Schismaphobie? Das konservative Kaninchen zittert vor der linkskatholischen Schlange

Michael van Laack

Zur größten Freude von Bätzing, Stetter-Karp & Co. handeln die konservativen Katholiken in Deutschland wieder einmal reflexartig, arbeiten sich am Nebenkriegsschauplatz “Schisma” ab und jammern einmal mehr auf hohem Niveau über die Dreistigkeit der Linkskatholiken, die den Papst mehr und mehr als zahnlosen Tiger im fernen Rom betrachten.

Nebenkriegsschauplatz sage ich, weil es in der aktuellen innerkirchlichen Situation zweitrangig sein muss und gar kontraproduktiv wirken könnte, sich mit der Frage zu beschäftigen, ob einzelne Bischöfe ein Schisma riskieren würden, ob der Vatikan in Handlungen des ein oder anderen Bischofs (z. B. aktuell des Osnabrücker Bischofs Bode) nach Häresie riechende Akte erkennt oder ob bzw. wann der Heilige Vater den can. 751 CIC als erfüllt ansieht und nach der Verweigerung der Unterordnung unter ihn oder die Gemeinschaft mit den ihm untergebenen Gliedern der Kirche formal das Schisma feststellen würde.

Ohnehin wäre die Gefahr eines Schismas nur real, wenn es keinen anderen Weg mehr gäbe, einzelne Bischöfe ausdrücklich den Gehorsam verweigerten, einer Absetzung widersetzen und in ihrer Haltung auch vom Staat unterstützt würden. Zudem sieht Rom sehr wohl die Gefahr, dass die Feststellung eines Schismas einen Flächenbrand auslösen. Auch wäre das Ziehen von can. 751 mit Blick auf bestehende Konkordate ein äußerst komplizierter Vorgang.

Die Furcht vor einem Schisma ist nachvollziehbar, aber…

Es ist freilich verständlich, dass wir konservative Katholiken unter der Glaubensverdunstung in Deutschland leiden, zumal fast täglich neue grünrot lackierte Abrissbirnen um uns herum erscheinen, die tatsächlich oder zumindest aus unserer Sicht ewig Gültiges niederreißen wollen. Aber unsere Reaktion auf das Geschehen, welches ja nicht erst mit dem Synodalen Weg und dem herauf dräuenden Synodalen Ausschuss wie eine Orkanfront vor und über der katholischen Kirche in Deutschland hinwegzieht, sondern lediglich das große Finale eines künstlich herbeigeführten Wettergeschehens bildet, das wir Konservative über Jahrzehnte kommentierten, darf durchaus irritieren. Zunächst (in den 70ern) besorgten wir uns Regenschirme, zu Beginn der 90er wetterfeste Kleidung. Zwischenzeitlich forderten wir hin und wieder leise bis mittellaut das Abschalten der Windmaschinen, besaßen aber kaum einmal den Mut, aus eigenem Antrieb die Stromaggregate dieser Wettermaschinen abzuschalten.

„Gott wird die Kirche schon nicht verlassen!“, sagten wir uns immer wieder. „Bis jetzt ist ja alles nur halb so schlimm. Warten wir mal ab.“ Oder wir dachten uns “Rom wirds schon richten”. Hin und wieder schrieben einige von uns Briefe an Kongregationen bzw. Dikasterien oder an die Apostolischen Nuntiatur nach Berlin. Die Tagespost beklagte über Jahrzehnte pflichtschuldig und zur Selbstvergewisserung ihrer Leserschaft den ein oder anderen Missstand, besaß aber schon früh nicht mehr die Strahlkraft, um die kleinen basiskatholischen Vereinigungen zu inspirieren, wirksam zu unterstützen oder gar ihre Ausbreitung zu fördern.

Kein Dornröschenschlaf, denn wir wurden nie wachgeküsst

Wir setzten uns für das Lebensrecht Ungeborener ein und für das Recht des Menschen, in Würde aber nicht selbstbestimmt zu sterben. Dafür demonstrierten wir und gründeten Vereine und Initiativen, in denen wir uns zwar gegenseitig bestärken. aber im Außenverhältnis nicht mehr viel bewirken konnten. Denn wie fast immer seit den Jahren der Würzburger Synode kamen wir auch hier zu spät. Der Linkskatholizismus hatte sich längst neue Freunde in den politischen Milieus der sich immer rasanter zu einer postchristlichen Gesellschaft entwickelnden Bundesrepublik gesucht und damit bei den kirchen- und christfeindlichen Leitmedien offene Türen eingerannt.

Auch haben viele von uns erst sehr spät (manche vermutlich immer noch nicht) erkannt, dass CDU und CSU keine natürlichen Verbündeten mehr darstellen, sondern mittlerweile zur Machtverfügungsmasse für rote und grüne Ideologen mutiert ist, weshalb wir nicht einmal in den vergangenen zehn Jahren willens und in der Lage waren, uns strategisch breit aufzustellen und miteinander statt nebeneinander die Entwicklungen nicht nur zu beklagen, sondern auch zu bekämpfen.

Überhaupt: Der Christ ist zum Kampf geboren, sagte nicht zuerst und nicht zuletzt aber meistgelesen und -gehört Papst Leo XIII. – Kampf ist etwas, was man gemeinsam führt oder zumindest nach dem Motto “Getrennt marschieren, vereint schlagen“, was nichts anderes bedeutet, als sich gemeinsam auf ein Ziel zu einigen, sich ihm auf verschiedenen Wegen zu nähern und dann gleichzeitig zu “feuern”.

Möglicherweise ist der point of no return schon erreicht

Doch wir haben schon lange den Zeitpunkt verpasst, eine konservativ-katholische „Revolution“ zu starten. Das wurde spätestens klar, als “Wir sind Kirche” Mitte der 90er zahlreiche Priester für sich vereinnahmte und noch mehr Gläubige verunsicherte. Schon damals gab es keine effektive gemeinsame Reaktion der konservativen Bischöfe im Verein mit wirkmächtigen Laienmultiplikatoren; lediglich einen kleinen Verein, der sich den fast schon devot klingenden Namen “Wir sind auch Kirche”, gab.

Mit “Wir sind Kirche” demonstrierte der linke Laienkatholizismus erstmals massiv seine Macht, auch wenn er danach für ein paar Jahre in der Versenkung zu verschwinden schien. Doch er wirkte im Verborgenen weiter und baute in Ruhe vertikal und horizontal in und außerhalb des Klerus stabile Netzwerke auf. Wir Konservative hingegen schalteten wieder in den “Alles bleibt gut-Modus“ und bekämpften nebenbei die bösen Traditionalisten. Die Forderungen von „Wir sind Kirche“ schienen in nur wenigen Gemeinden Spuren hinterlassen zu haben. Zudem sprach der Papst beim Thema Beratungsschein ein Machtwort, ein Jahrzehnt später bekamen wir einen deutschen Papst geschenkt und fühlten uns wie im siebenten konservativen Himmel. Wir schliefen wieder ein. Der Traum war sooo schön…

Mit Franziskus begann die Wiederauferstehung der totgeglaubten Linken

Plötzlich und für viel unerwartet kam Papst Franziskus, ein der Befreiungstheologie nahestehender argentinischer Jesuiten. Papst, der in seinen ersten Jahren keinen Zweifel daran ließ, die Kirche von den Füssen auf den Kopf stellen zu wollen. Auch wenn ihm dies bisher nur in geringem Maß effektiv gelungen ist, wurden in Deutschland wieder jene linkskatholischen Kräfte, die bis dahin im Wachkoma zu liegen oder bereits verstorben zu sein schienen wieder aktiv.

Darauf waren wir Konservative nun überhaupt nicht vorbereitet. Denn in all den Jahren, in denen sich das Unheil ankündigte (es waren beinahe 50) ist es uns nicht gelungen oder hielten wir es nicht für nötig, stabile und schlagkräftige Vernetzungen herzustellen und auch nicht, in den Gemeinden größere Gruppen für uns zu gewinnen. Richtig bedacht, haben wir es fast nirgendwo versucht bzw. – sobald von irgendwo aus dem linken Raum der Ruf erschallte “Ihr wollt die Gemeinden spalten” zogen wir uns gehorsam zurück. Zwar entstanden neokatechumenale Bewegungen, die aber in der Tendenz eher liberal als konservativ ausgerichtet sind, wenn auch nicht liberal im Sinn der linken Ideologen.

Und heute? Heute stehen wir vor einem Scherbenhaufen. Drei Jahre haben wir wie ein Kaninchen auf die Schlange “Synodaler Weg” geschaut, hin und wieder mal einen Sprung angetäuscht, ihre Bewegungen und Beiß- bzw. Würgeversuche analysiert und davor gewarnt, sie in unsere Häuser schlüpfen zu lassen. Mehr nicht.

Sind wir besser als die Synodalen oder nur anders schlecht?

Was wir dem ZdK zurecht vorwerfen, dass es das Kirchenvolk nicht repräsentiert, haben wir mit Blick auf unsere Community in den einzelnen Gemeinden vor Ort auch nie oder nur punktuell versucht. Was nachvollziehbar ist, denn wir haben bekanntlich in den 80ern und 90ern verabsäumt, „Nachwuchs“ zu „rekrutieren“.

Was ist die Hauptursache für unser strategisch törichtes Verhalten? Wie zahlreiche Synodale sind auch wir das, was man mit dem eigentlich zu großen Wort “Elite” beschreibt. Den Kontakt zum Kirchenvolk haben wir weitgehend verloren, weil viele konservative Gläubige durch die von uns (wie oben beschrieben) immer wieder verteilten Beruhigungspillen mittlerweile lethargisch alles über sich ergehen lassen, was in ihrer Gemeinde so läuft. Hauptsache der Priester wandelt noch gültig, damit sie ihre Sonntagspflicht erfüllen können.

Viele andere sind uns weggestorben und die junge Generation erreichen wir immer weniger, weil sich unseres jungen Eliten ab Ende der 80er aus den Jugendverbänden herauszogen und damit der Einfluss auf diese Zielgruppe immer mehr schwand. Sie konnten den Mehrheitsdruck nicht mehr aushalten und fanden bei uns – den stets mit sich selbst, dem Papst, der Kirchengeschichte, dem Kirchenrecht und phasenweise auch mit aus der Zeit gefallenem Frömmigkeitsgeseiere selbstbeschäftigten Eliten kaum mehr Orientierung, geschweige denn Rückhalt oder Ermutigung. Diese Generation ist also für uns in den allermeisten Bistümern verloren.

Quo vadis?

Und nun? Sollen wir nun nach dem “Rette Deine Seele”-Prinzip den Kampf aufgeben? Nein! Aber wir müssen auf die veränderte Situation reagieren und damit aufhören, in unseren eigenen kleinen elitären Zirkeln, die sich oft noch gegenseitig als Konkurrenz empfinden, in der Theorie großartige Strategien zu entwickeln, die niemals eine praktische Umsetzung finden, weil uns schlicht und ergreifend die Quantität und Struktur fehlt. Und wir müssen weg von dem Denken, dass, wenn wir nur in unsere eigenen kleinen Gläubigen- und Fanblasen (die zumeist einen Querschnitt aus allen deutschsprachigen Diözesen bilden) hineinsprechen, damit unserem Evanglisierungsauftrag Genüge getan haben.

Auf das man mich nicht falsch verstehe: Es ist wichtig, dass z. B. Matthias von Gersdorff fast täglich seit mehreren Jahren unermüdlich die komplexen Texte des Synodalen Wegs für seine Abonnenten aufbereitet, was Margarethe Strauß theologisch tiefergehend ebenfalls tut. Es ist wichtig, dass wir ein Forum Deutscher Katholiken haben, dass Journalisten wie Peter Winnemöller, Michael Schneider-Flagmeyer oder Bernhard Meuser ihre Arbeit in einem gewissen Abstand zu „Aktivisten“ tun. Auch ist eine Publikation wie die Tagespost nicht wegzudenken, auch wenn sie zunehmend an Relevanz verliert. Wir benötigen dringend Klaus Kelles Schwarmintelligenz und Dieter Steins oft wohlwollende Begleitung. Wir brauchen auch die vielen kleinen und kleinsten Plattformen wie cathwalk oder unser conservo, auch wenn die Reichweite nur gering ist. Wir benötigen dringend Vereine und basiskatholische Initiativen wie Maria 1.0, auch wenn man solchen Vereinen nur empfehlen kann, sich in ihre Teams PR-Strategen zu holen, die Verlautbarungen und Tweets vom Ende her denken und rechtzeitig mahnend den Zeigefinger heben, damit sich öffentliche Äußerungen nicht zu Querschlägern, Rohrkrepierern oder gar präsuizidalen Akten entwickeln.

Schwarmintelligenz und Dialog auf Augenhöhe? Tja…

Was wir allerdings nicht brauchen, sind elitäre Funktionärszirkel aus Journalisten, monetarisierten Blogs und Channels sowie den wenigen noch vorhandenen konservativen Klerikern, die weiterhin nichts anderes tun als in den seit Jahrzehnten nahezu gleichen und nur durch Tod oder schwere Krankheit marginal veränderten Besetzungen zusammenzuwirken. Man kennt sich, man vertraut sich, man hypt sich in der PR gegenseitig und gestaltet in realen oder virtuellen Hinterzimmern konservativ-katholische “Politik” fürs Reißbrett. Denn dieses Modell versagt augenscheinlich seit längerer Zeit, sonst wären wir jetzt nicht in dieser äußerst prekären Situation.

Es gibt im Hintergrund sehr ernsthafte und zielführende Überlegungen, über die richtige strategische Vorgehensweise, die aber der Diskretion bedürfen.

las ich gestern auf meinem Facebook-Profil, als ich die in diesem Artikel ausführlich behandelte Thematik in einem ausführlichen Kommentar und doch komprimiert darstellte. Uns läuft die Zeit davon. Es bedarf jetzt des Zusammenfindens der gesamten Schwarmintelligenz unserer Milieus zu einem Gehirn. Wenn wir weiterhin verharren und lediglich das tun, was die konservativ-katholische Elite seit 50 Jahren tut, wird es sich definitiv nicht mehr verhindern lassen, dass die katholische Kirche in Deutschland in weitesten Teilen entweder von den Pforten der Hölle überwältigt wird oder einfach so zugrunde geht. Vielleicht lässt es sich auch mit einer anderen strategischen und inhaltlichen Aufstellung nicht mehr verhindern, aber wir müssen es wenigstens versuchen.

Der Prophet im eigenen Land – Das endet selten gut

Das Vorstehende stellt einen Appell an Sie und Euch dar, von dem ich allerdings fürchte, dass die meisten direkt oder indirekt Angesprochen (so sie diesen Artikel überhaupt lesen), ihn nach einem müden Lächeln oder Achselzucken aus ihrem Gedächtnis streichen. Denn für das monetarisierte konservativ-katholische Milieu sind kleine Rädchen im konservativ-katholischen Betrieb irrelevant. Manchmal fürchte ich sogar, wir werden von Ihnen und Euch als Gefahr eingestuft, deren Eindringen ins geschlossene System verhindert werden muss um das „Weiter so!“ nicht zu gefährden.

Spricht aus diesen letzten Zeilen Verbitterung? Vielleicht ein wenig. Hauptsächlich aber Unverständnis und beinahe sogar Resignation. Denn objektiv sind die Haltung der Mitglieder des Synodalen Wegs und unserer konservativ-katholischen Eliten in einem Punkt fast deckungsgleich: Beide Gruppen halten sich für das einzig legitimierte Sprachrohr des ihm zugeneigten Teils des pilgernden Gottesvolkes in Deutschland. Der Unterschied liegt lediglich darin, dass die Synodalen diesen Anspruch bei jeder sich bietenden Gelegenheit postulieren und unsere Leute (ohne nach außen einen Apparat oder eine feste Struktur zu repräsentieren) „lediglich“ aus diesem Selbstverständnis heraus handeln.

Nec laudibus, nec timore!

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