Warum die CSU einen konservativen Aufbruch braucht

Von Peter Helmes

Wenn man Grundsätze hat, braucht man nicht jeden Tag neue. Wenn man ein festes Fundament unter den Füßen hat, muß man es nicht jeden Tag aufreißen, um zu prüfen, ob es noch auf festem Boden fußt. Wenn man einen festen Glauben hat, muß man nicht den Finger in die Luft halten, um festzustellen, woher der Wind weht.KA

Die CSU arbeitet an einem neuen Grundsatzprogramm. Warum eigentlich? Das Aktuelle ist noch keine acht Jahre alt – eine für politische „Grundsatzprogramme“ äußerst kurze Zeit. Und die CSU – basierend auf Grundüberzeugungen – war und ist (hoffentlich) noch nie eine Partei gewesen, in der Spiegelstriche, Halbsätze und theoretische „Betrachtungen“ die Anleitung ihres Handelns gewesen wären. Das (noch geltende) CSU-Grundsatzprogramm aus dem Jahre 2007 bringt es elegant CSU-typisch auf den Punkt:

„Die christlich-soziale Volkspartei CSU ist überzeugungstreu im Grundsätzlichen und handlungsfähig in der praktischen Politik.“ Das hier erwähnte „Grundsätzliche“ umfaßt in seiner Grundsätzlichkeit nahezu jede politische Entwicklung (auch deren Gegenentwicklung) und legt somit Zeugnis ab für die sprichwörtliche Schlitzohrigkeit bajuwarischen Denkens. Es ist so formuliert, daß selbst plötzliche Kehrtwendungen eingeschlossen sind, also so ganz nach dem Herzen ihres Vorsitzenden Seehofer, der eben deshalb nicht zu Unrecht den zweifelhaften Ehrentitel „Dr.Ehhofer“ trägt.

Man könnte hier trefflich eine Satire zu den verschiedenen Wendungen und Drehungen des derzeitigen CSU-Vorsitzenden spinnen – das gehörte jedoch eher in den Bereich des politischen Klamauks und der Kinderbelustigung. Nein, nein: Hier geht es um etwas anderes, nämlich – um das Wort ernstzunehmen – um etwas „Grundsätzliches“: Wo steht die CSU heute, wo will sie hin, wo war ihr Gestern? Die Absicht der Parteiführung, ein neues Grundsatzprogramm zu beschließen, sagt viel aus über verlorene Orientierung und einen um sich greifenden Modernismus.

Für was steht die CSU? Diese Frage quält die Mitglieder – ein Prozeß, den auch die Anhänger der CDU zur Zeit durchleiden müssen. Für welche Werte steht die christlich-demokratische bzw. christlich-soziale Union heute – noch? Schon an diesem „noch“ kann man erkennen, daß der Autor nicht nur am heutigen Programm, sondern auch daran zweifelt, ob die wenigen Ur-Werte der Union, die es noch gibt, von Bestand sein werden – denken wir nur einmal an den zunehmend entleerten, nein entehrten Begriff „Familie“.

Vom Ursprung, den Wurzeln der CDU und der CSU – konservativ, sozial, liberal – spricht kaum noch jemand. „Konservativ“ will in unserer Partei offenbar niemand mehr sein. Statt diesen Begriff offensiv zu vertreten, zucken wir schon beim Hören des Wortes reflexartig zusammen. Feigheit vor dem Feind! Der Zeitgeist – so ergibt die nüchterne Bestandsanalyse – hat sowohl die CDU als auch die CSU ergriffen. Wer sich nicht anpaßt, ist heute von gestern und hat morgen keinen Anspruch, ernstgenommen zu werden. Ohne jede Scham werfen Christsoziale und –demokraten alte Werte über Bord und erklären jeden, der nicht mitmacht, zum „Ewiggestrigen“. Der Zeitgeist siegt, und die Union hechelt hinterher. Was sich an einem besonderen Beispiel demonstrieren läßt:

Die „Ehe für alle“-Debatte – eine Chance für CSU und CDU

Nach dem Referendum in Irland wittern die Systemveränderer Morgenluft. Schluß mit dem „Familiengedöns“, freie Fahrt – sprich freier Verkehr – für alle, ob mit oder ohne Trauring, ob Mann, Frau oder Kind! Und wenn schon Ehe, dann Homo-Ehe!

So etwa zeigt sich die derzeitige Gefühlswelt der Gesellschaftszerstörer. Nahezu ungehindert – ungehemmt sowieso – streben sie ihrem Ziel zu: der Auflösung der Familie als Keimzelle der Gesellschaft. Begleitet von einem nie dagewesenen Medienkonzert, unterstützt von „Bildungs- und Aktionsplänen“ aller Art und angeführt von Menschen, die scheinbar keine sexuellen Hemmungen (aner-)kennen, droht eine Riesenwelle von Familienfeindlichkeit über uns hereinzubrechen – im Beiboot Volkserzieher der grünroten Art, „fortschrittliche“ Kirchenmänner und –frauen und selbstverständlich die ganze Queer-Riege der LSBTTIQ-Menschen (siehe den gerade zu Ende gegangenen „Evangelischen Kirchentag mit seinem neuen Säulenheiligen, Sankt Gender).

Nach der Volksabstimmung in Irland wurde erneut das Trommelfeuer linker Agitation gegen unser Grundgesetz und die in Artikel 6 besonders geschützte Ehe und Familie eröffnet. Wer die letzten Unterschiede zwischen der Ehe und eingetragenen Lebenspartnerschaften beseitigen will, dem geht es in Wahrheit nicht um die Anliegen gleichgeschlechtlicher Paare, sondern um die Zerstörung der Ehe und Familie. Das Ideal des Grundgesetzes, einer lebenslangen Ehe von Mann und Frau mit gemeinsamen Kindern, versteht sich selbstverständlich nicht als Abwertung anderer Lebensgemeinschaften, sondern als unverzichtbare Keimzelle unserer Gesellschaft und künftiger Generationen. Wer die grundgesetzlich geforderte Privilegierung der Ehe und Familie aufgibt, indem er sie Lebensgemeinschaften gleichstellt, die Kinder nur nach einer Adoption aufziehen können, zerstört die Autonomie der Familie, weil er Staat und Politik künftig schrankenlos bestimmen läßt, was Familie ist. An die Stelle der Eltern und ihres natürlichen Erziehungsrechts sollen „Vater Staat“ und „Mutter Gleichstellungsbeauftragte“ treten. Das hatten wir sehr ausgeprägt bereits in den sozialistischen Ländern, aber es droht heute zum neuen Selbstverständnis unserer Gesellschaft zu werden.

Homo-Ehebefürworter auch in der CSU

Bloß nicht den Anschluß verlieren! Diese Furcht macht offensichtlich auch vor den Unionsparteien nicht halt. Daß CDU-Vize Jens Spahn zu den lautesten Befürwortern zählt, ist angesichts seiner zeitgeistigen „Öffnung“ keine Überraschung. Es scheint wohl nur eine Frage der Zeit zu sein, bis sich auch die CSU der Homo-Karawane anschließt. „Der Entwicklung anpassen“, nennt man das.

Die CSU-Spitze hält sich (noch) zurück, aber unter der Decke gärt es. Die Befürworter der Gleichstellung von Hetero- und Homo-Ehe verspüren Aufwind. Fehlt nur noch der Rückenwind von Horst Seehofer, der für seine Wendefähigkeit ausreichend bekannt ist. „Wir haben in der CSU sehr wohl Diskussionen zu diesem Thema. Und wir verschließen uns selbstverständlich dieser Diskussion nicht“, sagt Gudrun Zollner, 54-jährige CSU-Bundestagsabgeordnete aus dem niederbayerischen Wallersdorf. Sie tritt offen für eine Ehe für alle ein. Die gesellschaftliche und rechtliche Anerkennung von Schwulen und Lesben ist einer der Schwerpunkte ihrer Arbeit. Sie bekennt sich dazu auch daheim im ländlichen Raum.

Gegen die Zerstörung der Familie – ein Mahnruf aus der CSU

Der Zug Richtung Homo-Ehe nimmt Fahrt auf. Aufspringen oder Abspringen, Dampf machen oder bremsen? Die Fragen sollte die CSU unverzüglich klären. Der „Konservative Aufbruch“, also das Sprachrohr der konservativen Mahner in der CSU, sieht die Gefahr und warnt in einem eindringlichen Appell an die Partei:

„Die CSU-Führung muß sich unmißverständlich gegen die Tendenz zur Zerstörung von Ehe und Familie positionieren!“

Die Äußerungen der saarländischen Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) zur „Ehe für alle“ spiegeln die diffusen Ängste vieler Menschen in der Union. Damit muß sich die Partei auseinandersetzen und dies als Chance begreifen, die Ehe als Institution zu bewahren, die auf konservativen Werten beruht. Wenn die Union sich dafür entscheidet, sie als das anzuerkennen, dann kann sie sich auch vor der befürchteten Beliebigkeit schützen.

Noch lautet die Vorstellung in der CSU: „Wir haben den Artikel 6 des Grundgesetzes, wo ganz eindeutig festgehalten ist, daß Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz des Staates stehen, und das war bis dato die herkömmliche Ehe und Familie. Soll ein neues Grundsatzprogramm der CSU dies ändern?

Genau deshalb braucht es einen konservativen Aufbruch in der CSU.

Lassen wir uns von der „veröffentlichten Meinung“, den zeitgeistige Medien, nichts einreden. Die Menschen, die Bürger um uns herum, sind keine Hasardeure. „Das Volk“ – das ist eine starke Mehrheit. „Die anderen“ – die „neuen“ LSBTTIQ-Menschen – sind eine Minderheit, wenn auch eine lautstarke, auf die wir nicht hereinfallen dürfen. Seit wann wedelt der Schwanz mit dem Hund? Fragen Sie ´mal einen gestandenen Gewerkschaftler, einen gestandenen Sozialdemokraten, einen „normalen“ Bürger danach, ob er das umsetzen möchte, was ein „Queerer“ – eine Nullkommaprozent-Minderheit – umsetzen will. Mal abgesehen davon, daß er mit LSBTTIQ nichts anzufangen weiß, wird dieser Bürger nicht verstehend und nicht akzeptierend die Achseln schütteln und sich abwenden.

Anders ausgedrückt: Im Volk ist die Sehnsucht der Menschen nach konservativen Werten tief verankert. Die Sehnsucht nach konservativen Tugenden der Berechenbarkeit, der Verläßlichkeit, der Glaubwürdigkeit und Stetigkeit, diese Sehnsucht ist in unserem Volk eher stärker als schwächer geworden. Dieses „Volk“ hat seit Urzeiten ein ausgeprägtes Gespür für (falsche) Führung. Die Bürger wollen geführt werden, wenn sie Weg und Ziel verstehen. Wenn es den Politikern nicht gelingt, ihnen dies verständlich zu machen, reagieren die Menschen auf ihre Weise: Sie bleiben zuhause. So entsteht eine Nichtwähler-Gesellschaft, in der fast die Hälfte der Bevölkerung (stumm) gegen „die da oben“ protestiert. Diese Bürger wollen nicht irrlichtern – heute hierhin, morgen dahin – sie wollen Vertrauen geben und Vertrauen zurückbekommen.

Eine konservative Partei hat in Deutschland immer die Möglichkeit, die Mehrheit zu gewinnen, wenn sie sich nicht von ihrem Weg abbringen läßt und den angeblich fortschrittlichen Themen nachläuft! Weder der Sozialismus, auch nicht in seiner liberalen Form, noch der Liberalismus selbst haben für diese Grundeinstellung des Menschen das rechte Verständnis. Eine konservative Partei darf sich nicht liberalistisch geben und darf nicht meinen, grüner sein zu müssen als die Grünen oder linker als die Linken. Konservativ bedeutet, auf einem wertegebundenem Fundament zu stehen, von dem aus Neues entwickelt werden kann.

Die Modernisierer in der Union laufen Gefahr, auf die Schalmeien der grünroten Männlein hereinzufallen. „Zeitgeist“ heißt der neue Rattenfänger von Hameln. Franz Josef Strauß hat es schon zu einer Zeit gesagt, als vom heute herrschenden Zeitgeist noch keine Rede war, und damit diesem Zeitgeist eine deutliche Abfuhr erteilt:

Der Konservative muß offen sein für neue Entwicklungen. Er kann nicht das Bewährte bewahren, wenn er nicht offen ist für das, was an Neuem auf ihn zukommt. Er muß die Fähigkeit besitzen, ins Offene zu schauen, und er muß die Fähigkeit haben, das Eigentliche dessen, was auf ihn zukommt, zu erkennen. Der Ideologe kann das nicht. Er kommt nicht aus seiner Spur heraus. Er versucht, sich die Welt nach seinen ideologischen Vorgaben zu bauen. Die Ideologen haben Scheuklappen. Ja, sie sind blind. Dies gilt aber auch für jeden, der nur das Erreichte bewahren will, ohne zu begreifen, daß die Welt ständig im Wandel ist. Ein solcher „Konservativer“ wird bald nur noch die Asche bewahren.

Hören wir dazu einen Zeitzeugen, der unaufhörlich vor dem Zeitgeist warnt(e), Joseph Kardinal Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI. In einem Beitrag in der FAZ vom 04.08.1984 schrieb er allen Konservativen ins Stammbuch:

„Wir müssen uns heute mit aller Entschiedenheit wieder klarmachen, daß weder Vernunft noch Glaube irgendjemandem verheißen, daß es einmal die perfekte Welt geben wird. Es gibt sie nicht. Ihre ständige Erwartung, das Spiel mit ihrer Möglichkeit und Nähe, ist die ernsteste Gefährdung unserer Politik und unserer Gesellschaft, weil daraus die anarchische Schwärmerei mit Notwendigkeit hervorgeht. Für den Fortbestand der pluralistischen Demokratie, also für den Fortbestand und die Entwicklung eines menschenmöglichen Maßes an Gerechtigkeit. ist es dringend erforderlich, den Mut zur Unvollkommenheit und die Erkenntnis der stetigen Gefährdung der menschlichen Dinge wieder zu erlernen“ (Quelle: „Was ist Konservativ“, Markus Porsche, Ludwig und Jürgen Bellers, Bautz-Verlag, 2013, Seite 78.)

 

Ob sich die Planer des neuen CSU-Grundsatzprogramms dieser Mahnungen bewußt sind? Wäre Franz Josef Strauß noch hier, er säße mitten unter uns und würde uns zurufen: „Warum sitzt Ihr auf Euren Sofas und Stühlen? Deutschland, Bayern, die CSU – brauchen einen konservativen Aufbruch. Also auf, kämpfen wir!“

Angesichts des Verfalls vieler Werte in unserer Gesellschaft ist eine Besinnung auf unsere Grundlagen dringend nötig. Das gilt auch für die CSU, deren Vielstimmigkeit heute eher verwirrt als Orientierung gibt. Deshalb braucht die CSU einen konservativen Aufbruch, dessen Aufgabe es ist, die Partei auf ihre Wurzeln zurückzubesinnen, aber auch Neues zu gestalten. Wenn die CSU-Führung gut beraten ist, bindet sie den „Konservativen Aufbruch“ in Programm und Politik ihrer Partei ein. Ihn zu unterdrücken, wäre höchst unklug.

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