Das große Zittern – Die Presseschau zum AfD-Programmparteitag

(www.conservo.wordpress.com)

Zusammengestellt von Thomas Böhm*) und Peter Helmes

Viel Feind, viel Ehr

Von Thomas Böhm

Das wird eine ganz harte Nummer für die AfD. Wenn die Rotfaschisten bereits jetzt schon AfD-Mitglieder im Netz zum Abschuss freigeben, wenn eine wie Beatrix von Storch wegen Morddrohungen rund um die Uhr bewacht werden muss, wie soll sich das eigentlich noch steigern bis zur Bundestagswahl im Herbst nächsten Jahres?

Egal, da muss die junge Partei durch und wir wissen ja von den tollen Ergebnissen bei den letzten drei Landtagswahlen, dass viel Feind auch viel Ehr bedeutet und dass sich immer weniger Bürger von den linken Kampftruppen auf der Straße, in den Medien und auf der politischen Bühne einschüchtern lassen.

Die Berichterstattung der Staatsmedien über den Programmparteitag in Stuttgart schwankt zwischen Verzweiflung und Irritation, die AfD ist nun nicht mehr klein zu schreiben und auch die Verortung an den rechten-rechten Rand zieht nicht mehr wie in früheren Tagen.

Der neue Konsens der linken Journalisten heißt, „die AfD wäre rückwärtsgewandt“, klingt harmloser als reaktionär, ist aber genauso falsch, wie fast alles andere, was über Petry & Co berichtet wird, denn wen jemand reaktionär ist, dann sind es die Linken. Der Pendel der Zeit schlägt nun mal in eine andere, neue Richtung. Das wissen sie, deshalb zittern sie, deshalb haben sie solche Angst um ihre Pfründe.

Allen voran mal wieder Alan Posener von der „Welt“, der ernsthaft behauptet, „Minarett- und Muezzinverbote retten keine Renten“, was ungefähr so albern klingt wie „Der Verfassungsschutz macht noch keinen Fußballweltmeister“.

FAZ

Die AfD ist gegen einen zentralisierten Bundestaat „EU“, sie ist auch gegen „Vereinigte Staaten von Europa“. Dagegen sind auch viele andere Zeitgenossen, bei uns und in vielen anderen europäischen Ländern, unabhängig davon, dass diese Konzepte sowieso in die Jahre gekommen sind.

Integrationsskepsis ist also kein Alleinstellungsmerkmal der AfD. Mit der Drohung allerdings, aus der EU, die selbstverständlich als undemokratisch denunziert wird, auszutreten, sollten „grundlegenden Reformansätze“ nicht verwirklicht werden, steht der populistisch-nationalkonservative Emporkömmling allenfalls für eine Minderheit.

Ja, die EU hat Mängel; der Zeitgeist bläst ihr ins Gesicht, ihre Institutionen stoßen auf Misstrauen. Schuld daran haben viele – auch Mitgliedstaaten, deren Politik gemeinschaftswidrig und deren Rhetorik heuchlerisch ist. Wäre es wirklich im Interesse Deutschlands, aus der EU auszutreten angesichts einer Weltlage, die ist, wie sie ist? Mit Romantik und Nostalgie zurück in die Zukunft? Das 19. Jahrhundert liegt hinter uns! Wie geschichtsvergessen muss man sein, um damit hausieren zu gehen? (http://www.faz.net/aktuell/politik/eu-austritt-die-afd-ist-zurueck-im-19-jahrhundert-14210142.html#/elections)

Lokalpresse (zusammengestellt vom „Focus“)

„Thüringer Allgemeine“ (Erfurt): Mit dem Parteitag in Stuttgart hat sich die AfD endgültig fest in der rechtspopulistischen Ecke eingerichtet. Die Allianz mit der österreichischen FPÖ, dem französischen Front National und anderen rechten Parteien in Europa nimmt immer deutlichere Formen an. Gleichzeitig aber vermied die Partei mit – teilweise knappen – Mehrheiten noch extremere Positionen. Dazu passt, das der sich moderat gebende Bundeschef Jörg Meuthen der neue starke Mann der AfD ist.

„Mittelbayerische Zeitung“ (Regensburg): Die AfD hat sich, drei Jahre nach ihrer Gründung, ein Programm gegeben, mit dem sie in den Bundestag einziehen will. Allerdings handelt es sich dabei um ein Sammelsurium aus größtenteils rückwärtsgewandten, populistischen, möglicherweise sogar verfassungswidrigen Losungen. Die AfD möchte die Uhren zurückdrehen hin zum guten alten Nationalstaat. Doch so ist diese Partei keine wirkliche Alternative für Deutschland.

„Meuthens neues Deutschland macht Angst“

„Hannoversche Allgemeine Zeitung“: Die AfD appelliert an besserverdienende Besitzstandswahrer und an die Abgehängten, die sich mit einer einfarbigen Gesellschaft trösten wollen. Das zeigt sich auch in der europäischen Zusammenarbeit: Mit dem sozialistisch-nationalen Front National in Frankreich gebe es nur einen „Minimalkonsens“, mit der stramm rechten, aber wirtschaftsliberalen FPÖ hingegen einen „Maximalkonsens“. Meuthen fordert einen „gesunden, unverkrampften Patriotismus“. Von Abwehrkräften gegen rechtsradikale Menschenfeinde spricht er nicht. Auch deshalb macht sein neues Deutschland Angst.

„Die AfD möchte ein anderes Land: nationalkonservativ, unmodern, intolerant, anti-europäisch“

„Westfälische Nachrichten“ (Münster): Die AfD singt das Hohelied auf die Freiheitlichkeit – und verdammt den Islam trotz grundgesetzlich garantierter Religionsfreiheit. Ihre Funktionäre gerieren sich als durch die Medien unmenschlich und unschuldig Verfolgte, sie inszenieren sich als das gute Anti-Establishment und rechtfertigen damit die ständigen Entgleisungen ihres Führungspersonals. Die AfD möchte ein anderes Land: nationalkonservativ, unmodern, intolerant, anti-europäisch. Das alles klingt sehr alternativ. Eine Alternative für Deutschland ist diese rechtspopulistisch irrlichternde Sektierer-Truppe so aber keineswegs. (http://www.focus.de/politik/deutschland/so-kommentiert-deutschland-neues-afd-programm-presseschau-zum-parteitag-in-stuttgart_id_5489278.html)

Frankfurter Rundschau

…Die AfD, gegründet 2013, als Deutschland noch über den Euro und Finanzkrisen debattierte und nicht über eine Million Flüchtlinge, deren Unterbringung, Angriffe von Fremdenhassern auf Heime, nicht über Pegida und die Kölner Silvesternacht, die AfD holt in Stuttgart gerade Luft und rüttelt sich zurecht. Sie ist organisiert, sie ist optimistisch. Sie ist in die Landtage von Brandenburg, Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Hamburg, Bremen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg eingezogen. Im Herbst wird sie, daran bestehen keine Zweifel, deutlich in Mecklenburg-Vorpommern ins Schweriner Parlament einziehen. Und im nächsten Jahr in den Bundestag.

Volkspartei werden, die Geschicke des Landes auf längere Sicht mitbestimmen. Das sind die nächsten Schritte, die sich Meuthen und die AfD-Führungsriege vorgenommen haben. 2015 hieß es noch, man sei gekommen, um zu bleiben. Dann Lucke, 4000 Mitglieder verließen mit ihm die Partei. Aber die AfD ist geblieben und hat sich davon erholt. Nun will sie nicht nur bleiben, sondern weiterkommen.

In ein anderes Deutschland. „Ja“, ruft Meuthen, man wolle „weg vom linken, rot-grün verseuchten, leicht versifften 68er-Deutschland“. Hin zu einem „wirklich freien, souveränen Nationalstaat Deutschland in der Völkergemeinschaft der Welt“. Da habe Justizminister Heiko Maas (sobald sein Name fällt lautes Buhen auf dem Parteitag) schon recht, es gehe um einen „Fahrplan in ein anderes Deutschland“… (http://www.fr-online.de/politik/afd-parteitag-petry-auf-den-spuren-von-lucke,1472596,34173644.html)

n-tv

Was Fans der AfD als Basisdemokratie lobpreisen, was diese so erfrischend von den „Altparteien“ abhebe, war eine Farce. Der zweite Tag gipfelte in Geschäftsordnungsanträgen, die forderten, es möchten keine Geschäftsordnungsanträge mehr zugelassen werden und keine Anträge mehr abgestimmt werden, die nicht verstanden worden waren.

Am Ende beschlossen die mehr als 2100 angereisten Mitglieder das Grundsatzprogramm trotzdem – nachdem sie eine willkürliche Auswahl an Änderungsanträgen zerredet hatten. Das Beschlossene mäandert zwischen Größenwahn (raus aus der EU, wenn sie sich nicht reformiert), paternalistischem Getue (keine Wehrpflicht für Frauen, weil diese als Gebärende Leben schenken und nicht nehmen sollen, und weil die „Dreifachbelastung“ inklusive Kinder und Haushalt unfair wäre), Grundgesetzbruch (der Islam gehört nicht zu Deutschland) und Marginalien (Rundfunkbeitrag nur für die, die Öffentlich-Rechtliche nutzen).

Auch mit den unzerredet beschlossenen Teilen des Grundsatzprogramms haben die AfD-ler sich für eine Abkehr vom „links-rot-grün-verseuchten 68er-Deutschland“ hinein in ein „anderes Deutschland“ entschieden. Das glauben sie jedenfalls. Ob das wirklich alles so erquicklich und alternativ fürs Land wäre, darf bezweifelt werden. Vor allem wundert man sich, wie schlimm es nach Darstellung der AfD-ler in Deutschland ist. Als würde alles nur noch den Bach runtergehen… (http://www.n-tv.de/politik/So-wird-das-nichts-AfD-article17596386.html)

Der Spiegel

…Die AfD hat sich ein Baukasten-System an Anti-Themen zugelegt (Islam, politische Klasse, Euro, etablierte Parteien). Ein weiterer Baustein kam in Stuttgart hinzu – die kulturelle Abgrenzung gegenüber Rot-Grün. Das war einst auch ein Lied, das auf CDU-Parteitagen gesungen wurde, aber seit Angela Merkels gesellschaftlichem Kurs hin zur Mitte weitgehend verstummt ist. Bei der AfD – in die es viele heimatlose Konservative getrieben hat – darf es weiterleben. Das klingt aus dem Munde ihres Vorsitzenden Jörg Meuthen dann so: Man wolle „weg vom linken rot-grün verseuchten, leicht versifften 68er-Deutschland“. Da war der Jubel in der Messehalle groß.

Es wäre jedoch zu einfach, die AfD-Mitglieder als eine Ansammlung rückwärtsgewandter Menschen zu betrachten. Auch die gibt es, vor allem in Gestalt fundamentalistischer Christen. Viele aber, die in Stuttgart an den Saalmikrofonen diskutierten, waren Menschen aus der Mitte: Juristen, Beamte, Lehrer, Musiker. Sie waren sich in vielem nicht einig. Auch das war in Stuttgart zu beobachten: Je mehr die Partei weg von den abstrakten Slogans und ins Detail ging, umso mehr wurde deutlich, wie strittig vieles an der Basis ist. Kontrovers wurde etwa Deutschlands Stellung zur Nato diskutiert (Vize Gauland musste ein vehementes Plädoyer für den Verbleib im Bündnis halten), die Wiedereinführung der Wehrpflicht, die Familienpolitik – selbst die Ablehnung des Islam („Gehört nicht zu Deutschland“) fiel nicht auf ungeteilte Zustimmung.

Vor allem der Nachwuchsverband zeigte sich als Stimme des stramm-rechten Flügels. So wurde vor allem ein Antrag der „Junge Alternative“ emotional debattiert, der eine Verschärfung des Abtreibungsrechts vorsah. Das Papier wurde schließlich mit deutlicher Mehrheit abgelehnt, auch weil viele der (weniger präsenten) Frauen in der AfD sich vehement dagegenstemmten.

Immerhin: Einige liberale Errungenschaften des „versifften 68er Deutschlands“ wollen also auch manche in der AfD nicht gänzlich missen. (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/kommentar-zum-afd-parteitag-das-phaenomen-bleibt-vorerst-a-1090278.html)

Tagesspiegel

…Denn bei Lichte besehen stimmt es zwar, dass die AfD bereits vorhandene Ängste vor einem radikalen Islam artikuliert und verstärkt, um die eigene Nachfrage nach Einfluss, Posten und Aufmerksamkeit zu befriedigen. Viele der nun in Stuttgart beschlossenen Kernpunkte erscheinen aber nur aus deutscher Perspektive besonders radikal. Ein Minarettbauverbot wurde vor Jahren vom Schweizer Volk beschlossen und das geforderte Kopftuchverbot auch für Schülerinnen und Studentinnen entlehnte die Partei aus Frankreich, wo es 2004 beschlossen wurde.

Sich an ihrem Programm abzuarbeiten, wird die AfD deshalb nicht „entlarven“. Entscheidender ist doch, dass die AfD mit den von ihr genutzten Symbolen auf subtile Weise ein Gefühl transportiert. Ein Empfinden von Bedrohtheit, das zugegebenermaßen nicht erst seit dem Erscheinen der AfD in der Welt ist. Diesem Gefühl gilt es auf ähnliche Weise ein Gefühl entgegensetzen. Nicht als Ersatz für rationale Argumente, aber als Ergänzung. Denn die Emotionalisierung der politischen Arena, die die AfD auf ungute Weise erreicht hat, wird sich so schnell nicht rückgängig machen lassen.

Ein empathischer Ansatz könnte sein, sich Neuem gegenüber offen zu zeigen, aber auch Verlustängste nicht von vorneherein der Lächerlichkeit preiszugeben. Angela Merkels „Wir schaffen das“ transportierte kein solches Gefühl. Es haftete ihm etwas allzu Apodiktisches an. Wohl nichts zeigt die Grenzen von Merkels Politikstil stärker auf als diese von der AfD aufgezwungene Emotionalisierung. Mit ihr wird über die Bundestagswahl 2017 hinaus zu rechnen sein. (http://www.tagesspiegel.de/politik/afd-parteitag-politik-mit-einem-gefuehl-der-bedrohtheit/13528362.html)

taz

…Die Nachricht, dass ein rechter Mob Justizminister Maas bedrängte, wurde in Stuttgart frenetisch bejubelt. Wer für Toleranz gegenüber dem Islam warb, wurde gnadenlos ausgebuht. Diese Partei treibt das Ressentiment voran, die Verachtung für das Andere und Gewaltfantasien. Der sonore Professor Meuthen möchte die Republik von der linksgrünen 68er Seuche reinigen. Die Wortwahl ist beredt: Gegen Seuchen sind fast alle Mittel erlaubt. So symbolisiert gerade der nette Parteichef die Radikalisierung der AfD. Die Moderaten sind nicht nur unwillig, den rechtsextremen Flügel zu stutzen. Sie klingen mitunter selbst wie Höcke & Co.

Die AfD befindet sich derzeit in einer Phase, die typisch für neue Parteien im Aufschwung ist. Der autosuggestive Glaube an den eigenen Erfolg und der Größenwahn, bald die Macht im Land zu erobern, liegen nahe beieinander. Die Mixtur von Selbstüberschätzung und Radikalisierung ist meist der Beginn des Niedergangs. Denn die heisere Kampfrhetorik ermüdet schnell. Höckes Gefasel vom tausendjährigen Deutschland und Petrys Lob der Deutschnationalen, die Hitler den Weg ebneten, dürfte gemäßigte Wähler abschrecken.

Grund zur Entwarnung also? Leider nein. Die AfD-Spitze ist clever genug, hate speech nicht in ihrem Programm zu fixieren. Sie inszeniert ein kokettes Doppelspiel: bürgerlich und ein bisschen rechtsextrem. Solange dieser Spagat gelingt, wird die AfD Erfolg haben. (http://www.taz.de/Kommentar-Doppelgesichtigkeit-der-AfD/!5297116/)

Die Welt

In Wirklichkeit jedoch sind die Führer der AfD für deren Aufstieg verantwortlich. Der populistische Politiker ist wie ein Unternehmer, der ein neues Produkt auf den Markt bringt und dadurch erst das Bedürfnis danach weckt.

Das Produkt der Populisten heißt Ressentiment. Sie vermarkten Angst und Hass. Die Anlässe finden sich dann. Die AfD ist ein Lehrbeispiel dafür. Sie startete ja als Anti-Euro-Partei, bevor sie sich der neovölkischen, identitären Bewegung anschloss; wer weiß, welche Wandlungen ihr bevorstehen.

Die dreißig Prozent, die für solches Denken anfällig sind, gehen nicht weg. Das entlässt aber die Demagogen nicht aus der Verantwortung. Gewiss sind viele Menschen verunsichert durch die Globalisierung, die Verdampfung alter Verhältnisse, durch persönliche und kollektive Abstiegsängste, durch Wanderungsbewegungen und islamischen Terror.

Deshalb aber muss man noch lange nicht Parteien hinterherlaufen, die erkennbar keine dieser Probleme lösen wollen. Minarett- und Muezzinverbote etwa retten keine Renten. Sie sind klassische Ersatzhandlungen.

Wir wissen aber aus der Geschichte: Die Demagogie wirkt. Es hilft nichts, ihr entgegenzukommen. Im Gegenteil. Als selbst die Gegner der Nazis zu konzedieren begannen, es gebe ein „Judenproblem“, war die Republik verloren.

Deshalb ist es so fatal, die politische Korrektheit für den Aufstieg des Populismus verantwortlich zu machen. Im Gegenteil. Sie war ein Mittel, die Demagogie zu zügeln und damit die politische Diskussion zu retten. War, muss man sagen, denn die Demagogen haben sie diskreditiert.

Verdächtigung und Beleidigung, Verschwörungstheorien und Hassparolen – die Sprache des Mobs – werden nun als Freiheit reklamiert. Wirkliche Freiheit – die Freiheit politischen Handelns – verteidigen, heißt aber im Gegenteil den publizistischen und politischen Raum zu verteidigen, in dem verantwortlich über Alternativen nachgedacht wird. Genau das bedeutet: den Anfängen wehren. (http://www.welt.de/debatte/kommentare/article154902408/Minarett-und-Muezzinverbote-retten-keine-Renten.html)

Die Zeit

…Für die AfD enden die Freiheiten des Individuen dort, wo sie mit dem Willen einer angeblichen deutschen Volksmehrheit und ihrer Volkskultur kollidieren. Die Partei vertritt ein Politikverständnis, in dem die Mehrheit immer Recht hat und Minderheiten sich unterzuordnen haben. Diese Konstruktion – und nicht das Verbot der paar deutschen Minarette – ist das eigentlich problematische.

Es ist im Programm und im Weltbild der AfD nicht vorgesehen, dass sich Dinge verändern können. Dass das konstruierte völkisch-deutsche „Wir“ und das fremde muslimische „Ihr“ sich irgendwie vermischen, ohne dass es gefährlich wird.

Wer einmal deutsch ist, wird es immer bleiben. Wer jetzt noch Muslim ist, wird immer Gegner sein. Die Partei schmeiß aus ihrem Programmentwurf sogar noch jene Absätze heraus, die eigentlich reformorientierten und aufklärerischen Kräften im Islam den Rücken stärken sollten. Begründung: „eine Aufklärung des Islams ist weder realistisch noch wünschenswert“.

Das heißt, dass gläubige Muslime nie zur deutschen Gesellschaft, wie die AfD sie will, gehören können. Da ihr grundgesetzwidriger Glaube nie aufgeklärt und damit deutschlandkompatibel werden kann, müssen sie, wenn sie sich nicht verleugnen, für immer draußen bleiben. Diese Position ist ein De-Facto-Integrationsverbot… (http://www.zeit.de/politik/deutschland/2016-05/afd-parteitag-stuttgart-grundsatzprogramm-beschluss

Ergänzungen nationale und internationale Presse (2. Mai 2016)

(Zusammenstellung von Peter Helmes)

Kroatien:

“Die AfD hat die Katze aus dem Sack gelassen”, schreibt die kroatische Zeitung JUTARNJI LIST: “Die Forderung, die bisher nur inoffiziell immer wieder erwähnt wurde – wonach der Islam nicht Teil Deutschlands sein kann – ist jetzt in das Parteiprogramm aufgenommen. Die Partei geht sogar noch weiter und behauptet, dass der Islam mit dem deutschen Grundgesetz nicht vereinbar sei. Sogar der liberale Flügel der AfD hat sich für den Schutz der westlichen christlichen Kultur eingesetzt. Damit werden die Muslime in Deutschland zu einem Fremdkörper in der Gesellschaft erklärt…”

Schweiz:

Wenig überrascht von den Ergebnissen des AfD-Parteitags zeigt sich die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz: “Im Wesentlichen hat sich die Partei das zum Programm gemacht, was seit März bekannt ist. Vorschläge, die eine deutliche Verschärfung und Zuspitzung der Themen verlangten, wurden zumeist zurückgewiesen. Das gilt auch für das Thema Islam, das zuletzt die meisten Schlagzeilen gemacht hatte. Die AfD setzt sich nun aber offiziell für das Verbot des Muezzin-Rufs, gegen Minarette, vollständige Verschleierung und Kopftücher ein. Das Postulat, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, ist eine völlig unbestrittene Position der Partei. Was die Führungskräfte anbetrifft, war es nicht der Parteitag der defensiv wirkenden Frauke Petry. Der Co-Vorsitzende Jörg Meuthen stahl ihr die Schau. Seine Rede skizzierte, wie sich die AfD politisch zu Konservatismus, Freiheit und Patriotismus stellt. Mit polemischen Sätzen über das ‘links-rot-grün verseuchte 68er Deutschland’ sicherte er sich stehenden Applaus und Rückhalt in der Partei…”

Polen:

“Weg mit dem Euro, weg mit Gender, weg mit den Muslimen – die deutschen Populisten wollen die Zeit um ein halbes Jahrhundert zurückdrehen”, ist in der polnischen Zeitung GAZETA WYBORCZA zu lesen: “Die Alternative für Deutschland kam als Euro-Gegner auf die politische Bühne, jetzt kämpft sie gegen den Islam in Deutschland. Und nach ihrem Parteitag könnte die Gruppierung noch weiter nach rechts abdriften. Sie will Deutschland in die Sechziger Jahre zurückversetzen. Umfragen schreiben der AfD aktuell deutschlandweit 10 bis 13 Prozent zu. Damit kann die AfD die Kräfteverhältnisse in der deutschen Politik verändern. Dass es tatsächlich dazu kommt, ist aber keinesfalls sicher. Die Piratenpartei hatte vor rund fünf Jahren auch Furore in Deutschland gemacht – heute hat sie kaum noch Bedeutung…”

Tschechien:

Die tschechische Zeitung MF DNES findet, dass sich die AfD bei der Formulierung ihres Parteiprogramms durchaus taktisch geschickt verhalten hat: “Stark euroskeptisch, aber noch nicht offen den Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union fordern; anti-islamisch, aber vorerst ohne die muslimische Minderheit anzugreifen; gegen Zuwanderung, aber noch nicht fremdenfeindlich – das Programm der AfD ist so zugespitzt wie möglich, zugleich aber für die deutsche Mehrheitsgesellschaft gerade noch akzeptabel. Mit diesem Programm will die Partei ihre Erfolge bei den jüngsten Landtagswahlen wiederholen, aus denen sie als drittstärkste politische Kraft in der Bundesrepublik hervorgegangen war…”

Niederlande:

“Der Anti-Islam-Kurs schadet der AfD nicht”, stellt DE TELEGRAAF aus Amsterdam fest. “Der anti-islamische Teil des Parteiprogramms ist keine Überraschung. Die AfD profiliert sich ja schon eine Weile als Anti-Islam-Partei, ganz ähnlich wie zum Beispiel die niederländische ‘Partei für die Freiheit’ (PVV). Die seit drei Jahren existierende AfD hat erlebt, wie ihre Popularität im vergangenen Jahr während der Flüchtlingskrise in Europa explosionsartig zunahm. Die Partei wird zwar von verschiedenen Seiten wegen ihre Anti-Islam-Haltung kritisiert, geschadet hat ihr dies aber offensichtlich nicht. Dies zeigen die Umfragen…”

Türkei:

Für die türkische Zeitung KARAR ist Fremdenfeindlichkeit in Deutschland nicht auf die AfD beschränkt: “Die Ausländerfeindlichkeit in der deutschen Politik ist kaum mehr aufzuhalten. Es wäre schön, wenn sie auf die AfD beschränkt wäre. Das derzeitige Klima verleitet aber auch die etablierten Parteien, sich hier zu Wort zu melden – nicht nur die Christsozialen, sondern auch die Sozialdemokraten. Schon 2005 hatte der damalige sozialdemokratische Kanzler Gerhard Schröder gesagt, dass Parallelgesellschaften in Deutschland nicht erwünscht seien. Sein Innenminister Otto Schily ging noch weiter, als er erklärte, die beste Integration sei Assimilation. Und von Thilo Sarrazin aus derselben Partei wollen wir erst gar nicht reden. Nach seiner Ansicht sind Türken und Araber Parasiten, die sich der Integration widersetzen. Jetzt hat er die syrischen Flüchtlinge im Visier. Von den Grünen hätte man derartige Töne nicht erwartet. Als Parteichef Cem Özdemir auf dem jüngsten Parteitag aber sagte, dass man auch den Islam für die Terroranschläge verantwortlich machen müsse, brach Jubel aus. Wie es aussieht, wird es für Migranten in Deutschland immer ungemütlicher…”

Nationale Presse (Stand: 02.05.2016 09:43 Uhr):

Breite Kritik am Grundsatzprogramm – Tenor: “Die AfD spaltet unser Land”

Das auf dem AfD-Parteitag beschlossene Grundsatzprogramm stößt auf breite Ablehnung. Vor allem der strikte Islam-Kurs der Partei wird stark kritisiert. Im Grundsatzprogramm der AfD heißt es, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Die AfD wendet sich unter anderem gegen Burkas, den Bau von Minaretten und das Schächten von Tieren, die von Juden und Muslimen praktizierte Schlachtung von Tieren.

„Durchzogen von Demagogie und Populismus“ – so sieht das Grundsatzprogramm der AfD aus Sicht des Zentralrates der Muslime aus. “Ein solch islamfeindliches Programm hilft kein Deut, Probleme zu lösen, sondern spaltet nur unser Land”, sagte der Zentralratsvorsitzende Aiman Mazyek der “Neuen Osnabrücker Zeitung”. Ein Minarett-Verbot löse weder soziale Ungerechtigkeiten noch Rentenprobleme.

Diese Auffassung teilen auch der Zentralrat der Juden, die Evangelische Kirche in Deutschland und die Politik.

AfD stimmt über Grundsatzprogramm ab

ARD-Morgenmagazin, 02.05.2016, Kerstin Dausend, ARD Berlin

“Angriff gegen das Judentum”

Scharfe Kritik kam auch vom Zentralrat der Juden in Deutschland. Zentralrats-Präsident Josef Schuster sagte, die Beschlüsse hätten die religionsfeindliche Haltung der Partei “glasklar” deutlich gemacht. “Damit verlässt die AfD den Boden unseres Grundgesetzes”, sagte Schuster: “Vor allem die gegen den Islam gerichteten Passagen im Programm zeigen die Intoleranz und Respektlosigkeit der Partei vor religiösen Minderheiten in Deutschland”, so Schuster. Sie seien der durchsichtige Versuch, die Gesellschaft zu spalten. Zudem stellten die Beschlüsse der AfD “auch einen Angriff auf das Judentum in Deutschland dar, den wir nicht hinnehmen dürfen”.

Die Evangelische Kirche warf der AfD vor, mit ihrer Haltung zum Islam die Gesellschaft zu spalten. Der EKD-Vorsitzende Heinrich Bedford-Strom sagte auf NDR Info, es sei mit der christlichen Grundorientierung nicht vereinbar, wenn gegen gesellschaftliche Gruppen pauschal Stimmung gemacht werde. “Hetze gegen Menschen”, könne man auf keinen Fall akzeptieren.

“Wir wollen keine flächendeckenden Minarette in Deutschland”

Der Vorsitzende der AfD in Niedersachsen, Armin-Paul Hampel, verteidigte im ARD-Morgenmagazin die Positionen seiner Partei zum Islam. Die flächendeckende Errichtung von Minaretten müsse verhindert werden. “Wir haben eine christlich, abendländische jüdische Kultur. Darauf bin ich auch stolz”, sagte Hampel. Es gehe nicht darum, “dass wir Moscheen verbieten wollen, sondern wir wollen nicht, dass es flächendeckend Minarette in Deutschland gibt”. Hampel begründete die Forderung damit, dass es in Deutschland einen anderen kulturellen Hintergrund gebe.

(A.-P. Hampel, Vorsitzender AfD Niedersachsen, im Gespräch; ARD-Morgenmagazin, 02.05.2016)

Der stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU, Armin Laschet, widersprach dieser These im ARD-Morgenmagazin: “Fünf Millionen Muslime leben im Land. Insofern weiß jeder, sie sind Teil dieser Gesellschaft.” Auch Laschet kritisierte die AfD scharf. Das, was die AfD beschlossen habe, sei ein Angriff auf fast alle Religionen. “Sie wollen den christlichen Religionsunterricht, so wie wir ihn heute kennen, abschaffen. Sie haben andere Regeln, die Juden und Muslime betreffen. Sie haben quasi den Islam als Fremdkörper in Deutschland bezeichnet und gesagt, der gehört nicht in diese Gesellschaft”, so Laschet. “Und das spaltet, und das muss gerade eine christdemokratische Partei, für die der Glaube eine gewisse Bedeutung hat, aufschrecken.” (Armin Laschet, CDU, kritisiert AfD-Grundsatzprogramm

ARD-Morgenmagazin, 02.05.2016)

CDU-Bundesvize Julia Klöckner sagte zur AfD-Ausrichtung: “Sie will zurück zu einem vormodernen Deutschland.” Mit Blick auf den Islam in der Gesellschaft betonte Klöckner, es dürfe bei der Integration “keinen kulturellen Rabatt” etwa bei der Gleichberechtigung von Frauen und Männern geben. Sie fügte aber an die Adresse der AfD hinzu: “Pauschal auf den Islam loszugehen, das ist antiaufklärerisch.”

“Keine demokratische Partei will mit der AfD zusammenarbeiten”

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt warf der AfD plumpen Populismus vor. Die Partei sei gegen den Islam, den Euro, die EU, bleibe konstruktive Vorschläge aber weitgehend schuldig, sagte sie der “Welt”. Eine Zusammenarbeit mit der AfD lehnte Hasselfeldt strikt ab. “Frau Petrys Träume von einer Regierungsbeteiligung scheitern schon daran, dass keine andere demokratische Partei mit ihr zusammenarbeiten will.” SPD-Vize Ralf Stegner bezeichnete die AfD als “zerstrittene und wirre Rechtsaußen-Partei”. Es sei ein Prinzip der AfD, “Sündenböcke zu benennen, aber keine Lösungen anzubieten.”

Laut Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter ist das Grundsatzprogramm der AfD “ein Brandsatz für das friedliche Zusammenleben in Deutschland.” Die AfD habe gezeigt, was ihr wichtig sei: “Spaltung, Hetze und Ausgrenzung”.

(http://www.tagesschau.de/inland/afd-parteitag-reaktionen-103.html)

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*) Der Berufsjournalist Thomas Böhm ist Chefredakteur des Mediendienstes „Journalistenwatch“ und ständiger Kolumnist bei conservo

http://www.conservo.wordpress.com

  1. Mai 2016
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