Mariä Aufnahme in den Himmel: Heute feiern wir die Zukunft des Menschen!

Conservo-Redaktion / Dr. Juliana Bauer

Alljährlich am 15. August steht im Festkalender der römisch-katholischen Kirche “Assumptio Beatae Mariae Virginis” (Aufnahme der seligen Jungfrau Maria), auch Maria Himmelfahrt genannt. Anlässlich dieses liturgischen Hochfestes bringen wir heute die mit “Maria, die Zukunft des Menschen” überschriebene Predigt des emeritierten Erzbischofs Michel Aupetit vom 15.08.2019 in St. Sulpice, Paris.

Die Übersetzung und die ihr vorangestellten einleitenden Worte stammen von Frau Dr. Juliana Bauer, die regelmäßig für Conservo Gastartikel schreibt:

Am Hochfest Mariens Aufnahme in den Himmel im Jahr 2019 hielt der emeritierte Erzbischof von Paris in der Pfarrkirche St. Sulpice eine sprachgewaltige Predigt. In einem dichten Bild, einem farbenfrohen Gemälde vergleichbar, arbeitete er, stets den Blick auf unser erlösungsbedürftiges Menschsein gerichtet, faszinierende und bedeutende Facetten der Mutter Jesu heraus. Seine Homilie sei hier nahezu umfassend vorgestellt.

„Die Frau ist die Zukunft des Menschen.

Mit diesem Zitat aus einem Chanson des berühmten Chansonsängers Jean Ferrat begann Michel Aupetit seine Predigt am Hochfest Mariä Himmelfahrt 2019. Um dieser Aussage dann, der er grundsätzlich beipflichtet, mit der Ferrat jedoch die Frau von ihrer politischen Geschichte her und auch die Frau unserer Zeit meinte, nicht nur eine konkrete Frage anzufügen, sondern die Frau, von der er sprach, selbst zu konkretisieren. „Wer aber ist diese Frau?“ Aupetits Antwort ist ebenso konkret und hat nichts mehr mit der Bedeutungsimmanenz von Ferrats Hommage an die rein diesseits orientierte Frau gemein:
„Es ist eine besondere Frau, eine Frau, deren Fest wir heute feiern. Es ist Maria.
Maria ist die Zukunft des Menschen.

Denn heute feiern wir sie, Maria, die uns die Pforten des Himmels öffnet…“ Als Mutter allen menschlichen Lebens nennt Michel Aupetit zunächst Eva, die biblische Stammmutter aller Menschen, um ihr dann die Mutter Jesu gegenüber zu stellen. „Sie, Maria, ist die Mutter des Lebens. Des ewigen Lebens, des Lebens aus Gott… Sie öffnet uns die Tore des Himmels. Sie wird in den Himmel aufgenommen mit ihrem Leib und mit ihrer Seele.

Maria Himmelfahrt und die Wiederkunft Christi

Und indem wir heute Maria feiern, feiern wir auch unsere Zukunft. Denn so wie Maria in den Himmel aufgenommen wurde, so werden auch wir mit unserem ganzen Sein, unserem Leib und unserer Seele zu Gott gehen.“ 

Der Erzbischof untermauert diese Verheißung zusammenfassend mit jener, von der Paulus im Ersten Korintherbrief schreibt, dass bei der Wiederkunft Christi die Menschen auferstehen und das ewige Leben erhalten werden (1.Kor 15,20-27a, siehe 2. Schriftlesung).

In einem weiteren konkreten Bild führt Michel Aupetit zunächst die Unterschiede von Seele und Leib aus, um sie der versammelten Gemeinde anschließend als die von Gott gedachte Ganzheit des Menschen nahe zu bringen: Unsere geistige Seele, die unmittelbar aus Gott komme, … ermögliche uns hier bereits, „zu ihm zu sprechen…, mit ihm in eine persönliche Beziehung zu treten. Und in der Stunde unseres Todes wird sie, unsere spirituelle Seele, in seine Gegenwart eintreten, zu ihm, der sie in Liebe schuf.

Von Maria genährt werden wir mit Christus auferstehen

Unser Leib aber ermöglicht uns, wie wir ja aus Erfahrung wissen, mit den anderen Menschen in Beziehung zu treten… Doch weil das Wort Gottes, sein Sohn, Mensch wurde, weil er unseren Leib, unser ganzes Menschsein annahm, wird auch unser Leib in die Beziehung zu Gott hineingenommen…“ An dieser Stelle bedeutet Mgr Aupetit die tiefe innere Verbindung des Leibes Jesu zum Leib des Menschen, wie sie Christus in der Eucharistie verewigte, dass Jesus unseren Leib, „in der Eucharistie mit seinem Leib nährt…“

Zur Veranschaulichung der eucharistischen Glaubenswahrheit und ihres Bezugs zur Leiblichkeit, nimmt Michel Aupetit den zarten Vergleich mit einer stillenden Mutter auf, die ihr Kind ebenso mit ihrem Leib nähre. „Und so“, folgert er daraus noch einmal, die Worte des Apostels Paulus wiederholend, „wird in der Fülle der Zeiten, wenn Christus wiederkommt, auch unser Leib wie der Leib Jesu auferstehen.“

Mit einem leidenschaftlichen Appell wendet er sich dann an die versammelten Gläubigen, um die in unserer Gesellschaft allgemein vorherrschende, von Pessimismus geprägte Sicht zu Leib und Tod zu durchbrechen: „Nein! Nein!“ ruft er in die voll besetzte Kirche hinein. „Unser Leib ist nicht dazu bestimmt, sich in einem Krematorium in Rauch zu verflüchtigen. Nein! Unser Leib ist nicht dazu bestimmt, von Würmern zerfressen zu werden.

Gott heilt unsere tatsächlichen und vermeintlichen Makel

Unser Leib, der Ausdruck unseres Lebens war, der unser Leben trug, wird in die Gemeinschaft der Liebe Gottes gelangen, das heißt, in die Dreifaltigkeit Gottes, in der das Wort, d. h. Jesus selbst, in seinem Leib gegenwärtig ist, da er unser Menschsein auf sich genommen hat… Wo er durch seine Aufnahme in den Himmel beim Vater ist“ („zur Rechten des Vaters sitzt“, Schriftfassung).

Erzbischof Aupetit nimmt nun den verwundeten Leib Jesu, vor allem aber den des Menschen in sinnlich erfahrbaren Bildern in den Blick: „Der Leib Jesu fuhr mit all seinen Wunden zum Himmel auf… So auch unser Leib, der durch unsere Sünde, unsere Krankheit, unser Alter verletzt und verwundet ist…, unser Leib, den wir vielleicht verabscheuen… … da wir es lieber hätten, dass unser Bauch zurückginge, da wir gerne die Nase oder andere Teile unseres Körpers neu machen oder gar verstecken würden … dieser Leib wird von Gott verwandelt werden.“

Bei Gott gibt es keine Deformation

Von der Auferstehungsverheißung Jesu, wie sie Paulus verkündet, fasziniert und überzeugt und getragen von seiner ureigenen Auferstehungshoffnung teilt der Erzbischof diese seinen zahlreichen Zuhörern und Zuhörerinnen voller Begeisterung mit:  

„Und wenn ihr z.B. durch Rheumatismus deformiert seid, wird euch der Herr eure ursprüngliche Schönheit zurückgeben. Er wird euch schönmachen, so schön, wie ihr es nie zuvor wart. Nur Gott kann euch wieder schönmachen, viel schöner als es je ein Schönheitschirurg vermag… Gott betrachtet uns mit Liebe… Dieser Blick macht uns schön, deshalb werden wir wirklich schön sein… … Und deshalb wird unser Leib in der Fülle der Zeit mit Christus auferstehen wie er es uns versprochen hat. Und wie Maria, die aufgenommen wurde, prachtvoll, strahlend, in wunderbarem Glanz…

Maria ist die Zukunft des Menschen, denn sie verwirklichte unsere Berufung

Sie ist uns in allem vorausgegangen. Wie wir in jenem Lied manchmal singen: Sie ist die Erste auf diesem Weg… Ja, sie hat das Wort Gottes empfangen… Sie gab in freier Entscheidung ihr ‚Ja‘. Und auch wir können die Freiheit ergreifen, Christus nachzufolgen… …“

In einer ungewöhnlichen Reihenfolge widmet Michel Aupetit den Eigenschaften der Mutter Jesu einige spezifische Gedanken. So mische sich in ihr freies Ja zu Gott jedoch auch eine Frage, den sie an den Engel richte, jene Frage nach dem Wie. Wie es geschehen könne, dass sie ein Kind empfange, da sie doch keinen Mann erkenne – ein Thema, das Michel Aupetit in vielen Marienpredigten bewegte. Er sieht in der Frage Mariens ein Zeichen ihres eigenen Nachdenkens, ein Zeichen ihres Verstandes und ihrer Intelligenz, die aber den Plan Gottes letztlich nicht in Zweifel ziehe.

Sich Gott überlassen: Niemand tat das so, wie Maria!

In diesem Zusammenhang wendet sich Mgr Aupetit an die Christen, sich ebenso ihrer Intelligenz und ihres Denkens zu bedienen, ihre Intelligenz und ihre Spiritualität zu bilden und zu formen, jene, die Fragen stelle, die den Menschen erwachsen mache, zu einem erwachsenen Glauben führe und sich dennoch oder gerade deshalb Gott überlassen könne.

Dieses Sich-Gott-Überlassen stellt er als eine der wesentlichen Haltungen Marias explizit heraus, auf die er im Weiteren noch eingeht – eine Haltung, in der uns die Mutter Jesu Vorbild sei. „Sie zeigt uns ihren Glauben: sie überließ sich in völliger Hingabe Gott. Auch wir werden uns Gott überlassen. Vielleicht in einem Augenblick unseres Lebens, wenn Gott uns ruft. In jedem Fall aber in der Stunde unseres Todes, in der wir uns an Maria wenden können, so, wie wir sie im Gebet auch bitten, bei uns zu sein: ‚Jetzt und in der Stunde unseres Todes,‘ in der Stunde, in der wir unsere Existenz zurücklassen, um in das Leben einzutreten.“

Auf Maria unter dem Kreuz schauend, wo „Jesus sie uns als Mutter gab“, legt der Erzbischof uns Gläubigen es daher in besonderer Weise ans Herz, sie, die wir um die Zärtlichkeit einer Frau, die Zärtlichkeit einer Mutter wüssten…, als Mutter anzunehmen, …zu ihr zu sprechen, mit ihr zu gehen und auf sie zu schauen, sie, die uns zu ihrem Sohn führe.

Maria, die Meisterin der einfachen Liebe

Aus diesen Reflexionen heraus lenkt er den Blick auf eine weitere entscheidende Vorbildhaltung Mariens als Glaubende: auf die komplette Änderung, das „Umstürzen“ ihres Lebensplans, die Änderung ihrer bisherigen Existenz im Vertrauen auf Gott, nachdem sie die an sie gerichtete Botschaft Gottes vernommen hatte.

„Aber vor allem“, folgert Michel Aupetit daraus und nimmt jetzt die Worte des Evangeliums auf (Lk 1,39-56), „schafft sie Raum in sich für die Liebe. Gott hat uns aus Liebe erschaffen und so ist die Berufung des Menschen die Liebe.“ Diese einfache Liebe zum Nächsten lasse Maria zu der betagten Elisabeth eilen, lasse sie in ihrer Hilfe für Elisabeth über die Fragen zur eigenen Schwangerschaft hinauswachsen und lasse die Liebe Gottes in ihr aufscheinen: „Und Elisabeth wiederum weiß um Maria, dass sie vom Heiligen Geist geführt wird, vom Geist Gottes, der die Liebe ist, die leuchtende, sich verströmende Liebe.“ Diese Liebe lehre uns Maria als die Erste auf diesem Weg, sie, die sich selbst vergaß, indem sie sich in den Dienst der anderen stellte. „Es ist die Liebe Jesu, die Maria lebt … die Liebe, die Jesus gebietet: ‚Das ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, wie ich euch liebe‘ (Joh. 15, 12).

Es ist die Liebe, die aufstrahlt, sich verströmt, die ansteckend wirkt. Die aber eine wohltuende Ansteckung ist, die Ansteckung durch Liebe, die die Welt verwandelt… Leben wir in dieser Liebe, so haben wir eine tiefe Freude in uns. Es ist diese Freude, die der Herr verheißt: ‚Das habe ich euch gesagt, dass meine Freude in euch sei und eure Freude vollkommen werde‘ (Joh. 15, 11). Diese Freude drückt Maria im Magnifikat aus.“ Selbst angesteckt von dieser Freude zitiert Erzbischof Michel Aupetit enthusiastisch den ersten Vers von Marias Lobgesang:

Meine Seele preist die Größe des Herrn
Und mein Geist jubelt über Gott meinen Retter…
Um den Gläubigen abschließend zuzurufen:
„Heute schauen wir auf Maria, auf Maria, die Erste auf diesem Weg.
Auf Maria, die Zukunft des Menschen!“

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Quellen:

– KTOTV, Messe de la solennité de l’Assomption, en l’église Saint-Sulpice, 15 août 2019

– Homélies – Diocèse de Paris. Homélie de Mgr Michel Aupetit – Messe de l‘Assomption de la Vierge Marie à Saint-Sulpice, Paris, Jeudi 15 août 2019. L‘église catholique à Paris.

Übersetzung: Dr. Juliana BauerIch berücksichtigte insbesondere die gesprochene Predigt Michel Aupetits (KTO TV), ergänzte diese lediglich an einigen Stellen um Worte aus der Schriftfassung.

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