Bürgergeld oder Niedriglohn: Für viele Bürger eine Wahl ohne Qual!

Peter Helmes

Die Einführung eines „Bürgergeldes“ ist im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP verabredet und gehört zu den wichtigsten Vorhaben des Ampelbündnisses. „Wir lösen die Grundsicherung durch ein neues Bürgergeld ab, damit die Würde des Einzelnen geachtet und gesellschaftliche Teilhabe besser gefördert wird“, heißt es etwas vollmundig in der Präambel des Koalitionsvertrags.

Das Bundeskabinett billigte am 14. September den Gesetzentwurf für das neue Bürgergeld. Nun ist das Parlament am Zug. Das Bürgergeld soll ab Januar das Hartz-IV-System ablösen.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) verteidigte die Reform im Deutschlandfunk. Der Sozialstaat habe laut Verfassung die Pflicht, das Existenzminimum verläßlich abzusichern. In dem jetzt vom Bundeskabinett verabschiedeten Gesetzentwurf des Arbeitsministers zum „Bürgergeld“ ist ein erhöhter Regelsatz von 502 Euro für alleinstehende Erwachsene vorgesehen. Zudem soll es in den ersten sechs Monaten keine Sanktionen geben.

Heil (SPD): Bedürftige nicht gegen Geringverdiener ausspielen

Das geplante Bürgergeld werde es auch Langzeitarbeitslosen ermöglichen, Brücken in die Arbeitswelt zu schlagen, erklärte Arbeitsminister Hubertus Heil dazu. Man schaffe zum Beispiel Anreize, eine Ausbildung nachzuholen und so dauerhaft in Arbeit zu kommen.

Am 20. Juli 2022 hatte Heil seinen Entwurf für die Gestaltung des Bürgergeldes vorgelegt, am 11. September hat er zudem bestätigt, daß er 502 Euro als Regelsatz für alleinstehende Erwachsene anstrebt. Das Gesetz soll nach dem Willen von Heil am 1. Januar in Kraft treten – doch der Koalitionspartner FDP sieht zahlreiche Punkte darin kritisch.

Sanktionen, fehlende Teilhabe und Ernährungsarmut

Mit dem neuen Bürgergeld sollen drastische Sanktionen für versäumte Termine oder abgelehnte Arbeitsstellen weitgehend entfallen. Bestimmte Defizite des deutschen Grundsicherungssystems lassen sich mit Gesetzesänderungen aber nur schwer beseitigen.

Sanktionen sollen reduziert werden

Menschen, die Bürgergeld beziehen, sollen für ein halbes Jahr keine Leistungskürzungen befürchten müssen, auch wenn sie beispielsweise Termine im Jobcenter verstreichen lassen. Das solle ein Vertrauensverhältnis zwischen den Mitarbeitern in den Jobcentern und den Leistungsempfängern ermöglichen, sagte Heil. Nach sechs Monaten solle es aber bei „hartnäckigen Fällen“ Möglichkeiten für Sanktionen geben, also beispielsweise bei Menschen, die Termine überhaupt nicht wahrnehmen.

Regelsätze sollen steigen

Der Regelsatz für das neue Bürgergeld soll für alleinstehende Erwachsene 502 Euro im Monat betragen. Unter Hartz IV gibt es aktuell 449 Euro. Für volljährige Partner soll es zukünftig einen Regelsatz von 451 Euro im Monat geben. Für Kinder im Alter von 14 bis 17 Jahren sind 420 Euro vorgesehen. Für 6- bis 13-Jährige sollen es 348 Euro, für bis zu 5-Jährige 318 Euro sein.

Schonzeit für Wohnung und Vermögen

Zwei Jahre lang sollen Menschen auch dann Bürgergeld beziehen können, wenn sie ein Vermögen von bis zu 60.000 Euro besitzen, unabhängig von ihrem Alter. Danach sollen 15.000 Euro erlaubt sein. Aktuell gilt für Erwachsene eine Höchstgrenze von 9.750 bis 10.050 Euro, abhängig vom Alter.

In den ersten zwei Jahren soll auch nicht überprüft werden, ob die Wohnung klein und günstig genug ist. Bezieher von Bürgergeld sollen sich auf ihre Jobsuche konzentrieren können und nicht mit Wohnungssuche beschäftigt sein.

Nur ein neuer Name für Hartz IV?

Um das Bürgergeld gebe es einen übertriebenen „Hype“, sagt Ralph Bollmann von der FAS. Es klinge schicker als Arbeitslosengeld II, doch am Grundprinzip ändere sich nichts. Falsch sei es zu erwarten, sämtliche Sozialleistungen würden damit gebündelt.

Berufsausbildung statt Aushilfsjobs

Leistungsempfänger sollen zukünftig eher Bildungsabschlüsse nachholen, als in Aushilfsjobs vermittelt zu werden. Zwei Drittel der Langzeitarbeitslosen habe keine abgeschlossene Berufsausbildung, sagte Heil bei der Vorstellung des Entwurfes.

Nebenjobs für Schüler und Studierende sollen sich lohnen

Wenn Schüler oder Studenten mit einem Nebenjob dazuverdienen, sollen die Leistungen ihrer Eltern nicht gekürzt werden. Bis zu 520 Euro sollen so monatlich ohne Abzüge dazu verdient werden dürfen.

Jobcenter sollen keine Kleinstbeträge mehr zurückfordern

Wenn Leistungsempfänger fälschlicherweise Geld bekommen haben, soll das auch künftig zurückgefordert werden. Allerdings erst ab einer Bagatellgrenze von 50 Euro.

Sanktionsmöglichkeiten sollen erhalten bleiben

Monatelang hatten die Liberalen Kritik an den Plänen von Heil geübt. „Fördern und Fordern muß bleiben“, sagte FDP-Vizechef Johannes Vogel am 22. Juli 2022 im Deutschlandfunk. Dauerhaft weniger Sanktionen vorzunehmen überzeuge ihn nicht. Neun von zehn Menschen in der Grundsicherung kämen nie mit Sanktionen in Kontakt. Aber denjenigen, die nicht bereit seien, sich an Regeln zu halten, müsse man deutlich zeigen können, daß das nicht in Ordnung sei.

Das hat auch Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner immer wieder betont. Auf die Frage, ob die aktuell geltende Aussetzung der Hartz-IV-Sanktionen beim Bürgergeld übernommen werde, sagte er dem Portal „ntv.de“: „Auf gar keinen Fall.“ Beim Bürgergeld müsse es bei Pflichtverstößen Sanktionen geben. In der Corona-Krise waren einige Regelungen für den Sozialhilfebezug übergangsweise außer Kraft gesetzt worden. Auch nach dem Kabinettsbeschluß betonten FDP-Politiker, daß Fördern und Fordern weiter gelte. Das Bürgergeld sei auch kein bedingungsloses Grundeinkommen, sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr.

FDP kritisiert Heils Pläne zum künftigen Bürgergeld

 Es gebe ein echtes Problem durch Inflation und Heizkosten, und das treffe Empfänger von Sozialleistungen besonders hart, sagte FDP-Vize Johannes Vogel am 22. Juli 2022 im Deutschlandfunk. Es sei deshalb richtig und fair, daß die Heizkosten von Menschen in Grundsicherung in tatsächlicher Höhe übernommen werden. Auch sei es richtig, die Inflation bei der Anpassung der Regelsätze vollständig auszugleichen.

Darüber hinaus auch die Berechnungsgrundlage der Regelsätze anzupassen und diese außerplanmäßig zu erhöhen, sei hingegen nicht gerecht, sagte Vogel. Momentan erhalten alleinstehende Erwachsene Hartz-IV-Empfänger eine Monatszahlung von 449 Euro.

Man müsse auch diejenigen im Blick haben, die knapp oberhalb der Grundsicherung leben, sagte Vogel. Diese Menschen bekämen die Heizkosten nicht gezahlt und auch die Inflation nicht ausgeglichen – indirekt werde ihnen über die kalte Progression sogar die Steuer erhöht. (Kalte Progression entsteht, wenn in einem System mit progressiver Einkommenssteuer die Löhne steigen, beispielsweise durch Inflation, der Grundfreibetrag und die Besteuerungssätze aber nicht an diese Steigerung angepaßt werden.)

Kritik der Sozialverbände und Experten zu den Plänen

Der Paritätische Gesamtverband pocht auf deutlich höhere Regelsätze beim geplanten Bürgergeld. „Es reicht nicht aus, Hartz IV in Bürgergeld umzubenennen. Was es braucht, ist eine Totalreform zur Überwindung von Hartz IV“, sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider dem RedaktionsNetzwerk Deutschland am 20. Juli 2022.

Nach Berechnungen der Paritätischen Forschungsstelle müßte der Regelsatz aktuell bei mindestens 678 Euro liegen, um das soziokulturelle Existenzminimum abzusichern. Bis zur angekündigten Einführung eines Bürgergeldes brauche es zudem sofort einen monatlichen Aufschlag zur Grundsicherung. „Die Einmalzahlung verpufft angesichts der Inflation, bevor sie ausgezahlt ist“, sagte Schneider.

Schneider fordert außerdem, daß Sanktionen vollständig abgeschafft werden. Das sagte er am 12. September 2022 bei der Vorstellung einer Studie des Instituts für empirische Sozial- und Wirtschaftsforschung (INES) zu Sanktionen im Hartz-IV-System. Der Studie zufolge tragen Sanktionen nicht dazu bei, mehr Menschen in Arbeit zu bringen. Vielmehr belasteten sie die Langzeitarbeitslosen zusätzlich. Die Menschen fühlten sich zusätzlich stigmatisiert statt motiviert, ihre Arbeitssuche zu verstärken. Die Studie hatte das INES im Auftrag des Vereins „Sanktionsfrei“ erstellt.

Caritas und AWO loben die Richtung des Entwurfes

Die Vorschläge „atmen einen neuen Geist, geprägt von mehr Respekt gegenüber Menschen in einer Lebenskrise“, sagte Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa am 21. Juli 2022 in Berlin. Insbesondere die vorgesehene sechsmonatige Vertrauenszeit ohne Sanktionen sei lobenswert. Der neue Geist müsse zugleich in den Jobcentern gelebt werden. Es müsse zudem nun rasch geklärt werden, wie die Höhe der Sozialleistungen ermittelt werden, damit sie mit den Lebenskosten Schritt hielten. In Zeiten galoppierender Inflation sei das eine Existenzfrage.

Auch der Präsident der Arbeiterwohlfahrt, Michael Groß, erklärte, der Entwurf weise in die richtige Richtung. Es sei insbesondere wichtig, daß in den ersten zwei Jahren die Größe und der Preis der Wohnung nicht überprüft werden sollen. Dies bewirke, daß  Menschen, die frisch in den Leistungsbezug kämen, nicht sofort ihre Wohnung verlassen und dadurch ihre Lebensumstände dramatisch ändern müßten.

Handwerkspräsident: Bürgergeld schafft falsche Anreize für Geringverdiener

Das Bürgergeld-Konzept der Bundesregierung setzt nach Ansicht von Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer falsche Anreize für Geringverdiener. „Langzeitarbeitslose brauchen Unterstützung, um wieder in Arbeit zu kommen“, sagte er der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (12. September 2022). Das Bürgergeld-Konzept demotiviere dagegen diejenigen, die mit einem geringen Gehalt regulär arbeiten. „Am unteren Ende verschwimmen immer mehr die Grenzen zwischen regulärer Arbeit und dem Bürgergeld“, kritisierte der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks.

Die Verbesserungen für die Bezieher beim Schonvermögen, der Wegfall von Sanktionen, die deutliche Anhebung des Regelsatzes, die komplette Übernahme der stark gestiegenen Heizkosten, all das werde dazu führen, daß sich für mehr Menschen als bisher das Nichtarbeiten mehr lohnt als das Arbeiten, sagte Wollseifer.

Ökonomen loben Schritt gegen Armut, warnen aber vor Fehlanreizen

Der Wirtschaftsweise Achim Truger begrüßte die Pläne für eine deutliche Erhöhung der Regelsätze. „Die Erhöhung der Regelsätze und die zukünftig schnellere Anpassung an Preisänderungen sind sinnvoll“, sagte Truger den Zeitungen der Funke Mediengruppe (23. Juli 2022). Dadurch würde „ein längst überfälliger grundsätzlicher Schritt zur Armutsbekämpfung geleistet“. (Die Anpassung der Regelsätze und deren Berechnung lehnt die FDP allerdings ab.)

Truger, Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, forderte zudem eine zielgenaue Entlastung der ärmsten Haushalte angesichts der Belastungen aus der hohen Inflation. Obwohl die beiden bisherigen Entlastungspakete der Bundesregierung „insgesamt spürbar helfen, sind die 20 Prozent ärmsten Haushalte weiterhin am stärksten belastet“, sagte der Professor für Sozioökonomie an der Universität Duisburg-Essen.

„Das falsche Signal“?

Grundsätzlich sei eine Anhebung der Regelsätze angesichts der Inflation zwar richtig, sagte auch der Arbeitsmarktökonom Holger Schäfer vom arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) Köln, am 21. Juli dem Evangelischen Pressedienst in Köln. Allerdings dürfe die pauschale Anhebung der Regelsätze nicht dazu führen, daß der Abstand zwischen den Transferleistungen und dem in Aussicht stehenden Arbeitslohn für den Empfänger zu gering wird, um in einen Job zu wechseln. Sonst könne sich Arbeitslosigkeit verhärten.

Auch die geplante Aussetzung der Sanktionen in den ersten sechs Monaten des Hilfsbezugs sei kritisch. Sie sei als „sanfter Übergang“ gedacht, betonte Schäfer, verabschiede sich jedoch von dem Prinzip des „Fördern und Fordern“. Die Bezieher der Transferleistungen könnten sich so in den sechs Monaten der „Vertrauenszeit“ in der Situation einrichten. „Und dann ist es möglicherweise zu spät, daß die Leute mit guten Chancen auf den Arbeitsmarkt zurückkehren.“ Mit dieser Regelung sende die Bundesregierung „das falsche Signal“.

Ähnliches gelte für die Pläne zur Anhebung des Schonvermögens, da dieses auch für Hartz-IV-Bezieher derzeit nicht zu gering sei, sagte Schäfer. In dieser Sache fehle ihm „eine Begründung dafür, warum die Schonvermögen, so wie sie sind, jetzt wirklich zu niedrig sein sollen“, erklärte der IW-Experte.

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, vertritt zu Sanktionen hingegen eine andere Meinung. Sanktionen für Langzeitarbeitslose seien „kontraproduktiv und demotivierend“. Es sei daher dringend nötig, sie abzubauen oder gar „komplett zu entfernen“. Das forderte Fratzscher bei der Vorstellung einer Studie des INES zur Wirksamkeit von Sanktionen im Hartz-IV-System am 12. September 2022.

CDU-Merz skeptisch

Die Union sieht die Bürgergeldpläne von Heil skeptisch. CDU-Chef Friedrich Merz sagte am 21. Juli 2022 zu Agenturen, er sei „sehr gespannt, ob es überhaupt noch irgendwelche Anreize gibt, in den Arbeitsmarkt zurückzukehren“. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Carsten Linnemann kritisierte in der „Bild“-Zeitung: „Mit dieser Reform hängen wir die Agenda 2010 endgültig an den Nagel. Es kann doch nicht sein, daß knapp zwei Millionen Stellen in Deutschland unbesetzt sind und die Ampel das Arbeiten durch die Abschaffung des Prinzips ‚Fördern und Fordern‘ noch unattraktiver macht.“

Linken-Chefin Janine Wissler kritisierte den Entwurf  als völlig unzureichend. „Von den großen Ankündigungen der SPD und des Bundesarbeitsministers Heil, Hartz IV deutlich zu erhöhen, ist wenig übriggeblieben“, sagte Wissler der Nachrichtenagentur AFP. „50 Euro im Monat für einen Erwachsenen – und das ist noch nicht einmal mit dem Koalitionspartner abgestimmt“, monierte Wissler. „Selbst wenn die FDP ihren Widerstand aufgibt, wird diese Erhöhung von der Inflation schneller aufgefressen, als man gucken kann.“ Da helfe auch die Umbenennung von Hartz IV in Bürgergeld nichts.

Zudem habe Bundesfinanzminister Lindner zur Bedingung gemacht, daß die Sanktionen bleiben. „Auf Hartz IV angewiesenen Menschen sollen die Ämter also auch künftig noch was vom Existenzminimum wegnehmen. Vor diesem Hintergrund werden wir eine erneute Klage vor dem Bundesverfassungsgericht prüfen“, kündigte die Linken-Chefin an.

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Kommentar von Peter Helmes zum „Bürgergeld“:

Sozialismus durch die Hintertür

Wie teuer die Sozialreform den Steuerzahler kommt, ist noch gar nicht absehbar. Klar aber ist, daß die Ampel damit ein verheerendes Signal aussendet. Viele Erwerbstätige in den unteren Lohngruppen werden sich fragen, warum sie noch jeden Morgen aufstehen und als Kassiererin, Reinigungskraft oder Lkw-Fahrer hart arbeiten, wenn man mit dem Bürgergeld unterm Strich nicht schlechter fährt.

Wenn der Fleißige der Dumme ist, droht der Sozialstaat zu erodieren

Vor allem Familien mit mehreren Kindern oder Alleinerziehende kommen in der Grundsicherung auf Haushaltseinkommen, die im Niedriglohnsektor kaum erzielbar sind. Wenn sich Leistung nicht mehr lohnt und der Fleißige der Dumme ist, dann droht der Sozialstaat zu erodieren.

Gemeinsam haben Grüne und SPD in der Regierung von Gerhard Schröder nach der Jahrtausendwende die Hartz-Reformen durchgesetzt. Der damals als richtig erkannte Grundsatz des Forderns und Förderns trug maßgeblich dazu bei, daß die Massenarbeitslosigkeit aus Deutschland verschwand.

Nichts spricht dagegen, Hartz IV weiterzuentwickeln. Doch sollte man dabei nicht das Hauptaugenmerk auf Leistungsverbesserungen legen, wie es die Ampel-Koalition jetzt tut. Nötig wäre es vielmehr, sich intensiver als bisher darum zu kümmern, die Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt zu bringen. Die im Gesetzentwurf enthaltenden Ansätze zur Weiterbildung von Langzeitarbeitslosen und zur besseren Ausgestaltung von Hinzuverdienstmöglichkeiten sind richtig. Doch den harten Kern der Leistungsempfänger erreicht man so nicht, wenn man nicht energischer und auch härter als bisher Einsatzbereitschaft einfordert und nicht bloß freundlich darum bittet.

Fazit:

(Ein Kommentar von Dorothea Siems, Chefkorrespondentin für Wirtschaftspolitik, „Die Welt“):

„Trotz der guten Beschäftigungslage ist die Zahl der Hartz-IV-Bezieher unverändert hoch. Dabei bemühen sich die Unternehmen händeringend um Personal. Einer Million Langzeitarbeitslosen stehen 1,9 Millionen offene Stellen gegenüber. Gesucht werden keineswegs nur Fachkräfte wie IT-Spezialisten oder Heizungsmonteure. Die Personalnot ist gerade auch bei Helfertätigkeiten riesig. Auf dem Bau, an den Flughäfen oder in Gaststätten – überall gibt es Probleme, weil Mitarbeiter fehlen. Trotzdem hat jeder zweite Langzeitarbeitslose seit mindestens zwei Jahren keinen Job und jeder sechste ist sogar seit mindestens fünf Jahren nicht erwerbstätig.

 Der Mangel an Arbeitskräften ist keineswegs ein Luxusproblem. Für die Wirtschaft stellt die Personalnot ein enormes Wachstumshemmnis dar. Und die Gesellschaft steht erst am Anfang des demografischen Wandels. In den nächsten Jahren gehen die Babyboomer in Rente. Experten rechnen mittelfristig mit fünf Millionen fehlenden Arbeitskräften quer durch alle Branchen. Deutschlands Zukunftsfähigkeit hängt deshalb davon ab, ob es gelingt, die Leistungsbereitschaft der gesamten Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zu stärken.

Schon klar: Wer krank oder aus anderen Gründen nicht in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen, muß vom Sozialstaat alimentiert werden. Doch jeder, der arbeiten kann, sollte mit Anreizen und notfalls mit Druck dazu gebracht werden, mitanzupacken.“

In einem Sozialstaat haben nicht nur die Empfänger, sondern auch die Finanziers, also die Leistungserbringer, ein Anrecht auf eine faire Behandlung. Die Ampel gibt sich mit dem „Bürgergeld“ sozial und bürgerfreundlich, aber tut genau das Gegenteil. Hier wird nicht Leistung belohnt, sondern ins Gegenteil verkehrt:

 Der Fleißige ist der Dumme.

Das ist genau das Gegenteil von sozial. Das ist Sozialismus durch die Hintertür.  

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(Quellen: Magdalena Neubig, dpa, pto, Reuters, AFP, epd)

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