Aus, Klaus-Rainer Röhl – Nachruf auf einen deutschen Zeitzeugen, der sich vom linken Saulus zum patriotischen Paulus gewandelt hat

von Notan Dickerle,  Anwärter auf den Leuchtturmpreis für mutigen Journalismus gegen “Bunt”

Klaus-Rainer Röhl. Bild: http://klausrainerroehl.de/

In den letzten Jahren war es still geworden um den alten Mann, der die deutschen Abgründe des letzten Jahrhunderts intensiv wie kaum ein anderer durchlebt hat – pointiert zum Ausdruck gebracht im Titel seines 2009 erschienenen vorletzten Buches: „Mein langer Marsch durch die Illusionen: Leben mit Hitler, der DKP, den 68-ern, der RAF und Ulrike Meinhof“. Damals war der einstige lifestylelinke Röhl, in den 50-er Jahren Gründer der Zeitschrift „konkret“, bereits zum nationalliberalen Paulus konvertiert, der regelmäßig in der „Preußischen Allgmeinen“ publizierte.

Besonders Ulrike Meinhof und in deren Gefolge die RAF hatten Röhls Illusion von der menschenfreundlichen, guten Linken zunichte gemacht: Die Terroristin, von Unverbesserlichen bis heute als „engagierte Journalistin“ bewundert und tituliert, war zwischen 1961 und 1968 seine Ehefrau. Freunde des Paares und der Hamburger „konkret“-Szene wie der Schriftsteller Peter Rühmkorf interpretierten die Radikalisierung Meinhofs nicht zuletzt als private Rache für eheliche Untreue, denn Röhl begann ein Verhältnis mit einer griechischen Diplomatin – mit der er dann für den Rest seines Lebens zusammenlebte.

Mit dem alliterativen Schlagwort „Raus, Kleiner Röhl!“ hatte Meinhof Ende der 60-er Jahre die Besetzung des Verlagshauses durch ein Redaktionskollektiv betrieben, nachdem der Verleger die Auflage des Intellektuellenblattes durch eine Portion Sex and Crime aufgepeppt hatte. Dies kam nach Überzeugung von Idealisten der reinen Lehre einem Verrat an den Kapitalismus gleich und brachte der Zeitschrift garstige Spottnamen wie „Yellow Press der APO“ oder „Polit-Porno-Postille“ ein. Röhl verließ „konkret“ schließlich 1973 und versuchte sich an den kurzlebigen Publikationen „das da“ und „Spontan“. „Konkret“ ging ohne ihn zunächst pleite, wurde vom antideutschen ehemaligen „Spiegel“-Redakteur Gremlitza aber wiederbelebt und besteht bis heute.

Klaus-Rainer Röhl zog indessen aus seinen Erfahrungen Konsequenzen und widmete sich der Erkenntnis, daß sich Links- und Rechtsextremismus kaum voneinender unterscheiden und deshalb bekämpft werden müssen. Im „Deutschen Phrasenlexikon“ wandte er sich als einer der Ersten gegen die Politische Korrektheit, über „Linke Lebenslügen“ wußte er aus eigener Erfahrung bestens Bescheid. Aus Empörung über die von Jürgen Habermas und seiner Schule betriebene Ausgrenzung des Geschichtswissenschaftlers Ernst Nolte im Rahmen des sog. Historikerstreits wählte Röhl eben diesen als Doktorvater für seine Dissertation „Nähe zum Gegner – Kommunisten und Nationalsozialisten im Berliner BVG-Streik 1932“.

Berliner Appell

Für die politische Praxis bedeutender wurde der „Berliner Appell“, den Röhl im Vorfeld der Wahl zum Bundestag 1994 zusammen mit Rainer Zitelmann, Heimo Schwilk und Ulrich Schacht verfasste, und der von 15 Abgeordneten der CDU, mehreren DDR-Bürgerrechtlern sowie dem CSU-Minister Carl-Dieter Spranger unterschrieben wurde. In diesem Appell geht es um die Bewahrung des bis dato als selbstverständlich erachteten antitotalitären Konsens vor dem Hintergrund einer linken Kulturhegemonie und einer zunehmenden Akzeptanz der SED-Nachfolgepartei PDS. Dieser Konsens dürfe nicht durch eine „antifaschistisch-demokratische Ordnung“ ersetzt werden – also durch genau das, was sich im Deutschland der Merkel-Jahre, vorbereitet durch die rot-grüne Regierung Schröder/Fischer und den im Herbst 2000 ausgerufenen „Kampf gegen Rechts“, tatsächlich herausgebildet hat.

Auch eine „Initiative 8. Mai – wider das Vergessen“ haben die genannten Autoren auf den Weg gebracht, in dem die Qualifizierung des Endes von WK II als „Befreiung“ kritisch hinterfragt wird. Die Konsequenzen dieser einseitigen Geschichtsbetrachtung hat Röhl in seinen Büchern „Verbotene Trauer – Die vergessenen Opfer“ sowie „Deutsche Tabus“ beschrieben.

Es hat alles nichts genützt; mit dem Ausscheiden des Bürgerrechtlers Arnold Vaatz aus dem Bundestag hat sich der letzte Unterzeichner des „Berliner Appells“ aus der aktiven Politik verabschiedet. Sein Initiator Röhl, der in den 90-er Jahren in die FDP eingetreten ist, wo er vergeblich versucht hat, den nationalliberalen Flügel um Alexander von Stahl zu verstärken, hat vor zehn Jahren ein letztes Mal in die Diskussion über die Zukunft Deutschlands eingegriffen mit einem Buch, dessen Titel Thilo Sarrazzins von der guten Kanzlerin als „nicht hilfreich“ abqualifizierten Bestseller melancholisch aufnimmt: „Höre Deutschland: Wir schaffen uns nicht ab!“

Testamentarischer Wunsch eines Autors, der spät aber überzeugend ein deutscher Patriot geworden ist. Klaus Rainer Röhl, geboren am 1. Dezember 1928 in Danzig, ist einen Tag vor seinem 93. Geburtstag gestorben. Die sog. „Koalition des Fortschritts“ muß er nicht mehr erleben…