Kreuth – ein konservativer Aufbruch

KA_Logo-624x382Von Peter Helmes

Wenn „Kreuth“ ansteht, rechnen die meisten politischen Beobachter mit irgendeinem Paukenschlag – so wie jener von 1976, als es um die Trennung von CDU und CSU ging. Oder um den Sturz eines Ministerpräsidenten oder eines „Kronprinzen“ usw. Man durfte also auch heuer gespannt sein, was die Partei ihren Anhängern (und Gegnern!) darzubieten hatte.

Ein kreidefressender Innenminister

Wie immer, konnte die CSU-Landesgruppe auch diesmal wieder prominenten Besuch erwarten. Das gehört zur Kreuther Theateraufführung. Neben NATO-Generalsekretär Stoltenberg durfte insbesondere Bundesinnenminister Thomas de Maizière seine Aufwartung machen, letzterer mit besonderer Spannung erwartet ob seiner butterweichen Einlassungen der letzten Monate zu Asylfragen und zu Pegida, die in der Partei eher kritisch gesehen werden (gemeint ist natürlich die Haltung des Ministers). Aber der Herr Minister hatte zuvor wohl eine Menge Kreide gefressen. Jedenfalls verkündete Seehofer nach de Maizières Auftritt selbstbewußt: „Alles, was der Innenminister gesagt hat, war total in meinem Sinne“. Er habe alle CSU-Forderungen gut geheißen.

Seehofers Rücktrittsankündigung – ein Sensatiönchen

Ein allerdings nicht unerwartetes Sensatiönchen verkündete Kini Horst I. gleich selbst: Er werde „jetzt doch“ 2018 nicht mehr als Ministerpräsident kandidieren – eine gute Nachricht nicht nur für die eifrig mit den Hufen scharrenden möglichen Nachfolger(innen), sondern, wie der Schreiber dieses meint, auch für die unter Seehofer arg hin- und hergerüttelte Partei, die unter dem „Drehhofer-Symptom“ mehr gelitten als gelacht haben könnte.

Ein (vermutlich ungewolltes) Eigentor schoß dann Seehofer auch noch: In einemInterview bemerkte er, er erwarte von der Kanzlerin sehr wohl, daß sie ein weiteres Mal kandidiert. Sie sei „auf dem Höhepunkt ihres Schaffens, ihres Ansehens und ihrer Autorität“. Das heißt doch wohl nichts anderes als: „Ich bin das nicht, und ich weiß das auch.“ Man darf grinsen.

Ein ruppiger Kardinal stört die Stimmung

Zur Sache: Ein “zentrales politisches Thema” werde auch 2015 wieder die Zuwanderung sein sowie (u. a.) die Wirtschafts-, die Sicherheits- und die Flüchtlingspolitik, ließ die CSU im Vorfeld von Kreuth verlauten. Vor der Tagung wies Seehofer Kritik der Katholischen Kirche an der Asylpolitik der CSU zurück. Man habe ein ausgewogenes Konzept vorgelegt. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Münchens Kardinal Marx, hatte die Forderung der CSU nach schnellen Abschiebungen kritisiert. Insbesondere die von der CSU vorgesehene Trennung zwischen Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen sähe er als kaum machbar an.

Der Kirchenfürst wurde ungewöhnlich deutlich – eine Deutlichkeit, nebenbei bemerkt, die der Chronist bei ihm zu den Problemen mit dem Islam sehr vermißt (aber das ist ein anderes Thema). „Pauschale Lösungen lehnen wir als Kirchen ab, denn das Asylrecht ist bezogen auf den Einzelnen“, sagte Reinhard Marx. Das war eine von der CSU als unbotmäßig aufgefaßte Kritik. „Nicht nachvollziehbar“ sei das, schleuderte ein verärgerter Parteichef Seehofer zurück. Er werde Marx deswegen um ein persönliches Gespräch bitten. Da müsse wohl ´mal ´was geklärt werden, da müsse er wohl ein „Missverständnis“ aufklären. Der bisher harmonische Dreiklang CSU, Kreuth und Kirche hat aber sichtbar einen Riß bekommen, jedenfalls klingt Harmonie anders – trotz behaupteter Bemühungen von Seehofer und Marx, den Krach nicht zu hoch zu hängen.

Eine Provokation in der Asylpolitik?

Was fordert die CSU denn da so Schlimmes, daß der Kardinal sich darob so echauffieren muß? „Wer aus rein wirtschaftlichen Gründen das Recht auf Asyl als Einwanderungsrecht missbraucht, muss Deutschland zügig wieder verlassen“, steht in dem Papier für Kreuth unter anderem. Und: „Die CSU-Landesgruppe setzt sich daher im Rahmen eines Modellprojektes für eine weitere Beschleunigung des Asylverfahrens durch eine gezieltere Verfahrensführung ein.“

Der CSU schwebt (in einigermaßen klaren Fällen) eine Frist von höchstens sechs Wochen vor. (Bislang dauern Asylverfahren rund acht Monate bis zur Entscheidung.) Der CSU gilt das „Schweizer Modell“ als Vorbild, wonach ein Asylverfahren nach sechs Wochen abgeschlossen sein muß. Genau das aber, gepaart mit der deutlichen Wortwahl, bringt der CSU die aktuelle Kritik ein.

Klar sind aber schon länger die drei Säulen der CSU-Flüchtlingspolitik, auf die Seehofer erneut hinwies: Humanität bei der Aufnahme der Flüchtlinge, Schutz der Rechtsstaatlichkeit durch Verhinderung von Asylmissbrauch, schnellere Verfahren und Abschiebung illegaler Zuwanderer insbesondere aus sicheren Drittstaaten, Hilfe zum Verbleib in den Heimatländern.

Zudem müsse Europa auch seine Außengrenzen besser schützen. Es bleibe auch bei den klaren Grundsätzen der CSU betreff der Integration. Dabei stehe das Erlernen der deutschen Sprache an erster Stelle.

Die Frage „Wollen wir wirklich Daten von Terroristen und Kriminellen schützen oder wollen wir die Deutschen schützen?“, stand nicht zu überhören im Raum, ebenso wie der Ruf nach Vorratsdatenspeicherung. Sie müsse, betonte der CSU-Vorsitzende, in Deutschland eingeführt werden, um Anschläge „schon im Vorfeld verhindern zu können“. Dasselbe gelte für die Bestrafung von Werbung für terroristische Organisationen – 2002 von Rot-Grün abgeschafft – und Dschihadisten, die eine doppelte Staatsbürgerschaft haben, soll nach dem Willen der CSU die deutsche entzogen werden.

„Geist des Konservativen Aufbruchs“ in Kreuth

Die Themensetzung zur Klausur erschien mit sieben Positionspapieren ausreichend, aber in Kreuth selbst, zu Beginn der Tagung, kamen Fragen auf, die der CSU-Führung wenig behagte. Aus dem „Geist von Kreuth“ drohte ein „Geist des KA“ (Konservativer Aufbruch) zu werden, der die so schönen Pläne der CSU-Leitung gehörig durcheinanderwirbelte und einen Strich durch die Planung machte.

Es war – wer sonst? – Hans-Peter Friedrich, der schon auf dem CSU-Parteitag für einen Konservativen Aufbruch geworben hatte und jetzt scharfe Kritik am „zu wenig konservativen und zu wirtschaftsfernen Kurs“ der Partei übte. Er bestand auf ein Bekenntnis zu diesem Thema: „Diese Diskussion muß geführt werden“, wird er in Kreuth zitiert, und setzte nach: „Wieso soll ich das zurücknehmen? Es ist alles richtig, was ich gesagt habe.“

Seehofer reagierte heftig. „Diese Generalkritik kann ich nicht verstehen“, sagte er und kündigte an, mit Friedrich „unter Freunden sauber“ zu reden („sauber“ steht im Bayerischen auch für „Klartext“). Seine Verärgerung über das Vorgehen Friedrichs war ihm sichtlich anzumerken. Dessen „laute Kritik“ drohe die inhaltlichen Beschlüsse von Kreuth zu überlagern.

„Zusammenhalt, Begeisterung!“ Jawoll, Chef!

Mit einem trotzigen „Zusammenhalt, Durchhaltevermögen, Begeisterung!“ gab er – fühlbar um Ablenkung bemüht – die Devise für die nächsten Monate aus und ergänzte: Mehr Biss, auch innerhalb der Union! Bei Gesprächen im Kanzleramt werde „nicht nur geschmust, sondern auch gebrüllt“. Gut gebrüllt! Oder: Der KA hat den Biß, „der Chef“ darf brüllen – noch.

Begeistert (aber in gebotenem Maße) ist auch der Konservative Aufbruch. Seine erst gut halbjährige Vorarbeit hat sich – nach dem großen Erfolg auf dem Parteitag im Dezember – wieder einmal umgesetzt. Am KA kommt man in der CSU offensichtlich nicht mehr vorbei. Die Forderungen des KA z. B. nach Beschleunigung der Asylverfahren, der konsequenten Rückführung abgelehnter „Asylanten“ sowie das Aussetzen des Schengen-Abkommens sind in Partei und CSU-Fraktion angekommen – und dürften auch nicht mehr lange vor der CSU-Landesgruppe im Bundestag haltmachen.

Ein selbstbewußter Konservativer Aufbruch

Es ist also recht verständlich, wenn einer der Sprecher des KA mit breiter Brust vor die Mikrophone tritt und seiner Freude Ausdruck gibt! David Bendels (KA-Initiator):

„Ich freue mich sehr, dass die konstruktiven Anregungen und Forderungen des Konservativen Aufbruchs von der CSU-Führung nun zunehmend aufgegriffen und berücksichtigt werden. Aber es darf nicht bei reinen Ankündigungen und Versprechen bleiben. Es darf kein weiteres Handeln nach dem Schema ´rechts blinken und links abbiegen` geben, Stichwort ´Asylpolitik`, denn die Bürger erkennen reine ´Schaufensterpolitik` gottlob sehr schnell.

Unsere CSU muss wieder Wort halten. Wir müssen klaren Worten auch konkrete Taten folgen lassen. Die Wähler erwarten von uns eine ehrliche, verlässliche und pragmatische Politik des gesunden Menschenverstands. Getragen von einem festen Wertefundament. Dafür kämpft der Konservative Aufbruch in unserer CSU.

Der Konservative Aufbruch wird seinem Anspruch auch zukünftig gerecht werden: Wir sind das Sprachrohr und die Interessenvertretung der konservativen Basis unserer CSU. Wir schauen der Parteiführung auf die Finger – und notfalls klopfen wir auch auf diese.”

Auch das ist eine Lehre von Kreuth 2015: Wer beharrlich zum Ziel hinarbeitet, klug und überlegt vorgeht und Mitstreiter gewinnt, erreicht es auch. „Politik ist das Bohren dicker Bretter“, sagt zwar der Soziologe Max Weber, aber in Bayern sind die Bohrer härter als die Bretter. Wenn´s sein soll, steinhart!

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