Potsdam 1945 – 70 Jahre „Frieden“ ohne Frieden!

Dr. Wolfgang Thüne
Dr. Wolfgang Thüne

Von Wolfgang Thüne *)

Am 26. Juni 1945, nur wenige Wochen nach der Kapitulation der Deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945, versammelten sich die Oberhäupter von 50 Staaten in San Francisco, um die „Charta der Vereinten Nationen“ zu unterzeichnen und die UN als „Weltregierung“ ins Leben zu rufen. Die Charta war bei der Konferenz von Jalta am 11. Februar 1942 erstellt worden. Sie das zweite Gipfeltreffen der „Großen Drei“, von Roosevelt (USA), Stalin (UdSSR) und Churchill (GB). Thema der Konferenz war auch die Aufteilung Deutschlands.

Der Jalta-Konferenz ging ein Treffen von Roosevelt und Churchill auf dem britischen Schlachtschiff Prince of Wales in der Placentia Bay vor Neufundland am 14. August 1941 voraus. Dabei erarbeiteten beide ein 8-Punkte-Programm, wobei sie in Punkt 1 bekundeten: „Ihre Länder streben keinerlei Bereicherung an, weder in territorialer noch in anderer Beziehung.“ Punkt 2 lautete: „Sie wünschen keinerlei territoriale Veränderungen, die nicht im Einklang mit den in voller Freiheit ausgedrückten Wünschen der betroffenen Völker stehen.“ Am 24. September 1941 wurde die „Atlantik-Charta“ im St. James Palace in London von 9 Exilregierungen unterzeichnet: Belgien, Polen, Griechenland, Jugoslawien, Luxemburg, Frankreich, Niederlande, Norwegen, Polen und der Tschechoslowakei. Bereits am 1. Januar 1942 wurde in Washington die „Atlantik-Charta“ von 26 Staaten in den Rang einer „Deklaration der Vereinten Nationen“ gehoben. Ziel sollte eine „bessere Weltordnung“ sein. Versprochen wurde vor allem die strikte Beachtung des Völkerrechts und des Selbstbestimmungsrechts der Völker. Alle Unterzeichner versprachen, sich in keinerlei Beziehung „bereichern“ zu wollen. Man orientierte sich auch an den „14 Punkten“ des US-Präsidenten Woodrow Wilson vom 6. Januar 1918.

Die internationale wie interalliierte Diplomatie arbeitete auf Hochtouren, um eine friedliche Welt zu schaffen auf Grundlage des allgemein verbindlichen Völkerrechts. Ihre Wurzeln haben die Vereinten Nationen damit auch in den beiden Haager Friedenskonferenzen von 1899 und 1907 wie dem Völkerbund, der nach dem Ersten Weltkrieg gegründet wurde, um den Weltfrieden dauerhaft und nachhaltig zu sichern. Doch dieser Versuch scheiterte, weil ausgerechnet die Siegermächte sich nicht an ihre eigenen Vorgaben hielten und ihre Gier nach „Land“ nicht bändigen konnten. Sie ignorierten das Recht auf Selbstbestimmung, was die USA veranlasste, den „Versailler Vertrag“ nicht zu unterzeichnen und einen Separatfrieden mit Deutschland zu schließen.

Hätten England und Frankreich den Spruch von Abraham Lincoln, „Nichts ist geregelt, was nicht auch gerecht geregelt ist.“ beherzigt, ein Zweiter Weltkrieg hätte wohl nicht stattgefunden. Missachtet wurde auch die weise Erkenntnis „Gerechtigkeit schafft Frieden“ oder „Justitia fiat Pax“. Solange Ungerechtigkeit herrscht, können zwar die Waffen schweigen, aber damit herrscht noch längst kein echter Frieden, der nur auf Recht und Wahrheit gegründet werden kann. Die Idee eines allgemeinen Friedens auf der Basis der Gleichberechtigung aller Kriegsparteien wurde am Ende des Peloponnesischen Krieges (431-404 v. Chr.) geboren. Ein die Rechte aller Seiten gewährender Friedensschluss war auch der Westfälische Frieden von 1648, mit dem der 30jährige Krieg von 1618-1648 beendet wurde.

In der nach Gründung der UN in Potsdam vom 17. Juli bis 2. August 1945 abgehaltenen „Dreimächtekonferenz“ hätten die „Großen Drei“, Harry S. Truman (USA), Josef Stalin (UdSSR) und Clement Attlee (GB) beweisen können, dass sie keinerlei Bereicherung, keine territorialen Veränderungen anstreben, wie in der Atlantik-Charta bekundet. Es wäre ein einmaliger Friedensakt gewesen. Stattdessen schloss man sowohl die Öffentlichkeit als auch das Völkerrecht aus. Man erwies der Demokratisierung der Welt einen Bärendienst. Das Deutsche Reich, das man in seinen Grenzen vom 31. Dezember 1937 für völkerrechtlich fortbestehend erklärte, wurde aufgeteilt in drei Besatzungszonen und unter Kontrollratshoheit gestellt. Alle Siegermächte machen sich über die fette Beute her und bereicherten schamlos. Man konfiszierte unzählige Patente, demontierte Industrieanlagen, raubte Kunstschätze, machte aber auch Jagd auf nützliche hochqualifizierte Techniker und Wissenschaftler.

Das Potsdamer Abkommen ist nur ein gemeinsames Konferenz-Kommuniqué, eine Absichtserklärung der „Drei“. Es ist kein völkerrechtlich verbindlicher Vertrag. Mit ihm wurde kein Recht geschaffen. Es ist ein Diktat, dem sich der Besiegte zu fügen hat. Das Potsdamer Abkommen ist weder Recht noch eine „rechtliche Grundlage“, wie es fälschlich der Bundespräsident Joachim Gauck am 20. Juni 2015 beim „Weltflüchtlingstag“ der UN darstellte. Geradezu zynisch hört sich angesichts der brutalen Massenvertreibung von etwa 12 Millionen Deutschen der „Pontius-Pilatus-Satz“ an, dass bitte eine humane und „ordnungsgemäße Überführung deutscher Bevölkerungsteile“ erfolgen solle. Das Elend konnte man mit Händen greifen. Der Raub der Heimat kann nie human sein. Die „Drei“ wussten um die Deportationszüge gen Russland, aber auch um die katastrophalen Zustände in den US-Lagern bei Bretzenheim und in den Rheinwiesen bei Remagen.

Der Beschluss, dass das Deutsche Reich in den Grenzen vom 31. 12. !937 fortbestehe, wurde 1943 bei einer Konferenz der Außenminister in Moskau getroffen. Im Londoner Protokoll 1944 wie der Potsdamer Konferenz 1945 wurde diese nicht völkerrechtskonforme „Grenze“ bestätigt. Es wurde damit aber die völkerrechtliche Kontinuität des Deutschen Reiches bestätigt. Der Begriff“ Deutschland als Ganzes“ wurde in Artikel 23 des Grundgesetzes aufgenommen und mit ihm das „Wiedervereinigungsgebot“. Die am 23. Mai 1949 begründete Bundesrepublik Deutschland trat die Rechtsnachfolge des Deutschen Reiches an und beanspruchte den Anspruch auf „Alleinvertretung“. Sie hatte per Grundgesetz die Aufgabe, die drei Besatzungszonen wieder zu vereinen. Darin stimmten anfangs alle demokratischen Parteien überein. Bei allen Konferenzen der Sieger war nie von einer Annexion „Ostdeutschlands“ die Rede. Auch bei der Teheran-Konferenz vom 28. November bis 1. Dezember 1942 war davon nicht die Rede. Dort wurde nur die Aufteilung in die drei Besatzungszonen festgelegt. Berlin wurde in Sektoren aufgeteilt.

Die Absprache über die Zukunft der „Ostgebiete“ wurde ohne die USA wahrscheinlich bei der Moskauer Konferenz vom 9. bis 20. Oktober 1943 zwischen Churchill und Stalin getroffen. Zwischen beiden ging es um die Zukunft Polens, denn sowohl die Londoner Exilregierung wie auch das kommunistische „Lubliner Komitee“ waren dabei. Polen wollte Ostpreußen, aber Stalin wollte unbedingt Königsberg als eisfreien Hafen haben. Da Stalin aber auch „Ostpolen“ behalten wollte und die Zustimmung der Polen benötigte, bot er ihnen die Gebiete Deutschlands östlich der „Oder-Neiße-Linie“ an. Polen erhielt zur Abrundung noch Stettin.

Das nach Siegermanier von den „Großen Drei“ verfasste Potsdamer Abkommen, wurde schließlich abgelöst durch den Zwei-plus-Vier-Vertrag. Er wurde am 12. September 1990 in Moskau ausgehandelt. Es ist ein Staatsvertrag zwischen den vier Siegern Frankreich, Großbritannien, USA und UdSSR auf der einen und BRD wie DDR auf der anderen Seite. Mit der Anerkennung der „Oder-Neiße-Linie“ als Grenze wurde der Weg zur „Wiedervereinigung“ frei. Der schmerzliche Preis war der Verzicht auf die ostdeutschen Provinzen. Der 2+4-Vertrag ist ein der momentanen machtpolitischen Lage angepasster „Statusvertrag“, aber kein Friedensvertrag. Wir wurden von besatzungsrechtlichen Beschränkungen befreit. Deutschland wurde aber auch von seinen „Ostgebieten“ mit Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als Staatsgrenze befreit.

Es bleibt die herkulische Aufgabe, den unsäglichen Zweiten Weltkrieg endlich zu beenden, mit einem Friedensvertrag.

*) Wolfgang Thüne (www.derwettermann.de), regelmäßiger Kommentator auf conservo, ist Diplom-Meteorologe und Dr. phil. Er war 16 Jahre lang „Wetterfrosch“ des ZDF.

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