Merz – die letzte Chance der CDU

(www.conservo.wordpress.com)

Von J.E. Rasch *

CDU – und der neue alte Messias – Eine Vorbemerkung von Marc Ehret:

Was Robert Habeck, der neue Vorsitzende von Bündnis 90 / Die Grünen, und Friedrich Merz gemeinsam haben, ist der irrwitzige Hype, den Medien und Wähler um die beiden veranstalten, als wären sie die Inkarnation des Messias selbst.

Schaut man hinter die Fassaden, merkt man beim hippen Holsteiner schnell, dass sich hinter seinen volltönenden Ankündigungen nur heiße Luft verbirgt, außer an den Haaren herbeigezogenen Klimazielen, einer volkswirtschaftlich und umweltpolitisch jämmerlich umgesetzten Energiewende, der intimen Freundschaft zur DUH, die die Anti-Dieselkampagne und die Verhängung von Fahrverboten losgetreten hat, und einer vermeintlich neu entdeckten Heimatliebe, die nur der eigenen Klientel mittels einer Unzahl von Restriktionen gegen alle anderen Bürger nützt, ist nichts vorhanden, woran man sich tatsächlich festhalten könnte – schon gar nicht an der Inneren Sicherheit, von der Habeck unlängst meinte, “auch die k ö n n t e n” die Grünen.

Der nicht ganz so urban-lässige Friedrich kommt zwar etwas gesetzter daher, dafür aber auch mit einem riesigen Kompetenzvorsprung in ökonomischen Belangen, nur erscheint er nach bald zehnjähriger Polit-Abstinenz und 15 Jahren seit der letzten wichtigen Funktion für die CDU als Fraktionschef im Bundestag wie ein Schatten aus der Diaspora, und es bleibt fraglich, ob der Schulterschluss mit dem schwarzen Establishment gelingen kann, oder ob die weithin ersichtlichen Differenzen mit dem linken Lager rund um die MP Laschet und Günther, den EX-Kanzlerinnenspezialbetreuer Altmeier und ja, auch den altgedienten Wolfgang Schäuble nicht zu massiven Kollisionen führen werden.

Emich Rasch mit einem amüsanten Essay über ( Irr-) Glauben, Hoffnung und Realität:

Die CDU hat nicht mehr viele Möglichkeiten, sich aus der Agonie als einer von Merkel ausgeleierten Partei zu befreien. Im Grunde nur noch eine. Sie heißt Friedrich Merz.

Mit der bekannten Unberührtheit hat Angela Merkel ihren längst überfälligen Rückzug – zunächst vom Parteivorsitz – angekündigt. Ohne Blick zurück auf vermeintliche Erfolge, ohne ein Wort der Betroffenheit, schon gar nicht der Wehmut. Spätestens jetzt ist offensichtlich, dass sie es gar nicht anders kann. Es deutet alles darauf hin, dass sie eher versehentlich in das Rad der zuweilen unruhigen Geschichte dieses Landes geraten ist. Wenn sie jetzt wieder herausfällt, bringt das kaum jemanden ins Klagen. Dafür hinterlässt sie zu viele kaputte Speichen. Nicht nur deswegen klingen manch schmachtende, vorauseilende Dankesadressen aus ihrem speichelleckerischen Umfeld hölzern, geradezu peinlich. Einzig Horst Seehofers „Schade, sehr schade“ klang ehrlich und hoffnungsfroh zugleich. Sein kunstvoll inhibitorisches Frohlocken, nur begleitet von einem ebenso gekonnten wie ernst-heiteren Hauch von Mundwinkelzucken entlarvt die Häscher im Bande. Denn längst, schon vor der Hessenswahl, hatten sich die Dolch-Träger um Spahn zusammengefunden, um gemeinsam und unüberhörbar aufzubegehren, beim nächsten, baldigen Parteitag, also im Dezember. Doch Seehofer wird vermutlich nun noch „da“ sein, wenn die „alte“ Dame im Adenauerhaus ihre Kartons packt. Das macht ihn beschwingt.Dass bereits der nun bald vakante Posten des Vorsitzenden einer ziemlich heruntergekommenen deutschen Partei in ganz Europa zu Diskussionen führt, wirft selbst ein fahles Licht auf den Zustand dieses Kontinents. Sogar die Börsen reagierten „erleichtert, positiv“ auf den „klugen Rückzug“, obschon doch noch gar nicht viel passiert ist. Noch immer liegt Merkels bräsige Patronanz wie Mehltau über dem Land. In den ersten Reihen der CDU werden nur die Stühle hörbarer gerückt.

Aber nun kommt Friedrich Merz ins Spiel. Damit hatte man vielleicht im Hinterstübchen gerechnet, aber sicher nicht von allen gehofft.

Die saarländische Kammerzofe Merkels, Kramp-Karrenbauer glaubte sich ohnehin in ihrer Gunst und im Vorteil, weil sie doch der angeschlagenen Chefin schon ein bisschen den Schemel und das Frühstück nachtragen durfte. Jens Spahn, der trotzig daherplaudernde, aber gar nicht kantige Jungunionist im Ministerrang, will auch nach den Sternen greifen, weil er sich für „modern und wertkonservativ“ hält. Doch es wird natürlich nicht damit getan sein, das Flüchtlingsdesaster „seiner“ Kanzlerin anzuprangern. Das hätte er schon längst konsequenter und sogar im Kabinett verfolgen können.

Friedrich Merz ist der einzige Kandidat mit Format und Kompetenz in allen Bereichen, die ein Bundespolitiker heute durchschreiten muss. Und im krassen Gegensatz zu Merkel ist er offensichtlich nicht beratungsresistent, denn sonst wären seine jüngsten, global ausgerichteten, Aufgaben nicht zu bewältigen. Das sagen selbst seine Kritiker. Dazu kommen seine – durchaus nicht immer ermunternden, doch wertvollen – Erfahrungen als Fraktionsvorsitzender der Union im Bundestag bis 2002.

Eine blasse, etwas unbeholfene Frau namens Angela Merkel hatte ihn dann aus dem Amt gedrängt. Ein fataler Fehler zugunsten einer fatalen Entwicklung dieser Partei. Er weiß also, was ihm „blühen“ kann.

Das alles sollte auch der NRW-Landesfürst Laschet bei der notwendigen Unterstützung aus seinem Landesverband berücksichtigen. Wenigstens hat er schon eingesehen, dass er selbst das Zeug zum Vorsitzenden nicht hat.

Es wird, notabene, darauf ankommen, welche Eitelkeiten und sonstigen Gefallsüchte in der CDU die größere Rolle spielen dürfen. Wenn wieder die Biedermänner à la Kauder und/oder schmuckschüchterne Prinzessinnen wie „AKK“ und vielleicht noch kindfräuliche Saftschubsen à la Klöckner das Sagen haben werden, ist der weitere Niedergang der von Merkel systematisch zerbröselten, ausgehöhlten CDU nicht mehr aufzuhalten. Dann Volkspartei adé.

Merz dürfte ihre letzte Chance sein.

Die ebenfalls schwer gerupfte Schwester CSU im weiß-blauen Freistaat wird mit größter Aufmerksamkeit verfolgen, was sich im Adenauerhaus zu Berlin bald alles tut, denn Friedrich Merz als Leitfigur wäre auch für sie eine nachhaltige Stärkung.

Die Sektkorken werden wohl aber auch in Bayern erst richtig knallen, wenn Frau Merkel die Kartons auch im Kanzleramt packt.

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*) Der Autor:
Joseph-Emich Rasch – Jahrgang 1953 – ist Linguist, Dramaturg und Kolumnist,
schrieb und inszenierte diverse Theaterstücke sowie zahlreiche Satire-Programme, wandte sich im vergangenen Jahrzehnt vermehrt der Analytischen Philosophie zu. Er ist Dozent für Kommunikation, Rhetorik und Dialektik.
www.conservo.wordpress.com    7.11.2018
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