“Der Mantel der Geschichte” – Das große Conservo-Interview mit Björn Höcke

Michael van Laack

Vorgestern und gestern hat Björn Höcke allen gezeigt, wo der Barthel den Most holt. Nicht ein einziges Mitglied des frisch gewählten Bundesvorstands säße jetzt auf seinem weichen Sessel, wenn Höcke den Daumen gesenkt hätte. Auch mit der Unvereinbarkeitsliste lief alles bestens. Denn ab jetzt – so der größte Patriot seit Willy Brandt – “bestimmen wir selbst, was rechtextrem ist und was nicht”.

Wäre da nicht dieser unglückliche Abschluss gewesen, als den weichsten unter den harten Mannen des Thüringer Volkstribuns auf den Abstimmungsgeräten die Finger ausrutschten, nachdem Tino Chrupalla gemeinsam mit den Feindzeugen-Landesvorsitzenden auf die Tränendrüse gedrückt und eine Überweisung der umstrittenen Europa-Resolution an den Bundesvorstand erbettelt hatte. Danach hatte dann auch Björn keinen Bock mehr auf den ganzen Sch… und erlaubte deshalb den Weicheiern unter seiner ansonsten heldenhaften Legion, sich dafür auszusprechen, den BPT frühzeitig zu beenden.

Noch vor wenigen Tagen hatte Höcke allerdings allerbeste Laune. denn noch ahnte er nicht, dass ab Sonntagabend tiefschwarze Wolken über jener Partei hängen würden, die er ausersehen hat, die von vielen herbeigesehnte “konservative Revolution” zu starten. Auch ich war am Donnerstag noch allerbester Dinge, denn für mich ging gewissermaßen ein erst im Erwachsenenalter in meinen Kopf entstandener Kindheitstraum in Erfüllung: Ein Interview mit Björn Höcke.

Höcke bleibt beratungsresistent

Gauland, Chrupalla, Weidel. Alle hatten Höcke vor mir gewarnt. Maximilian Krah, mit dem ich eine tiefe Männerfeindschaft pflege, hatte sogar angeboten, aus Brüssel zu einem Vier-Augen-Gespräch anzureisen, um es zu verhindern. Karl Albrecht Schachtschneider wird mit den Worten zitiert: „Wenn Du dem van Laack ein Interview gibst und das autorisierst, wird Dir kein Anwalt mehr helfen können.“ Nicht einmal ein Informant, der den Fraktionsvorsitzenden der CDU – Friedrich Merz – anlässlich einer Grillparty hinter dem Konrad-Adenauerhaus mit den Worten zitierte: „Wenn so einer wie der van Laack für die AfD im Bundestag säße, würden ihn außer uns sogar FDP und SPD zum stellvertretenden Bundestagspräsidenten mitwählen.“, konnte Thüringens bedeutendsten Geschichtslehrer überzeugen.

„Der van Laack hat Geschichte studiert, sein Urgroßvater war Oberst im Stab von Generalfeldmarschall Model und er hat ein knappes Jahr in Landsberg am Lech auf der Alten Bergstraße in Sichtweite zur Festung gewohnt. Das ist nie und nimmer das Profil eines Feindzeugen. Vertraut ihm, so wie ihr jenem vertraut hättet, der vor etwas mehr als 77 Jahren bis zum letzten Atemzug kämpfend von uns gegangen ist.“ hielt Dennis Hohloch – dem Höcke allergrößte Wertschätzung entgegenbringt, seit jener darauf verzichtet hatte, Andreas Kalbitz wegen eines Leberhakens juristisch zu belangen – dagegen. Das überzeugte den Thüringer AfD-Star.

“Es rutscht etwas durch. Das Alte und Morsche zerfällt vor unseren Augen. Der Mantel der Geschichte weht an uns vorbei…”

Ein Erlebnisbericht: Dem Gipfelstürmer der Partei noch nie so nah

Und so kam es, wie es kommen musste: Wir treffen uns – weil Björn selbst heute (bei fast 30 Grad) noch mehr Panik vor einer Corona-Infektion hat als jedes einfache AfD-Mitglied – an einer einsamen Bank am Obersalzberg mit grandioser Sicht auf die baumbewachsenen steinernen Riesen und den selbstverständlich strahlend blauen Himmel.

Noch bevor das eigentliche Interview beginnt, meint Björn Höcke in eben diesen Himmel weisend: „Glauben Sie mir, Herr van Laack, wenn wir die Reinigung der Partei abgeschlossen haben, wird es keine zwei Legislaturen mehr dauern und die Sitzverteilung im Reichstagsgebäude wird am Wahlabend bei ARD und ZDF ausschließlich diese Farbe zeigen.“

Ich: „Das ist ein gutes Einstiegsbild, Herr Höcke. Zunächst möchte ich mich aber doch noch einmal bedanken, dass sie mir gegen alle Widerstände dieses Interview gewährt haben.“

BH: „Dafür müssen Sie sich nicht bedanken. Schon als Fünfjähriger hatte ich eine gute Menschenkenntnis. Ich erinnere mich da z.B. an meine Kindergarten-Tante. Ich musste ihr nur einmal in die Augen schauen, um zu wissen: Das ist kein guter Mensch!“

Ich: „Oje, hatte sie einen so stechenden oder hinterhältigen Blick.“

BH: „Nein, Sie hatte keine blauen Augen. Später erfuhr ich dann auch, dass ihre Haare blond gefärbt waren, was mich in meiner Ersteinschätzung bestätigte.“

Auf die Perspektive kommt es an

Ich: „Nun ja… das ist jetzt aber doch schon ein idealisiertes Bild des Germanentums. Sie betonen doch immer, mit der in der Non-Vogelschiss-Periode dominierenden Partei und dem Denken ihrer Ideologen hätten Sie nichts zu tun. Auch nichts mit dem auf einem gewissen Rittergut gepflegten Ethnopluralismus.“

BH: „Das trifft ja auch zu. Schauen Sie, Hitler z. B. hatte ja auch keine blonden Haare und war auch kein Ethnopluralist. Und dennoch…“

Der Thüringer Landesvorsitzende bricht mitten im Satz ab und schaut einige Minuten gedankenverloren in die wunderschöne Landschaft, die uns umgibt. Dann aber drängt es mich doch, den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen.

„So, mit Ihrer Erlaubnis würde ich dann nun gern das eigentliche Interview beginnen. Im Vorfeld hatten wir ja die Themen schon ein wenig eingegrenzt…“ „Hatten wird das?“ unterbricht er mich beschwingt. „Ach Herr van Laack, die wundervollen Aromen, die dieser historisch bedeutsame Boden verströmt, beflügeln mich so sehr, dass Sie mich fragen dürfen, was sie mögen.“

Ich schaue in sein Gesicht und erkenne in dessen ebenmäßigen Zügen jenes Strahlen, dass Dr. J. G. immer dann zeigte, wenn er in der Wochenschau beim Spielen mit seinen Kindern im Garten zu sehen war oder bei den Weihnachtsansprachen in den Kriegswintern.

Hat die AfD überhaupt Probleme?

Ich: „Nun gut… hinter der AfD liegen ja nun turbulente Jahre. Zuerst die Beobachtungs-Erklärung durch den Verfassungsschutz, dann der Auflösungsbeschluss für den Flügel. Anschließend die Corona-Krise, in der die Partei ihre zahlreichen höchstunterschiedlichen Themen – z. B. Migration, Grenzöffnung, Islamisierung. Kriminelle Asylanten, Abschiebe-Versagen, Illegale Flüchtlinge usw. – nicht mehr spielen konnte.

Dann auch noch der mittlerweile erledigte Jörg Meuthen (von seinen Vorgängern im Sprecheramt will ich gar nicht reden) und sein Nachdenken über Sinn oder Unsinn einer Parteispaltung. Nicht zu vergessen die teilweise verheerenden Wahlergebnisse und Umfragewerte, die zwar möglicherweise dem obligatorischen Regierungsbonus in Krisenzeiten geschuldet sind, aber eben doch auch mit dem Gesamtzustand der Partei zu tun haben könnten. Und nun auch noch die militärische Spezialoperation in der Ukraine, in der alle außer der AfD und der Linkspartei einen völkerechtswidrigen Angriffskrieg sehen. Was macht das mit Ihnen? Wie gehen sie damit um? Und welche Strategien haben Sie, um die innerparteiliche Krise zu bewältigen?‘

BH: “Bei den vielen unterschiedlichen Themen haben Sie die Bevorzugung sämtlicher Araber beim Leistungsbezug und der Wohnungsvergabe vergessen. Aber sei’s drum. – Ja, Sie haben recht. Aktuell wird einfach zu wenig vergewaltigt und mit Messern um sich gestochen. Und es heißt sogar, nicht einmal mehr die aus Syrien nach Deutschland eingesickerten Terrorzellen könnten in diesen Tagen verlässlich Anschläge planen, weil die Hälfte ihrer Mitglieder an Covid gestorben ist und das Gesundheitsamt seit dieser Monstergrippe viel genauer auf den Aufenthaltsort schaut als früher BKA und BfV zusammen.

In dieser Frage können wir also nur auf bessere Zeiten hoffen. Und auch die nächste Flüchtlingswelle will einfach nicht richtig in Schwung kommen. Also die mit den “richtigen” Flüchtlingen. Diese Hunderttausende ukrainischen Frauen und Kinder lassen sich nicht so gut als Feindbild aufbauen. Sehr ärgerlich… Ich hatte ja neulich schon angeregt, ob wir das nicht mal so machen könnten wie 1939 beim Angriff auf den Danziger Sender. Aber unsere strategischen Mitdenker in Schnellroda meinten, dass es einfach zu schwierig wäre, in ausreichender Zahl lupenreine Patrioten zu finden, die sich schwarze Bärte ankleben lassen würden und gleichzeitig den Intellekt hätten, einige Worte in arabischer Sprache akzentfrei auszusprechen…“

Trau, schau, wem…

Plötzlich fixiert Höcke mich: „Sie sprechen doch einige Sprachen, habe ich gelesen. Für Sie wäre es doch ein Leichtes, Allahu Akbar so zu betonen, dass das in einem YouTube-Video glaubwürdig herüberkäme. Und das mit dem Bart wäre ja nur für ein paar Minuten. Wäre eine nette Geste von Ihnen, so als Gegenleistung für das gewährte Interview.“ Er grinst mich schelmisch an.

Ich: „Äääh… ich denk mal drüber nach, aber mein Terminkalender ist echt voll. Morgen z.B. spreche ich mit Robert Habeck über die historische Fehlbewertung des Stalinismus und übermorgen…“

BH: „Ach was, ich wollte Sie nur testen, Herr van Laack. Wenn Sie spontan „Ja“ gesagt hätten, wäre ich sehr misstrauisch geworden. Man sagt, die V-Leute des Verfassungsschutzes gehen auf jeden Vorschlag zum Schein begeistert ein!“

Mein erleichtertes Durchatmen scheint ihn zu amüsieren. „Nun gut, dann kommen wir zu den anderen schon angeschnittenen Themen. Die Auflösung des Flügels z.B. – Mich wundert wirklich, dass Sie das so leicht geschluckt haben.“

Zum ersten Mal höre ich Höcke schallend lachen. „Meine Güte! Das meinen Sie nicht ernst, oder? Gar nix wurde aufgelöst! Wir tun einfach so, als gäbe es uns nicht mehr und gut ist. Dann ein bisschen Kreide fressen…“ Höcke greift in seine Brustasche und holt eine große Schachtel heraus. Auf meinen irritierten Blick hin fragt er besorgt nach: „Ist irgendwas nicht in Ordnung? Das ist nur Traubenzucker, kein Aufputschmittel.“

Ich: „Ach so, für einen Moment dachte ich… weil wir ja gerade beim Thema Kreide fressen waren…“

Eine mittelprächtige Irritation

BH: „Bei welchem Thema? Ach ja, Sie meinen die Auflösung. Also das ist wirklich kein Thema. Alles läuft super. Die Operation „Feindzeugen-Sauna“ entwickelt sich seit Jahren wie geplant weiter. Im Osten haben wir schon 90% ausgeschwitzt. und sie werden sehen, nach dem Parteitag in ein paar Tagen in Riesa wird jeder Googlen müssen, was ‘Bürgerliche in der AfD’ überhaupt bedeutet.”

Ich: „Ja, aber ich meine… also, der Verfassungsschutz… Sie müssen doch den Druck spüren und nach Strategien suchen?“

Höcke wirft sich sieben Traubenzucker gleichzeitig ein und erwidert kauend: „Strategie macht für uns der Götz. Ich rede dann seine Reden und so. Und Götz sagt: Alles in urpreußischer Markenbutter, so wahr ich Kubitschek heiße und mich frugal ernähre. Dem Meuthen haben wir ja schon ein kleines Messer und einen Sichtschutz gereicht, damit er die notwendige Verrichtung vornehmen kann. und er hat verstanden. Was macht der jetzt nochmal? Ach ja, im Zentrum lebendige Politikgeschichte darstellen.“

Die Partei sei schon längst in seiner Hand, meint Höcke. Die anderen hätten das nur noch gar nicht bemerkt oder wollten es nicht sehen, was zumindest für eine gewisse Intelligenz spräche. Und Spaltung? „Ach Gottchen, das müssen wir doch gar nicht mehr. Wir können uns ja nicht von uns selbst abspalten, mein Bester.“

Ich: „Aber wenn sie mal genau hinschauen, Herr Höcke. Der Verfassungsschutz meint das voll ernst mit der Beobachtung und die Regierung würde die Partei lieber heute als morgen verbieten. Woher nehmen sie das Vertrauen und den Optimismus, dass eine nationalkonservative bis völkisch nationale Partei nicht rasch verboten wird?“

Ein unerwarteter Abgang

BH: „Die Vorsehung! Die leitet mich. Spüren Sie nicht die Energie, die in diesen Minuten abstrahlt auf mich aus diesem historischen Boden? Sehen Sie denn nicht den Mantel der Geschichte, der, während wir uns hier unterhalten, ständig um uns kreist. Wir müssen ihn nur ergreifen, Herr van Laack. Aber allein schaffe ich das nicht. Wollen Sie mir nicht helfen? Zu zweit kämpft und jagt es sich besser.“

Plötzlich steht er auf und läuft los. Schon nach wenigen Sekunden verliere ich ihn beinahe aus den Augen, rufe ihm nach: „Ist das Interview so autorisiert.“  „Ja, alles was sie wollen. Aber bitte helfen Sie mir jetzt!“

Ob das wirklich nur Traubenzucker war, frage ich mich und packe mein Notizbuch ein. Hoffnung, das Interview noch fortsetzen zu können, habe ich keine. Denn der Mantel der Geschichte wird sich von diesem Mann ganz gewiss nicht ergreifen lassen. Weder an diesem noch an einem anderen Tag! Da mag der Himmel so blau sein, wie er will!

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