht das offensichtlich etwas weniger blumig als Berger.

Es hilft nichts. Solange die Deutsche Bank den vom Führungsduo versprochenen „Kulturwandel“ nicht ernstnimmt, gewinnt sie das verlorene Vertrauen nicht zurück. Die Bank braucht einen Neustart – und eine ausgewechselte Führungsmannschaft. Im nationalen und internationalen Wettbewerb wird der Kampf nur noch rauher. Man braucht also größtmögliche Stabilität, um sich in diesem Wettbewerb behaupten zu können. Das Vertrauen auf einen zu Hilfe eilenden Staat ist der falsche Schlüssel zum Erfolg. Fitschen sei´s geklagt.

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