Siechtum der EU à 27 – Alternativen für ein besseres Europa

(www.conservo.wordpress.com)
Dieter Farwick

Von Dieter Farwick, BrigGen a.D. und Publizist *)

Wahlmanager neigen dazu, die nächsten Wahlen als „historisch“ oder als „Weichenstellung“ zu bezeichnen in der Hoffnung, die eigene Klientel an die Urnen zu bringen.

Für das Jahr 2019 kann man diese Etiketten mit Berechtigung verwenden.

In Deutschland und Österreich werden die Europawahlen am 26. Mai stattfinden. In den anderen europäischen Ländern in den Tagen zuvor.

In Deutschland werden vier Bürgerschafts-/ Landtagswahlen durchgeführt

# Bremen             am 26. Mai

# Brandenburg     am 1. September

# Sachsen             am 1. September

# Thüringen         am 27. Oktober

Die Bürgerschafts- bzw. Landtagswahlen werden die Parteienlandschaft in Deutschland verändern und darüber entscheiden, wie lange Angela Merkel im Amt bleibt und welche Regierungskoalitionen rechnerisch möglich bleiben.

Die Aussichten für CDU und SPD in den drei neuen Bundesländern sind momentan nicht sehr rosig, während die AfD dort ihre bisherigen Erfolge noch vergrößern kann.

In diesem Kommentar konzentriert sich der Verfasser auf die Europawahlen am 26. Mai, weil sie für Europa von großer Bedeutung sein werden. In ihnen wird der Weg der EU à 27 und Europas in die Zukunft entschieden. Es wird sich zeigen, welche Denkschule siegen – und wie klar der Sieg ausfallen wird.

Die Welt in Unordnung und Unsicherheit

Die Lage in Europa kann nicht losgelöst von den globalen Entwicklungen gesehen werden.

Die beiden dominierenden Weltmächte China und die Vereinigten Staaten befinden sich in einem Tarif- und Zollstreit als Teil eines Handels- und Währungskrieges mit globalen Auswirkungen. Nicht wenige Beobachter sprechen von akuter Kriegsgefahr. (siehe der „ Spiegel Nr.1 vom 29.12.2018)

Der Verfasser teilt diese Besorgnis nicht. Der „ Spiegel“ überschätzt die militärische „ Währung“. Sie hat an Bedeutung verloren. Entscheidend sind heute die Rivalitäten in Wirtschaft und High-Tech-Bereichen, die brisant sind, aber nicht über Krieg und Frieden entscheiden. Dazu steht für alle „Neugierigen“ zu viel auf dem Spiel.

Allerdings: Ein Krieg aufgrund menschlichen und technologischen Versagens ist nie auszuschließen.

Bereits heute leiden die Staaten, die mit beiden Staaten eng verbunden sind.

Global zeigen die Aktienmärkte zum ersten Mal seit Jahren bedenklich nach unten. Für 2019 sind die Prognosen sehr skeptisch.

China und die USA sind in High-Tech-Bereichen allen anderen Staaten weit voraus.

Europa und Deutschland sind vorerst abgehängt. Die fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung – inkl. des verstärkten Einsatzes von „Künstlicher Intelligenz“, unter der man den Einsatz von „lernende Maschinen“ versteht, die weltweit Millionen von derzeitigen Arbeitsplätzen gefährden oder gar beseitigen. Die Anforderungen an Arbeitnehmer werden sich dramatisch verändern. Ihr zahlenmäßiger Umfang wird nicht zu halten sein – mit erheblichen sozialen Folgen.

Der Konflikt zwischen den Schiiten und Sunniten – auch in Form von Stellvertreterkriegen wie im Jemen – wird andauern.

Der Iran setzt den Ausbau seiner nuklearen Fähigkeiten – einschließlich weitreichender Interkontinentalraketen – weiter fort und unterstreicht damit seine „Großmachtambitionen“ im Nahen/Mittleren Osten, die er im Zuge des Syrienkrieges kontinuierlich ausgebaut hat.

Der Rückzug der USA aus Syrien und zum Teil aus Afghanistan schafft ein Machtvakuum, was vor allen Dingen Russland und die Türkei ausnutzen werden.

Der Konflikt in und um Israel wird fortgesetzt.

Ebenso die militärische Aufrüstung Chinas im Südchinesischen Meer. Die wirtschaftlichen Erfolge verblassen angesichts der Unterdrückung der Minderheiten – wie z.B. der Uiguren im Westen Chinas – und der totalen elektronischen Totalüberwachung.

Russland bemüht sich, wieder einen Platz auf der Bühne der Weltpolitik einzunehmen – ein hohes Risiko angesichts der wirtschaftlichen Schwäche. Darüber kann der Abschuss einer superschnellen Interkontinentalrakete in den letzten Tagen des Jahres 2018 nicht hinwegtäuschen, wenn es sich nicht um eine faked news handelt.

—–

Diese kurze Skizze der weltpolitischen Lage soll deutlich machen, dass sich die Krise in der EU zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt verschärft hat.

Für die Milderung oder Lösung sind keine positiven Zeichen in Sicht.

Wir müssen besser lernen, mit der Welt in Unordnung und Unsicherheit umzugehen.

Europa und seine internen Spannungen und Konflikte

Europa kann auf keine Hilfe von außen hoffen. Ein Plan B ist nicht erkennbar.

Nach dem im März zu erwartenden Austritt Großbritanniens aus der EU – mit oder ohne Vertrag – sieht die EU im Kern anders aus. Der Austritt wird für die EU vielfältige Folgen haben, die heute zu wenig erörtert werden. Die wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Verflechtungen sind so groß, dass Ersatzlösungen nicht einfach zu finden sind.

Für die 27 europäischen Staaten stand die „Bestrafung“ Großbritanniens und die Abschreckung anderer Wackelkandidaten zu lange im Vordergrund. Wenn man sich erinnert, wie viele „Rettungsgipfel“ es für das kleine, unbedeutende Griechenland gegeben hat, wird der Unterschied des Engagements deutlich. Das gilt auch und besonders für Angela Merkel, die wissen konnte, dass ihre einsame Entscheidung vom September 2015 in der sog. “Flüchtlingspolitik“ – gemeint ist die unkontrollierte Masseneinwanderung nach Deutschland und darüber hinaus – ein wesentliches Motiv für den „Brexit“ war. Großbritannien hatte und hat genügend Probleme der legalen „Einwanderung“ aus den Ländern des „Commonwealth“.

Ein Kardinalfehler war die Gründung der Wirtschaftsunion vor der Vollendung der „Politischen Union“

Man baute auf die normative Kraft des Faktischen – der Wirtschafts- und Währungsunion. Ein folgenreicher Irrtum! Wie auch der Glaube, eine „Erweiterung“ der Mitgliedsstaaten würde den Erfolg garantieren. So nahm man es bei der Aufnahme neuer Mitgliedsstaaten mit deren Bonität nicht so genau – siehe Griechenland.

Das Primat der Politik setzte sich gegen die Wirtschafts- und Finanzexperten durch. Es waren die „Selbstüberschätzung“ und das „Wunschdenken“, die Thilo Sarrazin in seinem Buch „Wunschdenken“ als häufigste politische Fehlerquelle geißelt.

Die Anhänger der „tiefen Integration“ haben den – erfolgreichen – Widerstand der Nationalstaaten unterschätzt – Gott sei Dank. Aber sie haben ihre Lektion offensichtlich nicht gelernt.

Das Siechtum der EU à 28 hat schon vor Jahren begonnen

Es ist der „Geburtsfehler“, der nie korrigiert worden ist: Welches Ziel hat diese EU? „Europa der Vaterländer (oder Republiken)“ oder ein „europäischer Bundestaat“ mit tiefer Integration, einer starken – demokratisch nicht legitimierten – Zentralregierung, einer ausufernden Bürokratie und einer bis dahin unbekannten zentralen Regulierungswut? Der Europäische Gerichtshof hat den Vorrang der EU-Gesetzgebung gegenüber nationalen Gesetzen nahezu ausnahmslos durchgesetzt.

In der Summe hat dies in den meisten Ländern zu steigenden Unbehagen und Widerwillen geführt, der die anfängliche Zustimmung der europäischen Bevölkerung deutlich reduziert hat.

Die Einführung des Euro als Bargeld Anfang des Jahrhunderts sollte die 19 Mitgliedstaaten enger zusammenführen. Heute sagen kritische Beobachter, dass der Euro die EU eher gespalten hat, weil es ein Fehler war, eine gemeinsame Währung für 19 Staaten mit sehr unterschiedlichen wirtschaftlichen Leistungen und finanziellen Stärken sowie unterschiedlichen Lebensformen einzuführen, die nationale Reaktionen – wie z.B. Anpassung der eigenen Währung – verhinderte, was vor Einführung der Einheitswährung nahezu täglich geschah, auch um die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.

Dieser Geburtsfehler hat die Bedingungen für das öffentliche und private Leben auseinanderdriften lassen. Ein Indikator ist die unterschiedliche Arbeitslosenquote – besonders bei der Jugend.

In den sog. “ärmeren Ländern“ Südeuropas gibt es komplette Jahrgänge bei den Jugendlichen, die keine Perspektive für ein erhofftes Berufsleben und ein Einkommen haben, dass die Gründung einer Familie ermöglicht.

Die drei größeren Staaten – Frankreich, Italien und Spanien – sind in einer besonders schwierigen Situation.

In Frankreich ist der Glanz des anfänglichen „Heilsbringers“ Emmanuel Macron schnell verblasst – auch in Europa. Die „Gelben Westen“ haben Frankreich in eine tiefe Krise gestürzt.

Wie es zu erwarten war, hat sich die italienische Links-Rechts-Regierung gegen die EU-Kommission durchgesetzt. Sie weiß, dass Italien nach der EU-Logik „Too big to fail“ immer wieder gerettet wird – auch und besonders von Deutschland, solange dieses noch dazu in der Lage ist.

Die spanische sozialistische Minderheitsregierung hat alle Mühe, den zunehmenden Flüchtlingsstrom – besonders aus Marokko – aufzunehmen, zu versorgen und zu integrieren.

Sie ist bestrebt, die sog. „Flüchtlinge“ schnell nach Norden abzuschieben.

Insgesamt wird von allen möglichen Organisationen und Institutionen vor der nächsten „Flüchtlingswelle“ in Millionenhöhe gewarnt.

Was geschieht an Vorbereitungen? Nichts oder zu wenig.

Wie bei der Flüchtlingswelle im September 2015 werden die deutsche Regierungen und die betroffenen Behörden wieder „total überrascht“ werden. Die brennenden Probleme der Migration und Integration werden Europa stark belasten.

Von europäischen Lösungsansätzen hört und liest man zu wenig. Hier werden besonders in den Erstaufnahmeländern zentrifugale Kräfte entstehen, die die EU à 27 auseinanderreißen können.

Welches sind mögliche Alternativen für die EU und für Europa?

Zur Erinnerung: Die Eurozone ist nicht die EU, die EU ist nicht Europa.

Hinweise wie „Scheitert der Euro, zerfällt Europa“ (Merkel) oder „Zerfällt Europa, erwachen wieder die Kriegsdämonen in Europa“ (Juncker) grenzen an bewusste, verantwortungslose Volksverdummung. Der Schweiz und Norwegen geht es als Nichtmitgliedern der EU besser als den durchschnittlichen Mitgliedern.

Es hat auch keine Kriege zwischen Nichtmitgliedern gegeben – auch keine Angriffe von außen, weil fast alle EU-Mitgliedsstaaten auch Mitglied der NATO sind.

Es ist kein Wunder, dass der nahende Brexit Gedankenspiele provoziert, wo die Reise in Zukunft hingehen kann.

Daher sind Stärken und Schwächen früherer Allianzen genau zu untersuchen. Was hat zu deren Aufstieg und zum Fall geführt? Was sind die Voraussetzungen für Erfolg?

Keines der Modelle kann 1:1 auf die heutige Zeit übertragen werden.

Die „alte Hanse“

Der Verfasser hat in seinen Beitrag „Neue Europastrategie nötig“ im Blog von Peter Helmes www.conservo.wordpress.com vom 1.11.2018 auf die derzeitigen Defizite in der EU hingewiesen und Anregungen gegeben, welche sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Alternativen denkbar und möglich sind. Als Einzelkämpfer kann er keine fertige Blaupause anbieten, sondern nur andere Organisationen und Institutionen anregen, in dieses Thema tiefer einzusteigen und Alternativen für eine bessere Zukunft Deutschlands und Europas vorzustellen.

In Deutschland gibt es eine gute Vorlage: Die Hanse. Ihre faszinierende Geschichte wird in einem Magazin der GEOEPOCHE hervorragend herausgearbeitet: „Die Hanse – 1150 – 1600, Europas heimliche Großmacht, Nr. 82, 157 Seiten“. Aufstieg und Zerfall werden sehr fundiert aufgezeichnet. Ein lohnenswerter Besuch im „Europäischen Hanse-Museum“ in Lübeck bietet eine methodisch-didaktisch anschauliche Ergänzung.

Zur Geschichte der deutschen Hanse (althochdeutsch „Schar“)

Im Jahre 1143 gründet Graf Adolf II. von Holstein am Ufer der Trave die Stadt Lübeck, die über die Ostsee Ausgangspunkt der Erfolgsgeschichte wird. Die Ostsee wird zur strategischen Handelsdrehscheibe. Sie verbindet wichtige Handelsstädte der Anrainerstaaten auf Initiative findiger Kaufleute.

„Regierungen“ gewähren Schutz in ihrem Wirkungsbereich. Sie mischen sich nicht in den Handel ein. In ihrer wirtschaftlichen und kulturellen Bedeutung ist die Ostsee der Seidenstraße in Asien vergleichbar. Neben den Waren – Pelze und Fische aus dem Osten und Tücher und Salz aus dem Westen – findet auch ein kultureller und technologischer Austausch statt. Über der Zeitachse bis zum 15. Jahrhundert – mittlerweile gehören Hamburg und die Nordsee dazu – bilden sich ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl und Selbstbewusstsein zwischen rund 200 Städten in 16 Ländern heraus – verbunden mit einem Ehrenkodex, der noch heute in alten Hansestädten zu spüren ist.

Den ersten Einschnitt brachte die Entdeckung Amerikas 1492 mit dem beginnenden „Überseehandel“, der zu einem starken Konkurrenten des bisherigen Handels führte. Ende des 15. Jahrhunderts sind rund 200 Städte in Russland – Nowgorod – mit Städten in Portugal – Lissabon – über Meere, Flüsse und Landwege verbunden.

Eine gewisse Kompensation brachte die fortschreitende Erschließung des Landweges – bis nach Italien -, der jedoch unsicherer war als der Seeweg und mehr Zollschranken aufwies.

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts beginnt der Niedergang der „deutschen Hanse“: Einflüsse von außen und Interessenkonflikte im Innern sowie Ausschluss und Ausscheiden etlicher Städte aus der Hanse führte Mitte des 17. Jahrhunderts zum endgültigen Zerfall. Noch heute werden „Hansatage“ in Hansestädten gefeiert. Das „H“ auf den Nummernschildern der Autos ist ein Symbol des Stolzes der Hansestädte auf ihre eigene Vergangenheit.

Was ist das Erfolgsgeheimnis der Hanse?

Es war eine gewachsene Identität, gefördert durch den gemeinsamen Erfolg im Handel. Es waren die Städte und ihre Kaufleute, die als Bürgermeister das Heft des Handelns in ihren Händen hatten. Es gab kaum übergreifende politische Ambitionen.

Der dreißigjährige Krieg erfasste und zerstörte nahezu den gesamten Handelsraum, da es keine städteübergreifenden Sicherheitsvorkehrungen gab. Der Verlust an Menschen und Infrastruktur durch den Krieg, die Verbreitung von Epidemien in Folge des Krieges und die Zerstörungen in der Wirtschaft – einschließlich Landwirtschaft – hinterließen Schäden, die sich bis in die Gegenwart auswirken.

Nachfolgeorganisationen der deutschen Hanse

In seinem Kommentar vom 1. November hat der Verfasser bereits einige Organisationen benannt – wie z.B. die EFTA, den Nordsee- und Ostseerat –, die den Nukleus einer neuen europäischen Handels- und Wirtschaftsallianz bilden könnten.

Es gibt auch Organisationen, die „Die Hanse“ mit Stolz in ihrem Namen tragen.

Das „aktive Netzwerk Hanse“ – die wohl wichtigste Nachfolgeorganisation – wurde 1980 in Zwolle(NL) zwischen Städten, die ehemals zur Hanse gehörten, gegründet. Sie wollen die Geschichte der Hanse wieder stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit tragen. Dazu werden jährlich öffentliche Tage der Hanse gefeiert – nicht zentral, sondern in etlichen Städten zeitgleich. Der „ ehrbare Kaufmann“ der alten Hanse gilt als charakterliches Vorbild.

Politische Organisationen in Europa

Innerhalb Europas gibt es eine Reihe von politischen Gruppierungen, die einen Ersatz der EU à 27 mit Blick auf Gesamteuropa bilden könnten.

Das „Intermarium“ – oder auch „Drei-Meere-Initiative“– ist eine Gruppierung von Staaten zwischen der Ostsee, dem Schwarzen Meer und dem Mittelmeer. Sie wollen diese Region politisch und wirtschaftlich stabilisieren, um ein Bollwerk gegen die „gefühlte Bedrohung“ durch Russland zu bilden, dessen „hybride Kriegsführung“ schon heute auf die De-Stabilisierung – besonders der Baltischen Staaten – setzt. Dies wurde sehr deutlich durch die großangelegte Übung ZAPAD 17 (Westen), die die Eroberung von Teilen der Baltischen Staaten zu Lande, aus der Luft und über die Ostsee zum Ziele hatten (siehe auch https://www.conservo.blog/2017/08/30/russlands-militaerische-grossuebung-zapad-2017-eine-misstrauensbildende-massnahme/ sowie https://www.conservo.blog/2018/09/13/wostok-18-das-groesste-militaermanoever-in-der-russischen-geschichte/.

Diese Länder fordern das sichtbare Eintreten der NATO für ihre Freiheit und Sicherheit. Die vier „Visegràdstaaten“ schließen sich südlich und südostwärts an das „Intermarium“ an.

Sie empfinden ein ähnliches Sicherheitsbedürfnis, das politische und wirtschaftliche Stabilität verlangt. Manöver – unter Beteiligung der USA und europäischen Staaten – sollen die Verteidigungsbereit-schaft unterstreichen.

Im Norden Europas bildet sich die „neue Hanse“ mit Schweden, Finnland, Estland, Lettland, Litauen, den Niederlanden, Dänemark und Island (siehe der „ Spiegel“ vom 8.12.18). Deutschland als großer Ostseeanrainerstaat fehlt in dieser Runde, die Deutschland als zu wenig kritisch gegenüber Brüssel einstuft. Das vitale deutsche nationale Interesse in und um die Ostsee mit ihren maritimen Verbindungen in die Nordsee – und von dort in den Nordatlantik – müsste geopolitisch zu einem starken Engagements führen, aber die andauernde nationale Nabelschau verhindert geopolitisches und geostrategisches Denken.

„Der Economist“ widmet diesem Thema auch am 8.12.18 einen Beitrag mit dem Thema „New Hanseatic League – Gang of eight“. Er sieht die Ursache für das Interesse an dieser Region in dem Brexit, der vermutlich Ende März 2019 erfolgen wird. Er bezeichnet Großbritannien als „champion of openness“. Er hätte auch schreiben können „champion of geopolitical and geostrategic thinking“.

Als ehemaliges EFTA-Mitglied hat Großbritannien enge – auch kulturelle – Verbindungen mit Skandinavien. Die englische Sprache ist auch in Skandinavien „lingua franca“. Nach dem Brexit wird sich Großbritannien nach neuen Partnern in aller Welt umschauen. Skandinavien liegt vor seiner Haustür.

Gemeinsame maritime Manöver an den Einfahrten/Ausfahrten Ostsee/ Nordsee könnten ohne großen zeitlichen Vorlauf den Anfang einer neuen Zusammenarbeit bilden.

Diese kurzen Ausführungen zeigen, dass sich Europa ohne Großbritannien nicht vor einem leeren Blatt Papier befindet, was politische, wirtschaftliche und kulturelle Themen angeht.

Es hat keinen Sinn, auf den Crash der EU à 27 zu warten und sich wieder überraschen zu lassen.

Unsere Regierung muss ohne Verzögerung den notwendigen Plan B entwickeln – nicht im Alleingang, sondern in enger Abstimmung mit ausgesuchten Partnern.

Es ist zu hoffen, dass nach dem Brexit die Realpolitik in Europa wieder eine Chance erhält.

Die entscheidende Lehre der Erfolgsgeschichte der Hanse ist der Verzicht auf einen zu großen politischen Ehrgeiz, aus Europa die Vielfalt herauszubügeln.

Es muss klare, strenge Regeln für Ein-und Austritt geben – mit einem hohen Maß an Selbstverantwortung und Selbständigkeit.

Was ist zu tun?

Es bedarf einer neuen Vision, die Emotionen und Begeisterung für das Zusammenwirken weckt, wie es meine Generation in den ´50er Jahren erleben durfte.

In Europa sollte es weniger um Zahlen, sondern um Menschen gehen – besonders um die Jugend. Der Schüleraustausch mit europäischen Ländern muss verstärkt werden. Die Städtepartnerschaft muss dort, wo sie etwas eingeschlafen ist, wieder reanimiert werden.

In der Bildung sollte das Erlernen einer europäischen Fremdsprache bis zum Abitur obligatorisch werden.

Was hat das mit den Europawahlen Ende Mai zu tun? Sehr viel!

Die Spitzenkandidaten der Europäischen Volkpartei, Manfred Weber, und der Sozialdemokratischen Partei, Frans Timmermans (NL), sind beide überzeugte Anhänger der „tiefen Integration“. Sie haben sich beide sehr früh zu dem sog. “Migrationspakt“ bekannt und die Zustimmung ihrer Parteigruppierungen erreicht, obwohl dieses „Abkommen“ von sehr sachkundigen Beobachtern als negativ und gefährlich eingestuft worden war.

Kaum war die Tinte unter dem Vertragsdokumenten trocken, sprachen die Befürworter offen – einschl. Angela Merkel – von der baldigen Verbindlichkeit des Abkommens durch die überwältigende Zustimmung der „Herkunftsländer“ bei einer Abstimmung in der UN-Vollversammlung. Das klare Abstimmungsergebnis zum schnell nachgeschobenen sog. “Flüchtlingspakt“ durch die überwiegende Mehrheit der „Herkunftsländer“ ist die Blaupause für den Prozess des „Migrationspaktes“.

In ihrem Triumphgefühl über den Sieg in Marrakesch hat sie einen kurzen Einblick in ihr Seelenleben gewährt:

Sinngemäß sagte sie: Als Physikerin zeigen für mich die Zahlen die Wahrheit. Nach der Abstimmung in der VN-Vollversammlung werden die Zahlen die Wahrheit zeigen. Basta.

Dass die Zahlen der CDU bei den Bundestags- und Landtagswahlen ihrer Partei dramatische Verluste – also die Wahrheit – gezeigt haben, ist der Physikerin wohl entgangen.

Zurück zu Weber und Timmermans: Beide sind unbescheiden genug, die Nachfolge von Juncker anzutreten, falls sie die Wahl gewinnen.

Das muss verhindert werden.

Boykott durch uns Wähler?

“In der derzeitigen Konstellation würde das auch die AfD treffen, die gute Chancen hat, verstärkt in das nächste EU-Parlament einzuziehen.”

Die AfD geht mit der Forderung eines deutschen EU-Austritts in den Europawahlkampf (siehe https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/europawahl-deutsche-brexit-partei-csu-vize-weber-warnt-vor-afd-plaenen/23830934.html?ticket=ST-1131646-Wi4pKTGQU1YxdVB2O2mj-ap2 sowie https://www.epochtimes.de/politik/deutschland/evp-spitzenkandidat-sieht-afd-als-hauptgegner-bei-europawahl-a2747458.html#.

Die AfD sollte bereits gegenüber der Europäischen Volkspartei austreten ein klares Signal senden, vor allem sich einer Koalitionsaussage enthalten. Bei den turbulenten Entwicklungen in anderen europäischen Ländern kann sich die Parteienlandschaft im Europäischen Parlament stark verändern und für die AfD bessere Koalitionsmöglichkeiten als die mit Weber bieten.

Für Europa und Deutschland kommt es darauf an, übertriebene Zukunftsängste, Pessimismus und Nabelschau zu überwinden und die Zukunft mitzugestalten für ein besseres Gesamteuropa nach dem fehlgeschlagenen Experiment mit der EU à 27 und der Eurozone nach wenigen Jahren – ein Wimpernschlag in der 1000-jährigen Geschichte Europa.

**********
*) Brig.General a.D. Dieter Farwick wurde am 17. Juni 1940 in Schopfheim, Baden-Württemberg, geboren. Nach dem Abitur wurde er im Jahre 1961 als Wehrpflichtiger in die Bundeswehr eingezogen. Nach einer Verpflichtung auf Zeit wurde er Berufssoldat des deutschen Heeres in der Panzergrenadiertruppe.
Vom Gruppenführer durchlief er alle Führungspositionen bis zum Führer einer Panzerdivision. In dieser Zeit nahm er an der Generalstabsausbildung an der Führungsakademie in Hamburg teil. National hatte er Verwendungen in Stäben und als Chef des damaligen Amtes für Militärisches Nachrichtenwesen.
Im Planungsstab des Verteidigungsministers Dr. Manfred Wörner war er vier Jahre an der Schnittstelle Politik-Militär tätig und unter anderem an der Erarbeitung von zwei Weißbüchern beteiligt. Internationale Erfahrungen sammelte Dieter Farwick als Teilnehmer an dem einjährigen Lehrgang am Royal Defense College in London.
In den 90er Jahren war er über vier Jahre als Operationschef im damaligen NATO-Hauptquartier Europa-Mitte eingesetzt. Er war maßgeblich an der Weiterentwicklung des NATO-Programmes ´Partnership for Peace` beteiligt.
Seinen Ruhestand erreichte Dieter Farwick im Dienstgrad eines Brigadegenerals. Während seiner aktiven Dienstzeit und später hat er mehrere Bücher und zahlreiche Publikationen über Fragen der Sicherheitspolitik und der Streitkräfte veröffentlicht.
Nach seiner Pensionierung war er zehn Jahre lang Chefredakteur des Newsservice worldsecurity.com, der sicherheitsrelevante Themen global abdeckt.
Dieter Farwick ist Beisitzer im Präsidium des Studienzentrum Weikersheim und führt dort eine jährliche Sicherheitspolitische Tagung durch.
Seit seiner Pensionierung arbeitet er als Publizist, u. a. bei conservo.
www.conservo.wordpress.com     7.1.2019
Über conservo 7867 Artikel
Conservo-Redaktion