Leitzinserhöhung auf 0,5 %: Regentropfen auf einen Lavastrom!

Michael van Laack

Man mag es eigentlich gar nicht glauben: Jene, die an der Börse ihr Geld damit verdienen, dass der Wert von Edelmetallen, Aktien und anderen Papieren steigt und jene, die von Unternehmen erwarten, dass am Ende des Geschäftsjahres eine ordentliche Dividende an die Aktionäre ausgeschüttet wird, brechen in Tränen aus, wenn der Bankkunde 0,5 % Zinsen auf sein Kontoguthaben bekommt. Das zeigte die Reaktion der deutschen Börse unmittelbar nach Bekanntwerden der Entscheidung der EZB am Donnerstag.

Man hatte sich so daran gewöhnt, dass die EZB nicht nur faule Papiere aus gescheiterten Investment-Projekten klaglos aufkauft, um einer kleinen Clique ehrloser Banker entweder Gewinne oder ihren Zockerpopo zu retten, sondern zudem nur 950.000 Euro von einer Million Euro Kredit zurückerstattet bekommen wollte. Diese Negativzinsen musste der einfache Sparer mit seinem Vermögen finanzieren. Dass diese Nullzins- oder gar Negativzins-Politik in den nächsten 10 Milliarden Jahren enden könnte, war für die Finanzwelt schon nach wenigen Monaten des Genusses dieser Geldpolitik unvorstellbar.

0,5 % sind für einige Staatshaushalte schon zu viel

Dennoch ist die Entscheidung der EZB falsch, weil nutzlos. Will man Inflation bekämpfen – das lernt jeder Kaufmann während seiner Berufsausbildung – ist eine Zins- und Kreditzinserhöhung notwendig, die über dem für die nächsten zwölf Monate geschätzten Inflationsmittel liegt. Nun ist es zwar aktuell äußerst schwierig, die Entwicklung auch nur für drei Monate halbwegs sicher vorauszusagen, weil der Russland-Ukraine-Konflikt, Chinas Corona-Schieflage und das Haushaltchaos in den USA jederzeit zur Verschärfung der Weltfinanz- und Welthandelskrise führen können.

Aber das von der EU errechnete Mittel von 7,8 % Inflation insgesamt und 16,1 % bei Lebensmitteln für die nächsten drei Quartale (inkl. dem im Juli angebrochenen) ist mit 0,5 % Leitzins nicht absenkbar. Das weiß auch die EZB. Sie geht aber dennoch nur diesen vorsichtigen Schritt, weil sie um die Neuverschuldungsbedürfnisse zahlreicher Mitgliedsstaaten der EU weiß. Wenn man mal eben 50 Milliarden neue Schulden aufnehmen möchte, obwohl man ohnehin schon hoch verschuldet ist, kann eine zusätzliche Zinslast von 250 Millionen schon verdammt weh tun.

Zinsen wie in den 70ern vollkommen unrealistisch

Deshalb ist der schlüssig erscheinende Wunsch mancher, die Inflation solle wie in den 70ern (als sie in der Spitze bei 7,5 lag) mit Zinsen von 15 % bekämpft werden, off the world. Zum einen kam man seinerzeit schon von einem recht hohen Zinsniveau von 10 %, zum anderen hat sich die Niedrigzinspolitik der EU im Laufe von immerhin eineinhalb Jahrzehnten auf das Niveau Null entwickelt. Nun mit Gewalt zumindest auf 7 oder 8 % zu setzen, würde zum sofortigen Kollaps der meisten Staatshaushalte und Großbanken führen; aber auch von Unternehmen, die verpflichtet wurden oder sich verpflichtet sehen, in die Energiewende zu investieren.

Deshalb ist – auch wenn das nur einen Regentropfen auf einen Lavastrom darstellt – Zinspolitik in kleinen Schritten notwendig. 1,0 oder 1,5 % wären aber dennoch drin gewesen. Das hätte möglicherweise auch manche Staaten (vor allem Südeuropäer und Deutschland) davon abgehalten, auf Kosten kommender Generationen und ihrer EU-Partner weitere Verbindlichkeiten einzugehen.

Auf der anderen Seite wird die Inflation nicht gebremst, was negative Auswirkung auf Produktion und Konsum haben wird, größere Teile der Bevölkerung verarmen lässt und in der Folge entweder nach höheren Aufwendungen des Sozialstaates ruft oder aber nach der endgültigen und auf Jahrzehnte zementierten monetären Spaltung der Gesellschaften, wie wir sie zuletzt im dritten Drittel des 19. Jahrhunderts sahen.

Wir sind schon tot – die Frage ist nur: Wann merken wir das?

Letztendlich muss man zu dem Ergebnis kommen: Die verfehlte EU-Finanzpolitik und die Idee eines von Beginn an zum Scheitern verurteilten sicheren globalen Wirtschaftssystems haben uns n eine ausweglose Situation gebracht. Jetzt kann nur noch ein Krieg, eine neue Währung oder der Zusammenbruch des sozialistischen Kapitalismus helfen. Steuern ließ sich schon nach der Euro- und Bankenkrise nicht mehr viel. Aufkaufen und Abwerten war die Strategie der EZB. Mit dem Migrations- und Klimapakt, dem Corona-Notfallpaket und dem Green deal und den Folgen des Ukraine-Kriegs als “Sahnehäubchen” hat sich das Finanzsystem Europa und mit ihm die Haushalte der Nationalstaaten das Samurai-Schwert an den Bauch gesetzt. Die Frage ist nur noch: Wann fällt die EU in die Klinge!

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