Argumentationshilfe Folge IX., „Todsünde: Vernachlässigung der Zukunftsfähigkeit Deutschlands

(www.conservo.wordpress.com)

Von Dieter Farwick, BrigGen a.D und Publizist

Angela Merkel fährt nach eigenen Angaben „auf Sicht“ – also ohne Weitsicht.

Der Wahlslogan ihrer Partei für die Bundestagswahl am 24. September 2017 bringt das glasklar zum Ausdruck. „ Wir für Deutschland, in dem wir gut und gerne leben.“

Es fehlt jeder Hinweis auf Chancen und Risiken der nächsten Jahre. Es ist ein Offenbarungseid der noch stärksten Wirtschaftsmacht Deutschland in Europa. Es bietet keine Perspektiven an.

(Außerdem ist der Slogan sprachlich vage. Wer ist „wir“ und was bedeutet „gut“ und „gerne“?)

Er ist Ausdruck der Wahlkampfstrategie von Merkels „ Asymmetrischer Mobilisierung“. Das bedeutet: Die potentiellen eigenen Wähler muss man nicht durch strittige und brisante Themen mobilisieren, da man dadurch beim politischen Gegner schlafende Hunde wecken würde. Daher kann der Wahlkampf ruhig und langweilig sein. Es zählt nur der Wahlausgang. Nach derzeitigen Umfragen hat sie Erfolg mit dieser Strategie des Einschläferns.Folgen:

  • Wer in der Ferienzeit wieder einmal Stunden in den Infrastrukturstaus festsitzt, kriegt nicht nur Rückenschmerzen. Er gelangt auch zu der Erkenntnis: Wir sind längst dabei, den Kampf gegen Verschleiß und Verfall zu verlieren. Die Investitionen in die Infrastruktur sind in Deutschland von etwa fünf Prozent des Bruttoinlandproduktes 1970 auf etwa zwei Prozent heute gefallen. Im selben Zeitraum hat sich die Last, die Brücken, Autobahnen und Verkehrsknotenpunkte tragen müssen, vervielfacht. Besonders drastisch zeigt sich der Verfall in den Kommunen und ländlichen Gebieten. Nach Zahlen der KfW gibt es dort eine Investitionslücke von 126 Milliarden Euro. Das ist kein Schlagloch in der Straße Richtung Zukunft, sondern ein gähnender Abgrund. ( Miriam Meckel, Herausgeberin der Wirtschaftswoche, 11.8.2017)
  • Hauptschuldiger an dieser wachsenden Misere ist der Finanzminister Dr. Schäuble. Merkel hat ihm erlaubt, sein Steckenpferd „Schwarze Null“ zu reiten. Sie hat nicht von ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht, angesichts der niedrigen Zinsen und der „sprudelnden Steuereinnahmen“ in zukunftsträchtige Investitionen zu investieren – von der Verkehrsinfrastruktur bis hin zu Bildungseinrichtungen.
  • „ Flaute im deutschen Bildungssystem. Demografie, Digitalisierung und Zuwanderung erfordern mehr denn je eine bessere Bildung. Dazu wären Zusatzausgaben von 12 Milliarden pro Jahr notwendig.“ Doch die Bundesländer kommen kaum voran…
  • Mit den zusätzlichen 12 Milliarden komme die Republik in die Nähe des Ziels, sieben Prozent des Bruttoinlandproduktes für Bildung auszugeben.“ (Handelsblatt vom 18.08.2017)
  • Über den Zustand der sanitären Einrichtungen an deutschen Schulen wird im TV wiederholt berichtet. Ein Skandal, wenn Kinder die Toiletten nicht nutzen, weil diese hygienisch unzumutbar sind.
  • Der Unterschied in messbaren Bildungszielen zwischen den Bundesländern ist beträchtlich. Wenn man das föderale Bildungssystem nicht ändern will und kann, dann müssten zumindest gemeinsame Lernziele festgelegt – und überprüft werden. Es ist in einem Standort wie Deutschland unverständlich, wenn ein Bundesland über die Zukunftschancen unserer Kinder entscheidet, weil es besser oder schlechter ausbildet – von der Erziehung ganz zu schweigen.
  • Angela Merkel hat bei der von ihr geförderten, überwiegend illegalen Masseneinwanderung die Langzeitkosten nicht gesehen oder nicht sehen wollen. Zur Zeit werden jährlich knapp 26 Milliarden durch den Bund aufgebracht mit steigender Tendenz, wenn die Folgekosten für die lebenslange Unterstützung der Jugendlichen und der sog. “Nachzügler“ einbezogen werden. Es ist daher plausibel, wenn die Arbeitsministerin für das Jahr 2020 – das heißt bereits in der nächsten Legislaturperiode – Sozialausgaben von rd. einer Billion Euro vorhersagt. (Mit knapp 1 Billion – das sind immerhin 1000 Milliarden stehen europäische Länder bei Deutschlands Target2 Salden in der Kreide)
  • „ Speziell bei der Digitalisierung liegt Deutschland dem „Digitalisierungsindikator“ zufolge vor allem bei Forschung, Bildung und Infrastruktur zurück. Ein großes Manko ist der stockende Breitbandausbau. Ganz zu schweigen von einem schnelleren Glasfasernetz – hier ist Deutschland eines der am schlechtesten versorgten Ländern in Europa und liegt auf Platz 28 von 32. (Handelsblatt, 25.7.2017).
  • Bei der angestrebten Steigerung der Digitalisierung – „Internet der Dinge“ und „Industie 4.0“ wird zu wenig von den Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt gesprochen. Die Träume von „Vollbeschäftigung“– wie von der Regierung angekündigt – werden bereits in nächster Zukunft platzen, denn Digitalisierung heißt Reduzierung der von Menschen besetzten Arbeitsplätze, für die kein gleichwertiger Ersatz geschaffen werden kann. Das gilt auch für den Niedriglohnbereich, den Einstieg für Migranten und Flüchtlingen.
  • Dieser Trend wird schon heute verschärft durch die absehbare Entwicklung auf dem weltweiten Markt der Autobauer. Die plötzlich geförderte Abkehr vom Verbrennungsmotor hin zum E-Auto ist in ihren Auswirkungen dem überhasteten Ausstieg aus der Nutzung der Nuklearenergie vergleichbar. Ein E- Auto bedarf deutlich weniger Bauteile als ein Auto mit Verbrennungsmotor. Arbeitsplätze in den Produktionsstätten und in Zulieferfirmen werden reduziert.
  • Zu dieser sensitiven Frage äußerte sich Angela Merkel nicht im Parlament oder auf dem „Autogipfel“, sondern wieder in einem bunten Blatt – der „Super-Illu“.“ Befragt, was sie von einer „Deadline“ für Verbrennungsmotoren halte, antwortete Angela Merkel, dass sie im Prinzip dafür sei, den Verkauf normaler Autos grundsätzlich zu verbieten. Wörtlich lautet das Zitat: „ Ich kann jetzt noch keine präzise Jahreszahl nennen, aber der Ansatz ist richtig“. Eine verhängnisvolle, populistische Aussage mit sofortigen Auswirkungen auf die Zukunft einer sehr wichtigen Branche. (Jan Fleischhauer, Spiegel vom 17. August 2017)
  • Die Infrastruktur für E-Autos steckt noch in den Kinderschuhen. Der Kampf um einen schnellen Zugriff auf eine E-Tanksäule ist entbrannt. Die Nutzung dieser Tanksäulen wird durch eine Vielzahl von Zugangskarten erschwert.
  • Die Energieversorgung – besonders die Stromversorgung – wird neue und höhere Spitzenverbrauchszeiten bewältigen müssen. Die Energieversorgungssicherheit wird in Deutschland in Spitzenzeiten eingeschränkt. Das gilt besonders in Ballungszentren mit zahlreichen Hochhäusern. (Ein Hinweis: der Strom für die E-Autos kommt zwar aus der Steckdose, muss aber erst mit hohen Kosten und Verbrauch von schmutziger Energie erzeugt werden.)
  • Die Themen „Illegale Masseneinwanderung“ und „Islam“ sind in anderen Argumentationshilfen ausführlich behandelt worden. Da sie relevant sind für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands, werden sie erneut angeführt.
  • Das gilt auch für Abgas- und Dieselskandale, die das Vertrauen in „Made in Germany“ weltweit stark beschädigt haben. Der Wahlslogan der größten Regierungspartei, die auch in der nächsten Regierung eine führende Rolle spielen wird, gibt dazu wenig her. In der sensitiven Frage „Verbrennungsmotor und/oder E-Auto sollte sich die Kanzlerin zurückhalten – auch wenn sich Deutschland im Wahlkampf befindet. Dringend notwendige Konsequenzen:
  • Es riecht nach „Weiter so!“
  • Für mündige Wähler und Wählerinnen wäre es schon interessant zu erfahren, was sich die Regierung für die nächste Legislatur vornimmt, um die hier holzschnittartig aufgeführten Herausforderungen zum Wohle und Nutzen der Bürger und Bürgerinnen zu bestehen.
  • Die nächsten Regierungsparteien müssen unverzüglich eine solide Bestandsaufnahme ohne „Wunschdenken“ machen und schon zum Regierungsbeginn eine Gesamtstrategie vorstellen, wie Deutschland die komplexe und komplizierte Welt der Globalisierung mit ihren großen Herausforderungen gestalten will und kann – besonders, wenn gewünschte europäische Lösungen nicht erzielt werden. Weiterführende Literatur:                                                                                          Thilo Sarrazin „Wunschdenken“, Philip PlickertMerkel – eine kritische Bilanz“, Robin Alexander „Die Getriebenen“, Boualem Sansal, „2084 – Das Ende der Welt“, Michel Houellebecq, „Unterwerfung“, Udo Hildebrand „Freiheit und Islam“.

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Anmerkung:

In einer lockeren Folge sind bereits Argumentationshilfen für ausgesuchte Themen der deutschen Politik erschienen, weitere werden erscheinen.

Mit Blick auf die Wahlen am 24. September 2017 wird hier eine Bilanz gezogen, die jeder Leser aufgrund seiner Erfahrungen ergänzen kann.

Wenn Sie die einzelnen Folgen kopieren und vielleicht auch weitergeben können, wären wir Ihnen dankbar. Sie haben damit die „gängigsten“ Argumente zum Wahlkampf an der Hand.

Bisher erschienen sind die folgenden Folgen:

www.conservo.wordpress.com   25.08.2017
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